Internet im Auto:Im Netz unterwegs

Geht es nach Autoindustrie und IT-Branche, steht das Internet auf vier Rädern vor dem Durchbruch. Das iPhone soll als Initialzündung herhalten.

Joachim Becker

Das kommende Mega-Medium heißt Internet-to-go. Die Zukunft gehört den mobilen, allseits verfügbaren, lokal basierten und personalisierten Datendiensten. Doch im Auto ist noch kaum jemand online. Nach wie vor reisen wir in isolierten Blechbüchsen und nutzen Handys bloß zum Telefonieren oder als tragbare Musikspeicher. Dabei kann der Datenfluss durch den Äther für eine Vielzahl von Infotainment-, Navigations- und Kommunikationsfunktionen genutzt werden.

Beispiel Ford: Die Kölner wollen die nächste Focus-Generation 2011 zum Hotspot machen. Wenn Ford Sync als Sonderausstattung an Bord ist, können die Mitfahrer unterwegs per Laptop drahtlos surfen. Sinnvoll wird dieses Angebot aber erst, wenn die vierte Mobilfunkgeneration startet. In Stockholm ist 4G bereits in Betrieb, in Kürze werden hierzulande die nötigen Mobilfunkfrequenzen versteigert. Die hohen Übertragungsraten für mobile Anwendungen sollen deutschlandweit verfügbar sein. Dann ist die Zeit reif für das Autofahren 2.0.

Unterwegs richtig Gas geben auf der Datenautobahn, das ist bisher nur ein Traum. Das aktuelle UMTS-Netz ist ein Flickenteppich, in dem man sich nicht zu schnell bewegen darf. Wer im Auto fährt und Daten abruft, fällt leicht in ein Funkloch. Der optionale Internetzugang in Verbindung mit dem BMW Navigationssystem Professional verzichtet daher auf die 3G-Option. Doch bei Übertragungsraten im Tempo eines Telefonmodems werden Erinnerungen an alte Webzeiten wieder wach: www bedeutet warten, warten, warten. Dabei drängen eine Vielzahl zusätzlicher Datendienste auf den Markt.

Auf der IAA 2009 hat BMW erstmals das Konzept eines Application Stores gezeigt. Wie bei Apples iPhone soll das Bordsystem zur (teilweise) offenen Kommunikationsplattform werden: Immer neue, individuell auswählbare Zusatzprogramme verwandeln die uniforme Radio-Navigations-Einheit in einen cleveren persönlichen Assistenten. Zudem bliebe das Fahrzeug über die gesamte Lebensdauer auf dem neuesten Softwarestand: Die langsamen Modellwechsel der Auto-Hardware würden so mit den rasenden Entwicklungszyklen der Unterhaltungselektronik synchronisiert.

Im Mobilfunkhimmel ist die Hölle los

Schon heute ist im Mobilfunkhimmel die Hölle los. In London brach vor einigen Wochen ein Funknetz komplett zusammen. Schuld war der rasant steigende Datenhunger von Smartphones mit Internetzugang. Auch der Datenverkehr in den deutschen Mobilfunknetzen explodiert geradezu, sagt August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbandes Bitkom. 2009 habe sich die übertragene Datenmenge fast vervierfacht, in den nächsten Jahren soll sich das Wachstumstempo weiter beschleunigen.

Seit das Apple iPhone mit seinen leicht bedienbaren Apps 2007 auf den Markt kam, hat der Jahresumsatz mit der Mini-Software bereits 6,8 Milliarden Dollar erreicht, 2013 sollen es fast 30 Milliarden sein. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um uns in die Internet-Community zu integrieren", sagt Ralf Lenninger, Leiter der Strategie- und Entwicklungsabteilung Interior bei Continental.

Bereits vor zehn Jahren sollte das Auto zum rollenden Webportal werden. Doch die Dienste waren nicht attraktiv genug, also wurden die meisten Onlineprojekte der Autohersteller wieder eingestampft. Apple und Google haben danach vorgemacht, wie das mobile Internet Begehrlichkeiten wecken kann. Jetzt ist die Frage, wie 900 Millionen Autonutzer weltweit möglichst sicher und kostengünstig vernetzt werden können. "Es fehlte an der Benutzerfreundlichkeit und es fehlte ein tragfähiges Gesamtkonzept, um maßgeschneiderte Inhalte für Autofahrer über eine zentrale Plattform bereitstellen zu können", erinnert sich Lenninger. Das Continental AutoLinQ soll diese Lücke schließen, indem es E-Mails oder Kurznachrichten auf Wunsch vorliest.

Noch fehlt eine Lösung, die den Fahrer davon abhält, die Antwort am Lenkrad in sein Smartphone zu hacken. Musiktitel, die gerade im Radio laufen, können per Shazan-App identifiziert und mit einem Klick auf die Festplatte des Multimediasystems heruntergeladen werden. Außerdem steuert der Kooperationspartner Deutsche Telekom ein Online-Telefonbuch bei, aus dem heraus einzelne Teilnehmer direkt angerufen oder deren Anschrift als Navigationsziel übernommen werden können.

Mini: Webradio via iPhone-Schnittstelle

Das Fahren vereinfachen ist das Continental-Motto und genauso so simpel sieht AutoLinQ derzeit noch aus. Außerdem ist die Zahl der Zusatzprogramme gering, deshalb holen die Regensburger Entwickler aus der weltweiten Community mit ins Boot: Mit dem Software-Development-Kit auf Basis der Google Android-Software können sie im Laufe des Jahres autogerechte Apps programmieren. Bereits in zwei bis drei Jahren soll das Diensteangebot im Auto starten. Aber noch ist nicht ausgemacht, ob das Internet überhaupt ein Festeinbausystem im Auto benötigt. Wer zahlt künftig noch für ein teures Navigationssystem ab Werk, wenn die kostenlosen Onlinevarianten auf einem angeschlossenen Mobiltelefon aktueller sind?

Die Handy-Apps sind auch deshalb ein Erfolg, weil ihr Download zum großen Teil gratis ist. Folgerichtig hat die Kleinwagenmarke Mini kürzlich ein Webradio vorgestellt, das über eine relativ kostengünstige iPhone-Schnittstelle ins Auto kommt. Weitere Infotainment-, Navigations- und Kommunikationsfunktionen können ebenfalls über die gewohnten Bedienelemente angesteuert werden.

Audi zeigt im neuen A8 hingegen eine Luxusvariante des mobilen Internets. Ab Oktober dieses Jahres sorgt ein optionales UMTS-Modul für den Empfang von dreidimensionalen Satelliten- und Luftbilder von Google Earth. Der Bordcomputer zeichnet in diese Gelände- und Stadtansichten das Straßennetz ein und liefert viele Zusatzinformationen zu den angegebenen Zielen. Voraussetzung für das Mäusekino ist ein Handy mit Daten-Flatrate, das mit dem Bordnetz gekoppelt wird oder gleich eine zweite SIM-Karte, die ins Auto integriert wird.

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