Ihre Frage:Warum entwickeln wir kein europäisches Betriebssystem?

Auch Windows fühlt sich auf dem Mac zu Hause

Welches Betriebssystem soll ich nutzen? Diese Frage stellen sich noch zu wenige

(Foto: dpa-tmn)

Die NSA überwacht das Internet. Dennoch nutzen wir Betriebssysteme von US-Konzernen wie Microsoft, Apple und Google. Eine Alternative wäre auch gar nicht so einfach.

Ihre Frage

Per E-Mail erreichte uns folgende Frage unseres Lesers Gert B. Büttgenbach:

Warum entwickeln wir nicht endlich ein offenes, europäisches Betriebsystem für PCs, Tablets und Handys, so dass wir wissen, was im Inneren mit unseren Daten geschieht, und wir so wieder Vertrauen in unsere Geräte fassen können?

Unsere Antwort

Von Pascal Paukner, Autor im Digital-Ressort von Süddeutsche.de

Es gibt ein Betriebssystem, das diese Anforderungen im Prinzip erfüllt. Es heißt Linux und das Problem ist: Weltweit haben es, diversen Messungen zufolge, weniger als zwei Prozent der Menschen auf ihren Computern installiert. Zwar stieg der Marktanteil zuletzt etwas an. Aber von einem Linux-Boom, der mit der Aufdeckung des Überwachungsskandals zusammenhinge, kann nun wirklich keine Rede sein. Warum ist das so? Warum gibt es keine weitverbreiteten Alternativen zu den Betriebssystemen von Microsoft, Apple und Google?

Betriebssysteme sind eng mit Hardware verknüpft. Wer ein funktionierendes Betriebssystem entwickeln will, muss intensiv mit den Hardware-Herstellern in Kontakt stehen. Die sitzen in der Regel aber in den USA oder in Asien. Wollte ein Unternehmen ein erfolgreiches Betriebssystem einführen, wäre der Anreiz hoch, sich dort niederzulassen, wo die relevanten Kooperationspartner sitzen - also nicht in Europa. Der Staat könnte einer solchen Entwicklung zwar entgegenwirken, dazu müsste die Politik allerdings umfangreiche Subventionen bereitstellen. Dazu ist sie derzeit nicht bereit. Denn der Überwachungsskandal hat zwar zu einer umfassenden öffentlichen Debatte geführt. Die Empörung in der Bevölkerung ist aber nicht groß genug, dass sich die Politik zum Handeln gezwungen sieht.

Erschwerend kommt hinzu: Auch ein staatlich gefördertes europäisches Betriebssystem müsste innovativ sein. Sonst würde es niemand nutzen wollen. Das zeigt bis heute Linux. Es ist zwar offen, frei und sicher, hat aber den Ruf, nicht sonderlich sexy zu sein. Innovation lässt sich auch nicht staatlich verordnen. Selbst im Silicon Valley, wo das Geld viel lockerer sitzt, scheitern die allermeisten Unternehmungen. Wollte die EU-Kommission also ein neues Apple, Microsoft oder Google kreieren, müsste sie Dutzende Unternehmen starten und hoffen, dass eines den großen Wurf landet. Aber was hätte das dann noch mit Marktwirtschaft zu tun?

Es ist auch fraglich, ob ein europäisches System tatsächlich helfen könnte, das Vertrauen in die digitale Kommunikation wiederherzustellen. Wie inzwischen bekannt ist, arbeiten Geheimdienste aus Europa in vielen Fällen nicht viel anders als ihre Kollegen aus den USA. Man denke nur an das Tempora-Programm des britischen GCHQ oder die Verwicklungen des BND in die Affäre. Allein mit einem neuen Betriebssystem wäre das Problem ohnehin nicht erledigt. Man müsste ganz grundsätzlich die Internetinfrastruktur überarbeiten. Da erscheint es fast einfacher und zielführender, die große Macht der Geheimdienste endlich einzuschränken.

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