Seit eineinhalb Jahren wütet in der Zentralafrikanischen Republik ein Bürgerkrieg, dem bislang mehrere Tausend Menschen zum Opfer gefallen sind. Mit den Gräueltaten beider Seiten wird sich jetzt der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) befassen: Das Gericht in den Haag hat diese Woche offiziell Ermittlungen aufgenommen, nachdem im Laufe von Vorermittlungen eine "endlose Liste" von Vorwürfen zutage gekommen war, wie Chefanklägerin Fatou Bensouda am Mittwoch erklärte: "Ich kann diese mutmaßlichen Verbrechen nicht ignorieren".
Die Ermittlungen sollen sich sowohl gegen Mitglieder der Séléka richten, des muslimischen Rebellenbündnisses, das im März 2013 den damaligen Präsidenten François Bozizé gestürzt hatte, als auch gegen die gegnerischen, mehrheitlich christlichen Anti-Balaka-Milizen, deren Kämpfer seither massenhaft Jagd auf muslimische Zivilisten gemacht haben. Ihre Behörde habe Informationen aus "einer Vielzahl glaubwürdiger Quellen" analysiert, so Bensouda; diese bildeten die Grundlage dafür, "anzunehmen, dass sowohl die Séléka als auch die Anti-Balaka-Gruppen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen begangen haben, darunter Mord, Vergewaltigung, Vertreibung, Verfolgung, Plünderung, Angriffe auf humanitäre Missionen und der Einsatz von Kindern unter 15 Jahren in Kämpfen."
Ende Mai hatte die damalige Übergangsregierung der Zentralafrikanischen Republik die Zuständigkeit für die Ermittlungen offiziell dem Weltstrafgericht übergeben. Sie "freue sich" auf die "uneingeschränkte Kooperation" der Behörden des Landes, sagte Bensouda am Mittwoch.
Etwa jeder vierte Einwohner auf der Flucht
Auf Staatspräsidentin Catherine Samba-Panza, die seit Januar im Amt ist, lagen große Hoffnungen, die sie jedoch bislang nicht erfüllen konnte: Als im muslimisch geprägten Nachbarland Tschad geborene Christin galt sie bei Amtsantritt vielen zunächst als glaubwürdige Integrationsfigur - doch auf die marodierenden Milizen in den Wäldern fernab der Hauptstadt Bangui hat sie sichtlich wenig Einfluss. Nachdem die Gewalt auf beiden Seiten im Laufe der vergangenen Monate nicht abgeebbt war, ernannte Samba-Panza im August den früheren Séléka-Rebellen Mahamat Kamoun zum Ministerpräsidenten. Doch auch dieser Versuch, die Regierungsmacht demonstrativ unter Christen und Muslimen aufzuteilen, hat bislang wenig genutzt. Das Land ist de facto zerfallen in einen christlichen Süden und einen muslimischen Norden; etwa jeder vierte der insgesamt etwa 4,6 Millionen Einwohner ist auf der Flucht.
Mitte September hat die 7600 Mann starke UN-Friedenstruppe Minusca ihren Dienst in der Zentralafrikanischen Republik aufgenommen; sie löst die bisherige Mission Misca ab, die unter der Führung der Afrikanischen Union stand. Zudem sind im Rahmen einer EU-Mission seit Juni 750 Soldaten aus zehn verschiedenen europäischen Staaten in dem Land stationiert, die unter anderem in zwei zuvor stark umkämpften Vierteln der Hauptstadt Bangui patrouillieren. Das Mandat endet Mitte Dezember dieses Jahres; der Kommandeur der Truppe erklärte jedoch kürzlich, er hoffe auf eine Verlängerung durch die europäischen Regierungen. Deutschland ist an dem Einsatz mit Soldaten in Bangui und am griechischen Standort Larissa sowie mit einem Sanitätsflugzeug beteiligt.