Gesetzentwurf zur Sterbehilfe:Es geht um mehr als um Schmerzen

Ärzte sollen Schwerstkranken beim Suizid helfen dürfen: Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den vier renommierte Wissenschaftler nun vorgelegt haben. Sie verweisen auf Erfahrungen in einem US-Bundesstaat.

Vier renommierte Wissenschaftler haben einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der Ärzten erlauben soll, Menschen bei der Selbsttötung zu helfen. Die Professoren haben ihren Vorschlag in München vorgestellt, um Politik und Bevölkerung über ihre Position zu informieren, bevor sich der Bundestag im September mit dem Thema beschäftigen wird.

Die Fachleute fordern, dass die Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stehen sollte - jedoch mit zwei Ausnahmen:

  • Wenn Angehörige oder Nahestehende sie "bei einem freiverantwortlich handelnden Volljährigen" leisten.
  • Wenn Ärzte es unter Einhaltung strenger Sorgfaltspflichten tun. Zum Beispiel müsste die Freiwilligkeit des Suizidwunsches geprüft werden. Die Patienten müssten "umfassend und lebensorientiert über andere, insbesondere palliativmedizinische Möglichkeiten" aufgeklärt werden. Und in Frage käme der assistierte Suizid nur bei unheilbar Erkrankten mit begrenzter Lebenserwartung. Mindestens ein weiterer unabhängiger Arzt müsste den Betroffenen persönlich gesprochen und untersucht haben.

Die Werbung für kommerzielle Beihilfe zur Selbsttötung sollte darüber hinaus verboten werden.

Patienten wünschen sich Kontrolle über den Tod

"Palliativmedizin ist etwas Wunderbares, sie gehört ausgebaut und adäquat finanziert", sagte einer der Autoren des Entwurfes, Gian Domenico Borasio, Inhaber des Lehrstuhls für Palliativmedizin an der Universität Lausanne. "Aber die klinische Erfahrung zeigt uns: Auch bei bester medizinischer Versorgung wird es immer Menschen geben, die sagen: 'Was mir noch bevorsteht, das möchte ich nicht erleben'."

Dabei gehe es den Betroffenen nicht in erster Linie darum, unerträgliche Schmerzen zu beenden. "Das stellen sich nur Gesunde so vor. Die Schmerzen können wir lindern", sagte Borasio. "Das Bedürfnis kommt aus dem Wunsch, gemäß eigener Würdevorstellungen zu sterben und die Kontrolle über den eigenen Tod zu behalten."

"Wir sollten uns nicht in die Tasche lügen", forderte Mitautor Ralf J. Jox vom Institut für Medizinethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Es gibt mehr assistierten Suizid in Deutschland als wir meinen, aber im Geheimen. Ein Verbot würde das nicht beenden, sondern das Problem verschärfen."

Hinter dem Entwurf stehen außer Borasio und Jox der Ex-Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, Urban Wiesing, Direktor des Instituts für Medizinethik der Universität Tübingen, und Jochen Taupitz, Direktor des Instituts für Medizinrecht der Universitäten Heidelberg und Mannheim.

Vorbild Oregon

Der Entwurf orientiert sich an den Gesetzen des US-Bundesstaates Oregon. Dort wäre es nach der Einführung der Regelungen zu keiner Zunahme der Fälle von Beihilfe gekommen. In Ländern wie den Niederlanden und Belgien dagegen, wo sogar die Tötung auf Verlangen erlaubt ist, sei die Zahl der Sterbehilfefälle "bedrohlich" gestiegen, wie Borasio sagte. Der Vorschlag von seinen Kollegen und ihm sei "dem Prinzip der Selbstbestimmung genauso verpflichtet wie den Prinzipien der Fürsorge und des Lebensschutzes".

Bereits die schwarz-gelbe Regierung hatte in der vergangenen Legislaturperiode versucht, sich auf ein Gesetz zur Sterbenhilfe zu einigen - jedoch vergeblich. Von der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD wurde dagegen erwartet, dass sie sich auf eine gemeinsame Position verständigen würde. Das ist inzwischen nicht mehr so klar. Zwar hat Gesundheitsminister Herman Gröhe (CDU) einen Gesetzentwurf angekündigt, der eine "restriktive Regelung" vorsieht, wie sie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert.

Peter Hintze (CDU) will Ärzten dagegen die Möglichkeit einräumen, leidenden Patienten beim Sterben zu helfen. Ähnlich hat sich der Gesundheitsexperte der SPD Karl Lauterbach geäußert, der ebenfalls einen Gesetzentwurf angekündigt hat.

Schwierige Lage für Ärzte

In der Bevölkerung ist die Zustimmung zur Sterbehilfe hoch, doch die Rechtslage ist schwierig: Aktive Sterbehilfe ist verboten. Das halten auch Borasio und seine Kollegen für richtig.

Nicht untersagt ist hingegen derzeit die Beihilfe (assistierter Suizid). Es ist demnach keine Straftat, einen Menschen mit Todeswunsch mit entsprechenden Medikamenten zu versorgen. Patienten müssen diese jedoch selbst einnehmen.

Die Bundesärztekammer hat in ihrer Musterberufsordnung klar festgelegt, dass Ärzte auch "keine Hilfe zur Selbsttötung leisten" dürfen. Mediziner begehen demnach mit einer Beihilfe zwar keine Straftat, riskieren aber ihre Zulassung - zumindest in den zehn Bundesländern, in denen die Landesärztekammern diesen Passus in die Berufsordnungen übernommen haben.

Auch in der Ärzteschaft gibt es keine einhellige Meinung in dieser Frage.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: