EU-Kommission:In Europa wird jetzt regiert

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Jean-Claude Juncker hat "seine" EU-Kommission vorgestellt. Der Start ist ziemlich gelungen. (Foto: AFP)

Jean-Claude Juncker wandelt die EU-Kommission in eine Regierung um. Er hat die Jobs gut verteilt, keine Technokraten an die Spitze geholt - und es sind auch nicht mehr die Opas, die nach Brüssel entsorgt werden. Eine andere Möglichkeit hatte er kaum.

Kommentar von Cerstin Gammelin, Brüssel

Jean-Claude Juncker wagt den Neuanfang. Der designierte Präsident der Europäischen Kommission macht sich daran, die bürokratische Gesetzgebungsbehörde Europas in einen normalen politischen Regierungsapparat zu wandeln. Ähnlich wie ein Premier oder eine Bundeskanzlerin wird der Präsident der Europäischen Kommission eine Art Regierungskabinett haben, in dem eben statt der üblichen Minister die Vizepräsidenten sitzen sollen.

Der Schritt Junckers ist mutig und gefährlich zugleich. Er ist aber auch, um ein beliebtes Wort von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu bemühen, alternativlos. Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage und stagnierender Rekordzahlen an Arbeitslosen, zunehmender Dissonanzen zwischen Berlin und Paris über den Wirtschaftskurs, steigender Flüchtlingszahlen und geostrategischer Herausforderungen und nicht zuletzt wegen abdriftender Briten und zunehmend europaskeptischer Bürger konnte Juncker nur ein Signal senden, das eindeutig Neuanfang heißt.

Genau dieser Neuanfang bedeutet auch, dass nicht mehr, wie bisher, jeder der 27 Kommissare - jedes Land entsendet einen Vertreter - ein fachliches Aufgabenfeld zugewiesen bekommt und dann vor sich hin und gelegentlich am Ziel vorbei arbeitet. Eine Arbeitsweise, die wesentlich zur öffentlichen Wahrnehmung der Behörde als Spielwiese europäischer Bürokraten beitrug.

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Juncker drängt die nationalen Regierungen in den Hintergrund

Gewiss, Junckers Absicht, die Europäische Kommission in ein politisches Regierungsorgan zu umzuwandeln, birgt Risiken. Die nationalen Hauptstädte treten automatisch in den Hintergrund, wenn die Behörde als Regierung Europas öffentlich wahrgenommen wird. Streit ist programmiert, weil sich die Länder, die keinen einflussreichen Vizeposten, sondern nur einen normalen Kommissarsposten bekommen haben, benachteiligt fühlen werden. Die Hierarchien dürften auch die Zusammenarbeit zwischen Vizepräsidenten und Kommissaren belasten.

Der langjährige Premierminister Luxemburgs wird den Streit einkalkuliert haben. Zudem hat Juncker sorgsam darauf geachtet, politische Lager und Ideologien auszutarieren - quasi zu neutralisieren. Der sozialistische Wirtschaftskommissar hat einen liberal-konservativen Vizepräsidenten. Der erste Stellvertreter des christsozialen Europavisionärs Juncker ist ein europakritischer Sozialdemokrat aus Den Haag. Und so weiter.

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Überraschend ist, wie viele politische Schwergewichte sich im Juncker-Team tummeln. Keine Technokraten, keine Funktionäre, stattdessen neun ehemalige Premier- und Vizepremierminister, dreizehn Ex-Minister und sechs frühere Kommissare. Elf der Kommissare sind wirtschaftserfahren. Und es sind auch nicht mehr die Opas, die nach Brüssel entsorgt werden - das Durchschnittsalter des Regierungskabinetts liegt bei 49 Jahren.

Im Großen und Ganzen ist Juncker der erste Aufschlag also ziemlich gut gelungen. Es liegt jetzt an den Regierungen in den nationalen Hauptstädten, den Schwung aus Brüssel aufzunehmen.

© SZ vom 11.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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