Beleidigung von Vorgesetzten:Chef, du bist ein Psychopath

"Menschenschinder" und "Wichser": Dürfen Mitarbeiter ihren Vorgesetzten beleidigen? Manchmal ja, sagen die Gerichte.

Von Kim Björn Becker

Gesucht werden Bewerber mit den folgenden Eigenschaften: eiserne Führungsstärke, hohe Belastbarkeit, ein ruhiges Gemüt auch in kritischen Situationen - und, wichtiger noch als alles andere zusammen: viel Geduld mit den Launen der Mitarbeiter. Ein Chef musste schon immer viel aushalten können, irgendetwas muss ihn ja schließlich zum Anführer qualifizieren. Doch wenn es nach dem Landesarbeitsgericht in Rheinland-Pfalz geht, brauchen Führungskräfte heute besonders gute Nehmerqualitäten. Nach Ansicht der Richter rechtfertigt es jedenfalls keine fristlose Kündigung, wenn ein Mitarbeiter den Vorgesetzten gegenüber Kollegen als "Psychopathen" bezeichnet, der "eingesperrt" gehöre.

Genau das war in einem rheinland-pfälzischen Chemieunternehmen vorgefallen, und als der Vorgesetzte davon erfuhr, war der Wüterich schnell seinen Job los. Dieser wiederum klagte prompt vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen gegen seinen Rauswurf und bekam recht. Das Verhalten "an sich" stelle zwar einen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, sagten die Richter, allerdings wäre im vorliegenden Fall eine Abmahnung ausreichend gewesen, um den Delinquenten zu verwarnen. Der brüskierte Arbeitgeber legte Berufung gegen das Urteil ein und verlor nun erneut (Aktenzeichen 5 Sa 55/14). Für den Chef heißt das beim nächsten Mal: Abmahnung ja, Kündigung nein.

Eskaliert der Streit zwischen Mitarbeiter und Chef und kommt es dann zur Kündigung, hängt die Zukunft des Untergebenen vor allem davon ab, vor welchem Gericht der Fall verhandelt wird. Das Landesarbeitsgericht im nordrhein-westfälischen Hamm zum Beispiel hielt die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters für rechtens, nachdem dieser seinen Chef auf Facebook als "Menschenschinder" und "Ausbeuter" bezeichnet hatte.

Die Richter sahen im Verhalten des pöbelnden Mitarbeiters eine erhebliche Pflichtverletzung. Nach Ansicht der Arbeitsrichter in Frankfurt am Main muss sich auch einen neuen Job suchen, wer seinen Chef einen "faulen Sack" schimpft - eine solche Entgleisung sei "wegen der massiven Störung des Betriebsfriedens und der Untergrabung der Autorität der Vorgesetzten" nicht tolerierbar, hieß es.

Richter haben viel Verständnis für pöbelnde Mitarbeiter

In Rheinland-Pfalz hingegen scheinen die Sitten etwas rauer zu sein, dementsprechend gelassen sehen die Landesarbeitsrichter etwaigen Entgleisungen dortiger Angestellter entgegen. In Mainz ist, wie man nun weiß, nicht nur der "Psychopath" in Betrieben ansatzweise gesellschaftsfähig geworden. Vor einer Weile landete ein Streit zwischen einem Einzelhandelskaufmann und seinem Vorgesetzten vor demselben Gericht, nachdem der Mitarbeiter seinen Chef als "Wichser" tituliert hatte.

Auch in diesem Fall, so das Landesarbeitsgericht Mainz, sei eine vorherige Abmahnung nötig - zumindest, sofern der Wüterich zuvor nicht negativ aufgefallen ist (Aktenzeichen. 2 Sa 232/11). Der Mitarbeiter war bereits seit 18 Jahren im Unternehmen, als der Streit mit dem Chef um eine Krankschreibung entbrannte.

Auch im jüngsten Fall brachten die Mainzer Richter viel Verständnis für den pöbelnden Mitarbeiter auf: Er habe nicht damit rechnen müssen, dass seine Äußerungen von den mithörenden Kollegen nach außen getragen werden, hieß es. Außerdem müsse der verbale Ausbruch als Folge eines Konfliktgesprächs am Vortag gewertet werden - dabei war der Kläger aus dem Büro des Vorgesetzten geworfen worden.

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