Kabinettsbeschluss:Platz für 2000 zusätzliche Flüchtlinge

Aufnahmestelle für Flüchtlinge Zirndorf

Die Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Zirndorf in Bayern im Juli - noch immer ist sie heillos überfüllt.

(Foto: dpa)

Bayern sei in einer "echten Notsituation", sagt Staatskanzleichef Huber: Um den Flüchtlingsandrang in den Griff zu kriegen, schafft das Kabinett 2000 zusätzliche Plätze. Bis Ende des Jahres soll der Freistaat damit für 23.000 neue Asylbewerber gerüstet sein.

Von Mike Szymanski

Die Staatsregierung will bis Oktober in Bayern 2000 zusätzlich Plätze für Flüchtlinge schaffen. Darauf hat sich der Ministerrat am Dienstag in einer mehrstündigen Krisensitzung verständigt, um der rasant wachsenden Zahl an Hilfesuchenden gerecht zu werden. Die Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf sind seit Monaten heillos überfüllt, es kommt zu teils chaotischen Zuständen.

Die Staatsregierung hatte sich deshalb vom Bayerischen Roten Kreuz bereits Versagen in der Flüchtlingspolitik vorwerfen lassen müssen. Die Rede war sogar von einer "humanitären Katastrophe", die sich mitten in Bayern ereigne. Staatskanzleichef Marcel Huber bezeichnete es nach der Sitzung als "moralische Pflicht" des Freistaats, den Flüchtlingen zu helfen. Gerade Bayern, einem Land, in dem es den Menschen so gut wie nie zuvor gehe, habe hier eine "besondere Verantwortung".

500 Schlafmöglichkeiten in der Kaserne in Roth

Bayern befinde sich in einer "echten Notsituation". Eine schnelle Entlastung will die Staatsregierung dadurch erreichen, dass so rasch wie möglich leer stehende Kasernen und andere Gebäude für Asylbewerber hergerichtet werden. "Wir schauen uns alle Kasernen an", erklärte Sozialministerin Emilia Müller. Erste Entscheidungen sind bereits getroffen. 500 Schlafmöglichkeiten sollen beispielsweise in den nächsten zwei bis drei Wochen in der Kaserne in Roth entstehen. 150 Betten will Müller in der Alfred-Delp-Kaserne in Donauwörth bezugsfertig machen. Weitere Militärliegenschaften in München und Regensburg hat die Staatsregierung im Blick. Ebenso ein ehemaliges Warenhaus in Fürth, das für 500 Asylbewerber zur Herberge werden soll.

Zusätzlich zu den 2000 neuen Plätzen will Müller bis zum Jahresende einen "Puffer" von etwa 1100 Unterbringungsmöglichkeiten schaffen. Ihren Angaben zufolge wäre Bayern bis Ende des Jahres dann für 23 000 neu ankommende Asylbewerber gerüstet. In den Prognosen werde davon ausgegangen, dass bis Dezember etwa 16 000 Flüchtlinge nach Bayern kommen könnten. "Ich gehe von einer weit höheren Zahl aus", sagte Müller. Die Münchner Bayernkaserne, die wegen Fällen von Masern-Erkrankungen zwischenzeitlich keine Flüchtlinge mehr aufnahm, werde am Freitag wieder geöffnet. Auch dies werde zu einer Entspannung beitragen.

Bis spätestens 2016 soll jeder Regierungsbezirk über mindestens eine Erstaufnahmeeinrichtung verfügen. Relativ neu im Gespräch sind Standorte in Augsburg und Schweinfurt, wo sich die Staatsregierung in der Abstimmung mit den Lokalpolitikern befinde, wie Müller sagte. Besonderes Augenmerk habe sie vor allem auf die minderjährigen Flüchtlinge, die ohne Begleitung nach Deutschland gekommen sind.

Deren Zahl habe sich vervielfacht, von gut 500 im vergangenen Jahr auf wohl 3000, die Müller in diesem Jahr erwartet. Die Staatsregierung werde die Kommunen mit jährlich acht Millionen Euro bei deren Betreuung unterstützen. Derzeit seien vor allem Rosenheim, München und Passau damit konfrontiert, diesen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Künftig sollen auch andere Kommunen Bayerns helfen. Eine Verteilung auf andere Bundesländer ließe die Gesetzeslage nicht zu, die Müller aber per Bundesratsinitiative ändern will.

Müller, die zuletzt einen überforderten Eindruck im Umgang mit den Flüchtlingen gemacht hatte, bekommt einen Ministerialdirektor an die Seite gestellt. Markus Gruber, bislang Geschäftsführer der CSU-Fraktion im Landtag, soll in das Sozialministerium wechseln und dort künftig die Themen Asyl, Integration und Zuwanderung koordinieren. Müller sagte dazu: "Das ist eine gewaltige Entlastung." Sie wird dafür künftig einen Kabinettsausschuss leiten, der regelmäßig über Fortschritte im Ministerrat berichten soll. Regierungschef Horst Seehofer hatte das Sozialministerium nach der Wahl im Herbst vergangenen Jahres in seinen Kompetenzen beschnitten, verkleinert und die Stelle eines Staatssekretärs eingespart.

Innenminister Joachim Herrmann soll bundespolitisch Druck in der Flüchtlingspolitik machen. Er fordert mehr Personal für das Bundesamt für Migration, damit Asylverfahren schneller abgeschlossen werden können. Seinen Erkenntnissen zufolge würden dort 100 000 Fälle noch unbearbeitet auf den Schreibtischen liegen. Zudem verlangt er von Italien und Österreich, sich selbst stärker um Flüchtlinge zu kümmern, anstatt sie nach Deutschland weiterzuschicken. Die geplante Kabinettssitzung in der kommenden Woche wurde zugunsten eines Asylgipfels mit Vertretern der Kirchen, der Kommunen und Wohlfahrtsverbänden abgesagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: