NSU-Prozess in München:Spur in die Schweiz

Vor dem OLG München sagen zwei Schweizer Polizisten über die Beschaffung der Mordwaffe des NSU aus. Ein Landsmann soll die Pistole einst gekauft haben. Die Schweizer Spur ist auch deshalb interessant, weil es noch andere Verbindungen in das Nachbarland gibt.

Aus dem Gericht berichtet Tanjev Schultz

Die deutsche Polizei war auf der richtigen Spur. Bereits im Jahr 2007 stieß sie auf Anton Peter G., einen Schweizer, der in den Neunzigerjahren eine Pistole des Typs Ceska 83 erworben haben soll. Mit so einer Waffe waren in Deutschland neun Migranten ermordet worden, und das Bundeskriminalamt klapperte alle Personen ab, die diesen Pistolentyp erworben hatten. Es waren gar nicht so viele. Einer von ihnen war ausweislich der Unterlagen eines Schweizer Waffenladens Anton Peter G., der jedoch alles abstritt. Er habe diese Pistole nie in Händen gehabt und den zugehörigen Waffenerwerbsschein angeblich verloren. Das war gelogen.

Im NSU-Prozess traten am Dienstag und Mittwoch zwei Polizisten aus der Schweiz als Zeugen auf, die Anton Peter G. mehrmals vernommen hatten. Als die Ceska-Pistole im Jahr 2011 in der Wohnung der NSU-Terroristen gefunden und klar wurde, wer die Mörder waren, änderte der Schweizer plötzlich seine Angaben.

Drei Mal hat er in den Jahren zuvor jede Verbindung zu der Pistole geleugnet. Nun, im Jahr 2012, gibt er zu, er habe "die Scheiße" damals gemacht und zwei Waffenerwerbsscheine für 400 Franken an einen Freund weiterverkauft. Dieser Freund heißt Hans Ulrich M., auch er ist Schweizer Staatsbürger. Er soll zu Anton Peter G. gesagt haben, dieser wolle gar nicht mehr zu der Sache wissen.

Anruf aus der Schweiz

Aus Sicht der Ermittler spricht viel dafür, dass Hans Ulrich M. die Ceska-Pistole an einen Freund aus Deutschland verkauft hat. So landete sie in einem Laden der rechten Szene in Jena und gelangte schließlich in die Hände der Terroristen. Unklar ist, wie viel die Schweizer über diesen Weg der Waffe wussten. Beide beteuern, keine Verbindung zum NSU gehabt zu haben.

Anton Peter G., der zeitweise schwer krank war, will den Waffendeal aus Geldnot gemacht haben. Hätte er schon 2007 oder in den weiteren Befragungen 2008 oder 2009 die Wahrheit gesagt, wären die Ermittler dem NSU möglicherweise schon früher auf die Spur des Trios gekommen. Trotz einer damals ausgelobten hohen Belohnung von 300 000 Euro leugnete der Schweizer alles.

Die Schweizer Spur ist auch deshalb interessant, weil es noch andere NSU-Verbindungen in das Nachbarland gibt: 1998 bekam ein Unterstützer der untergetauchten Neonazis einen Anruf aus der Schweiz. Die Identität des Anrufers ist bis heute nicht endgültig geklärt, es könnte Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt gewesen sein, womöglich aber auch ein anderer. Der Anruf wurde von den Behörden mitgehört. Es ging um einen geheimen Treffpunkt und darum, dass ein Helfer Kleidung mitbringen sollte. Der Anruf kam aus Concise in der Schweiz, dort fand am selben Tag ein großes Neonazi-Konzert statt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: