Apple Watch:Sie macht uns alle zu Geschäftsleuten

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Die Armbanduhr symbolisiert die ökonomische Zurichtung des Menschen. Wer die Apple Watch trägt, unterwirft sich noch weiter dem Takt der digitalen Welt.

Von Johan Schloemann

Die Firma Apple hat neben einer neuen Version des iPhones auch erstmals eine Ambanduhr vorgestellt: die Apple Watch. Wenn das Kalkül aufgeht, dann könnte jetzt das Tragen einer sogenannten Smartwatch am Handgelenk zum Massenphänomen werden - gut fünfhundert Jahre nach der Erfindung der ersten tragbaren Uhren.

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Eine frische Erinnerung daran, wie viel die Armbanduhr mit dem Status des modernen Menschen zu tun hat, lieferte gerade erst der Manager Thomas Middelhoff: Ihm wurde, wie berichtet, seine Piaget-Uhr im Wert von 20 000 Euro gepfändet, weil ihm die Gläubiger im Nacken sitzen. Diese Entkleidung ist die ultimative Demütigung. Die Luxusuhr, die ein Wirtschaftsführer hergeben muss, ist so etwas wie sein letztes Hemd.

1532 ist die portable Uhr der letzte Schrei

Die Armbanduhr ist nicht nur ein Stil-Statement - sie symbolisiert die ökonomische Zurichtung des Menschen. Sie macht uns alle zu Geschäftsleuten, sie zeigt an, dass wir vom messbaren Takt der Zeit abhängen, behauptet aber auch, dass wir sie souverän im Griff haben - besonders in der protzigeren Variante. Das allererste Bild, auf dem eine portable Uhr zu sehen ist, ist nicht zufällig eines der berühmtesten Kaufmannsporträts überhaupt: Es zeigt einen Mann namens Georg Giese, wurde 1532 von Hans Holbein dem Jüngeren gemalt und hängt in der Berliner Gemäldegalerie. Der Mann ist umgeben von Geld, Rechnungsbüchern, Kaufverträgen und eben seiner neuen Taschenuhr - damals der letzte Schrei, so wie bald vielleicht die Apple-Uhr.

Seit dem Bild von Holbein hat die tragbare Uhr immer zweierlei ausgedrückt: erstens die Bindung an den Takt des Geschäftslebens, an Produktions-, Abfahr- und Öffnungszeiten; zweitens aber auch die Erinnerung an die Vergänglichkeit, die Vanitas. An beides schließt nun die Smartwatch an. Wer Facebook und Amazon am Handgelenk hat, unterwirft sich noch weiter dem Takt der digitalen Ökonomie und Kommunikation - ganz abgesehen davon, dass neue Fragen der Etikette entstehen, wird doch der ungeduldige Blick auf die Uhr in Gesellschaft von anderen bislang als unhöflich empfunden.

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Eigentlich war der liebe Gott gemeint. Passt aber auch zu Apple

Und zugleich rückt die Smartwatch unserer sterblichen Körperlichkeit noch näher zu Leibe, als es die gewöhnliche Armbanduhr schon tat. Die Apple Watch ist, wie schon andere vergleichbare Geräte, mit Pulsmesser und Bewegungssensor ausgestattet. Die Fitness des Online-Subjekts geht mit der Überwachung der sportlichen Fitness einher. Die Sorge ums Stehenbleiben verschärft sich beiderseits. In der Gegenbewegung dazu wird, das darf man vermuten, das Geschäft mit teuren mechanischen Uhren weiter erblühen.

Eines der beliebtesten Lieder der bürgerlichen Musikkultur war "Die Uhr", 1852 komponiert von Carl Loewe. Die tragbare Uhr war da eine Metapher für den Gang des persönlichen Lebens im Angesicht der Ewigkeit. In einer Strophe hieß es: "Doch stände sie einmal stille, / Dann wär's um sie geschehn, / Kein andrer, als der sie fügte, / Bringt die Zerstörte zum Gehn." Damit war eigentlich der liebe Gott gemeint. Aber zur Produkt- und Reparaturpolitik von Apple passt das auch ziemlich gut.

© SZ vom 09.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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