Schichtl-Betreiber Schauer:"Ich nenn' die Wiesn lang schon Intersuff"

"Schichtl" Manfred Schauer auf dem Oktoberfest in München, 2014

1985 übernahm Manfred Schauer das traditionsreiche Varieté-Theater.

(Foto: Florian Peljak)

Manfred Schauer betreibt das älteste Geschäft auf der Wiesn, den Schichtl. Im Gespräch verrät er, was ihn zur Wiesn-Zeit am meisten nervt - und warum er das Oktoberfest eigentlich kaum kennt.

Von Kassian Stroh

Er ist das älteste Geschäft auf der Wiesn: Seit 1869 gibt es den Schichtl, seit 1872 werden dort Menschen geköpft. 1985 stand das Varieté-Theater vor dem Aus. Dann übernahm es Manfred Schauer. Und der Schichtl lebt noch. Grund genug für ein Gespräch mit dem 61-Jährigen über die Wiesn und die Tradition.

SZ: Herr Schauer, was nervt Sie an München zur Wiesn-Zeit am meisten?

Manfred Schauer: Jeder hat Trachten in seinem Laden drin, ob Metzger, Schuhmacher oder Tengelmann. Dabei haben sie gar keine Ahnung, was Tracht ist. Da ist viel Faschingsgwand dabei. Dabei hat der noch gar nicht Saison.

Fasching ist doch nichts Schlimmes.

Alles zu seiner Zeit. Nein, schlimm ist gar nix. Jeder darf sich zum Deppen machen, dafür braucht er keine Jahreszeit.

Wenn's den Leuten Spaß macht, da braucht man sich doch nicht aufregen.

Ich reg mich nicht auf, weil ich erwarten würde, dass ich Erfolg habe, sondern weil's mir dann besser geht.

Und warum ärgert Sie das so?

Mich ärgert das nicht. Und wenn sie "ärgern" schreiben, dann diktiere ich Ihnen gleich mal einen Widerruf. Also: Ich nehme nur wahr und finde es schade, dass die Leute jeden Stil und jede Echtheit verloren haben. Also, das Echte gibt es schon noch, aber es wird halt weniger.

Haben Sie das Gefühl, dass da Tradition auch verraten wird?

Verraten kann man nur, wovon man Ahnung hat. Aber noch mal: Ich bin nicht der Trachtenpapst, das sind meine subjektiven Wahrnehmungen. Ich mache niemandem einen Vorwurf, jeder soll anziehen, worin er sich wohlfühlt. Aber man sagt ja: Kleider machen Leute, sie sagen ein bisschen was über den Menschen aus, man kann schon Rückschlüsse daraus ziehen. Ich finde schade, dass die Leute es so gern greislich haben.

Ist Ihnen das Oktoberfest noch traditionell genug?

Die Tradition kämpft auf der Wiesn - auf der Oidn Wiesn mit großem Erfolg. Das ist, nebenbei, dem Schichtl alles andere als zuträglich. Weil: Dort ist genau mein Publikum, nur ist die Oide Wiesn genau am anderen Eck, weiter weg geht kaum. Und das ist sehr schade. Die Leute, die die Tradition lieben, kriegen sie dort gebündelt - da kann ich allein hier wenig machen.

"Neben der Oidn Wiesn ist kein Platz für mich"

Haben Sie schon mal mit der Stadt geredet, ob man da was ändern könnte?

Ja. Und die Stadt sagt mit Fug und Recht, was ich auch sage: Mit der Art, wie ich den Schichtl mache, passe ich nicht auf die Oide Wiesn; der ist zwar ein uralter Laden, aber ich bin schon mitgegangen mit der Entwicklung, mit der Dynamik, mit der Musik. Und direkt neben der Oidn Wiesn ist kein Platz für mich, weil ich nicht alle vier Jahre aussetzen möchte, wenn da die Bauernolympiade ist - das könnte ich nicht, das wäre wie ein Schwangerschaftsabbruch. Die Stadt hat aber auch gesehen, dass wir uns wirtschaftlich schwertun. Ich könnte mein Laden eigentlich abends um acht zusperren. Ich möchte nur ganz klar sagen: Ich jammere mit keiner Silbe. Niemand zwingt mich das zu tun. Der Schichtl ist meine Leidenschaft.

Wie schwer tun Sie sich wirtschaftlich?

Mein Geld verdiene ich mit Floßfahrten, Firmenfeiern, Moderationen und so weiter - und da ist die Schichtl-Bühne natürlich meine Präsentationsfläche. Wenn ich nur vom Schichtl-Theater leben müsste, würde ich Radl fahren und am Campingplatz Thalkirchen wohnen. Und wenn die Stadt nicht meine Theater-Schänke nebenan zugelassen hätte, hätte ich schon hingeschmissen. Für die Schufterei auch noch Geld zahlen - das ist es dann doch nicht.

Ein Gedankenspiel: Nähme man den Schichtl, die Krinoline, den Toboggan, den Flohzirkus weg - wäre das dann noch die Wiesn?

Für mich nicht.

Aber Leute kämen schon noch genug?

Ganz sicher, McDonald's läuft ja auch gut. Wissen Sie: Ich nenn' die Wiesn lang schon Intersuff.

Kann man das Oktoberfest entkernen?

Ich würde eher sagen: ihm die Substanz nehmen. Ja, die Gefahr besteht. Die Stadt tut aber alles, es zu hegen und zu pflegen. Das Kasperltheater zum Beispiel erfährt große Unterstützung von ihr. Ich weiß es nicht, ob es so ist - aber ich fände es fair, wenn die kein Platzgeld zahlen müssten. Oder das Russenradl, das kleine Riesenrad. Ich glaube: Die Stadt ist da schon fair und kommt einem wirtschaftlich entgegen.

Sie haben dazu beigetragen, eine Tradition zu bewahren. Aber haben Sie den Schichtl deshalb übernommen? Oder wegen des Geldes?

Nein. Ich habe mein Tannenhandel am Großmarkt gehabt, der ist gut gegangen. Der Schichtl ist mir passiert, ich hab gehört, dass er zu haben ist - da bin ich angesprungen. Es gab nur zwei Bewerber damals. Mich und den Gerd Käfer, der wollte ihn seinerzeit neben seinem Zelt aufstellen. Wenn sich ein Schausteller beworben hätte, hätte ich ihn nie gekriegt.

Wie viel muss man ändern, um so einen Traditionsbetrieb am Laufen zu halten, wie viel darf man ändern?

In erster Linie muss man die Preise ändern (lacht). Da kommt man leider nicht aus. Aber wenn ich so viel verlangen würde, dass es wirtschaftlich wäre - nein, das tut man nicht. Das wäre illusorisch. So. Ansonsten gibt's ein Sprichwort: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Man muss technisch mitgehen, bei der Sicherheit auch, aber im Verborgenen. Bei mir gibt's zum Beispiel keine LED-Lampen, mit denen ich Strom sparen könnte. Und im Programm? Da habe ich wieder was Neues, auch heuer wieder: zwei Deutsch sprechende Österreicher, die Conchita und den Hans Wurst, und eine Tänzerin, die Kleopatra Ramsauer, die ist so süß, da kriegt man schon vom Zuschauen Diabetes. Grundsätzlich kommst Du gegen 30 Fernsehkanäle, die 24 Stunden senden, nicht an. Ich kann beim Schichtl nur jeden Tag die Leute mit Empathie und Menschlichkeit erreichen, und übers Lachen.

Wenn Sie sich eine Wiesn selber zusammenstellen könnten - wie sähe die denn aus?

(Breitet die Arme aus) So wie die hier.

Bei allem, was Sie stört?

Ja. Ich muss aber sagen: Mir fehlt etwas der Überblick, mein Horizont auf der Wiesn reicht nur 150 Meter weit. Mehr sehe ich nicht, weil ich hier ja den ganzen Tag nicht wegkomme.

Das heißt, Sie betreiben zwar das älteste Geschäft auf der Wiesn, kennen sie aber mit am schlechtesten.

Ja, ich gehe höchstens mal mittags ganz schnell wo hin zum Essen, sonst bin ich hier im Zelt. Mei, du bist halt der Schichtl. Dieses Hemd kannst Du nicht ausziehen.

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