Sinti und Roma:Die Gewalt des Vorurteils

Von allen Minderheiten stößt die Minderheit der Sinti und Roma in Deutschland auf die schärfste Ablehnung. Die Rigidität, mit der sie aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben werden, gehört in dieses Muster. Nun gilt es, einem vergessenen Volk eine Zukunft zu geben.

Kommentar von Heribert Prantl

Früher holte man auf dem Land die Wäsche von der Leine, wenn die Zigeuner kamen. Heute stopft man auch dort die Wäsche in den Trockner. Aber die Vorurteile gegen Sinti und Roma sind überall geblieben - in ganz Deutschland, in ganz Europa. Eine Studie ergab soeben, dass von allen Minderheiten die Minderheit der Sinti und Roma in Deutschland auf die schärfste Ablehnung stößt, gefolgt von Asylbewerbern und Muslimen.

Man kann über die Persistenz, über die Hartnäckigkeit und über die Dynamik von Vorurteilen klagen. Aber so ein allgemeines Lamento ändert gar nichts. So ein Lamento ändert auch nichts daran, dass die Sinti und Roma die Minderheit in Europa ist, der es am dreckigsten geht: Sie sind Europas vergessenes Volk. Auch dessen grausame Verfolgung durch die Nazis (die eine halbe Million Sinti und Roma umgebracht haben) ist weitgehend vergessen; daran hat das vor zwei Jahren in Berlin eingeweihte Denkmal nichts geändert. Die Politik in ganz Europa behandelt die Angehörigen dieser Minderheit wie Paria: Der Umgang ist von Schikane geprägt. Die Rigidität, mit der sie aus Deutschland nach Kosovo abgeschoben werden, gehört in dieses Muster: Man will mit ihnen nichts zu tun haben. Die Umfrage spiegelt das nur wider.

Es gilt, einem diskriminierten Volk eine Zukunft zu geben. Das ist eine deutsche und eine europäische Aufgabe.

© SZ vom 04.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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