David Cameron beim Nato-Gipfel:Ablenken von den Problemen zu Hause

David Cameron

Für Premier Cameron bietet der Gipfel eine willkommene Gelegenheit, von seinen vielfältigen innenpolitischen Problemen abzulenken.

(Foto: AP)

David Cameron darf sich als Staatsmann präsentieren: Beim Nato-Gipfel in Wales ist der britische Premierminister Gastgeber einiger der wichtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt. Und er hat auch schon eine Idee, wie er das Treffen für sich nutzen kann.

Von Christian Zaschke, London

Zum zweiten Mal innerhalb eines guten Jahres ist der britische Premierminister David Cameron Gastgeber einiger der wichtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt, und erneut hat er das Treffen an die Peripherie des Vereinigten Königreichs gelegt. Der G-8-Gipfel im vergangenen Jahr fand am malerischen Lough Erne in Nordirland statt, und Cameron wurde nicht müde zu betonen, wie schön es in Nordirland sei und dass doch künftig bitte viele Touristen in die Gegend reisen mögen.

Der an diesem Donnerstag beginnende Nato-Gipfel findet im Celtic Manor Resort in Newport statt, einer 150 000-Einwohner-Stadt im Süden von Wales. Wirtschaftsverbände betonen, wie schön es in der Gegend sei und dass durch den Nato-Gipfel künftig sicherlich viele Touristen in die Gegend reisen würden. Der walisische Ministerpräsident Carwyn Jones nennt den Gipfel gar einen wichtigen Moment in der Geschichte von Wales.

Beim G-8-Gipfel hatte die Abgeschiedenheit des Orts für Politiker und Sicherheitskräfte den Vorteil, dass nur wenige Demonstranten sich auf den Weg nach Nordirland gemacht hatten. Wales ist etwas besser zu erreichen, weshalb die Polizei mit etwa 20 000 Demonstranten rechnet, die größtenteils in einem "Friedenslager" in einem Park campen sollen.

Dafür, dass sie der Veranstaltung nicht zu nahe kommen, sorgen neben 9500 Polizisten auch drei Meter hohe Zäune von insgesamt rund 18 Kilometern Länge. Die Bewohner Newports und des benachbarten Cardiff sprechen von einem "Ring aus Stahl", der um die Städte gelegt worden sei, und die Daily Mail vertritt die Ansicht, Newport habe sich in ein sehr großes Gefängnis verwandelt.

Kanada hat Interesse, ebenfalls Soldaten abzustellen

Für Premier Cameron bietet der Gipfel eine willkommene Gelegenheit, von seinen vielfältigen innenpolitischen Problemen abzulenken und sich als Staatsmann zu präsentieren. Zudem will er sich als Vorreiter im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) profilieren.

Nach Information der Financial Times plant Cameron zudem, auf dem Gipfel die Gründung einer neuen Eingreiftruppe zu verkünden, die für weltweite Einsätze bereit stehen soll. Unter britischer Führung sollen sich den Angaben zufolge sieben Nationen an der 10 000 Soldaten umfassenden Truppe beteiligen. Diese Eingreiftruppe ist nicht zu verwechseln mit der bereits bestehenden Nato Response Force, deren Erweiterung auf dem Gipfel beschlossen werden soll (siehe nebenstehenden Text).

Neben Großbritannien sollen Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, die Niederlande und Norwegen an der neuen Truppe beteiligt sein. Kanada habe Interesse bekundet, ebenfalls Soldaten abzustellen. Zu dem Verbund sollen neben Bodentruppen auch Luftstreitkräfte und Marineeinheiten gehören. Die Truppe soll äußerst schnell einsatzbereit sein und regelmäßig Übungen abhalten. Laut Financial Times sei die Gründung der Truppe eine direkte Folge des russischen Vorgehens in der Ukraine. Das britische Verteidigungsministerium gibt jedoch an, entsprechende Pläne bestünden bereits seit 2012.

Für die britische Armee böte die neue Truppe die Gelegenheit, an weiteren Auslandseinsätzen teilzunehmen. Die Armeespitze argumentiert, diese seien nötig, um die Armee in voller Kampfbereitschaft zu halten. Nach dem Rückzug aus Afghanistan ist fast die gesamte britische Armee im Inland stationiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: