Richard Stöss zur NPD:"Um die Intellektualisierung ist es schlecht bestellt"

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Der Politikwissenschaftler Richard Stöss darüber, was die NPD mit Nordkorea gemein hat und warum es die intellektuellen Rechten eigentlich nicht gibt.

Birgit Kruse

sueddeutsche.de: Bei dem Rechtsextremismus, den Deutschland derzeit erlebt, soll es sich um den gefährlichsten seit 1945 handeln. Was macht ihn so bedrohlich?

(Foto: Foto: dpa)

Richard Stöss: Die NPD, die das Gravitationsfeld des Rechtsextremismus bildet, arbeitet sehr intensiv mit den Kameradschaften zusammen. In diesem Bereich der sogenannten freien Kräfte besteht ein hohes Gewaltpotential. Neu daran ist, dass eine relativ erfolgreiche rechtsextreme Partei wie die NPD sich mit diesen gewaltbereiten Kräften zusammentut und sich von ihnen sogar im Wahlkampf helfen lässt.

sueddeutsche.de: Wie passt dieses Bündnis dann mit dem selbstverordneten Image des gutbürgerlichen Krawattenträgers zusammen?

Stöss: Das passt gar nicht zusammen. Und das ist auch genau der Widerspruch, mit dem die Partei zu kämpfen hat: Auf der einen Seite versucht die NPD, mit den Subkulturen und den gewaltbereiten Szenen vor Ort zusammenzuarbeiten. Auf der anderen Seite wollen sie gerade in der Kommunalpolitik gutbürgerlich auftreten - mit eigenen Kandidaten, die dem gutsituierten Mittelstand angehören oder die lokale Honoratioren sind.

sueddeutsche.de: Mit den neuen Intellektuellen also?

Stöss: Eher nicht. Bei der Landtagswahl in Sachsen beispielsweise hat das lokale Honoratiorenpotential letztlich nur eine geringe Rolle gespielt.

sueddeutsche.de: Es ist aber doch immer wieder von der Intellektualisierung der Rechten die Rede.

Stöss: Das stimmt. Vor allem im Zusammenhang mit den Neuen Rechten. Doch um die Intellektualisierung der NPD ist es schlecht bestellt. Im Augenblick gilt ja Andreas Molau als Chefideologe der Partei. Bislang ist er aber nicht gerade durch seine theoretischen Abhandlungen aufgefallen - aber vielleicht kommt das ja noch.

Und Jürgen Schwab, der vor allem nach den Wahlerfolgen der NPD in Sachsen als wichtiger Theoretiker gehandelt wurde, ist 2005 wieder aus der Partei ausgetreten. Seine Begründung: Die Partei habe ein großes intellektuelles Defizit.

sueddeutsche.de: Die Rechten haben doch sogar versucht, mit der Dresdner Schule einen theoretischen Gegenentwurf zur linken Frankfurter Schule von Horkheimer, Adorno oder Habermas zu etablieren ...

Stöss: ... und sind damit letztlich grandios gescheitert. Vielversprechende Ansätze für eine Intellektualisierung des Rechtsextremismus wurden seit den frühen 1980er Jahren entwickelt. Damals begannen die Wahlerfolge extrem rechter Parteien in zahlreichen westeuropäischen Staaten und es entstanden intellektuelle Denkfabriken, vor allem in Frankreich die GRECE und in Deutschland das Thule-Seminar.

Man bemühte sich, die zentralen ideologischen Komponenten des Rechtsextremismus auf eine neue geistesgeschichtliche Grundlage zu stellen - also dem Ganzen ein theoretisches Fundament zu geben. Diese Initiativen sind mittlerweile aber eingeschlafen. Als Schwab sich von der NPD lossagte, kritisierte er, dass die Partei intellektuell gar nicht in der Lage sei, eine eigene Schule gegen die Linken zu entwickeln.

sueddeutsche.de: Jetzt versucht die NPD ja vor allem, mit sozialen Themen zu punkten.

Stöss: Genau. Die NPD versucht, die nationale Frage mit der sozialen zu verbinden. Sie richtet sich generell gegen die Globalisierung und will zurück zum geschlossenen Nationalstaat. Das heißt dann "raumorientierte Volkswirtschaft". Nur wird man das kaum als Intellektualisierung bezeichnen wollen.

seuddeutsche.de: Dennoch könnte die NPD von einer intellektuellen Aufrüstung profitieren?

Stöss: Ja. Eine Partei kann zwar an die Unzufriedenheit der Wähler anknüpfen und kurzfristig davon profitieren. Aber wenn sie in bürgerliche Milieus eindringen will, dann muss sie mehr als eine Protestpartei sein. Wie will die NPD denn einen völkisch homogenen Nationalstaat erreichen? Die Form der Abschottung nach außen, wie sie die NPD fordert, erinnert ja fast schon an Nordkorea. Und dieses Land ist nun mal das beste Beispiel, dass ein solches Modell grandios scheitert. Oder wie wäre eine nationalistische Wirtschaftsordnung unter den Bedingungen der Globalisierung zu gestalten? Zu all den Fragen werden Sie im Parteiprogramm der NPD keine konkrete Antwort finden.

sueddeutsche.de: Dennoch hören sich die Parolen auf den ersten Blick gerade für die, die am Rand der Gesellschaft stehen, verlockend an. Wie erfolgreich ist die NPD im Kampf um den Wähler?

Stöss: Das Potential ist sehr groß. Die NPD schafft es jedoch nicht, dieses Potential zu mobilisieren und an die Wahlurnen zu bringen. Denn es handelt sich dabei zumeist um Wähler, die politisch uninteressiert sind. Diese Gruppen nehmen weder am politischen Leben teil, noch gehen sie zu Wahlen. Die NPD schafft es nur ausnahmsweise, wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern, mit großem personellem Aufwand vor Ort Anhänger zu mobilisieren.

sueddeutsche.de: Wird ihr das flächendeckend gelingen?

Stöss: Wohl kaum. Wenn die Partei bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde kommen will, benötigt sie etwa 2,5 Millionen Stimmen. Davon ist die NPD derzeit meilenweit entfernt. Bei der letzten Bundestagswahl haben 750.000 Personen die NPD gewählt. Das waren gerade mal 1,6 Prozent der Bürger. Die benötigten Stimmen sind allein innerhalb der neonazistischen Subkultur nicht mobilisierbar.

sueddeutsche.de: Wie wird die NPD am Wochenende mit ihrem umstrittenen Parteichef Voigt umgehen?

Stöss: Ich glaube, dass die inneren Spannungen und Flügelkämpfe längst nicht so dramatisch sind, wie das oft in den Medien dargestellt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand in der Lage ist, Udo Voigt zu stürzen oder zu erstetzen. Ich glaube, der sitzt sehr fest im Sattel, zumal die unbestreitbaren internen Probleme die Partei zur Geschlossenheit zwingen.

Professor Richard Stöss ist außerplanmäßiger Professor an der Freien Universität Berlin. Der Politologe und Sozialwissenschaftler forscht unter anderem zu Rechtsextremismus, Parteientheorie und Parteiengeschichte.

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