Studienplatzklage:Wenn Unis Anwälte brauchen

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Medizinstudium mit einem 2,0-Schnitt? Kein Problem, wenn man den richtigen Anwalt an der Hand hat. Doch Unis wehren sich gegen die Flut an Studienplatzklagen - offenbar mit Erfolg.

Von Yannik Buhl

Über Studenten, die sich an der Universität Freiburg in die Studiengänge Medizin oder Psychologie per Verwaltungsgericht einklagen möchten, kann Nicolas Scherger nur den Kopf schütteln. "Seit 2010 haben wir kein Verfahren mehr verloren", sagt der Uni-Sprecher. Noch 2009/10 hätten es aber knapp 560 Studenten versucht. Vier Jahre später seien es nicht mal 100.

Wunschfach Medizin: In beliebten Studiengängen brauchen Abiturienten einen Einser-Schnitt, um zugelassen zu werden. (Symbolbild) (Foto: dpa)

"Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass ein Versuch bei uns wenig aussichtsreich ist", erklärt er sich den Rückgang. Der Ruf kommt nicht von ungefähr; er ist ausdrücklich gewollt. Denn die Uni lässt sich genau deshalb von einer auf Studienplatzklagen spezialisierten Kanzlei vor Gericht vertreten. Damit steht Freiburg nicht allein da.

Zusammenarbeit mit Profis

Immer mehr Unis arbeiten mittlerweile regelmäßig mit Profi-Kanzleien für Zulassungsrecht zusammen - statt die Juristen ihrer Verwaltung gegen klagende Bewerber ins Feld zu schicken. Der Grund: Jeder zusätzliche Studienplatz kostet die Universitäten Geld, besonders in den medizinischen Fächern. Hinzu kommt, dass jedes Verfahren Ressourcen in den eher schwach besetzten Justiziariaten bindet. Und nicht zuletzt passt man sich an die Gegenseite an: Die Kläger nehmen schließlich meist die Hilfe von Zulassungsprofis in Anspruch. Quer durch alle Fächer, bisher kannte man das überwiegend in Medizin.

Laut dem Centrum für Hochschulentwicklung galt zuletzt für fast die Hälfte aller Studiengänge bundesweit ein Numerus clausus (NC) - zusehends häufiger gibt es in Massenfächern wie Betriebswirtschaft eine Hürde, an jedem Ort individuell. An den 20 größten Unis, so hat es eine SZ-Umfrage im Herbst 2013 ergeben, herrschte gar bei zwei Drittel aller Bachelorfächer ein NC. Die Hochschulen, die mit einer Gesamtstudentenzahl von fast 2,5 Millionen auf Rekordniveau liegen, achten haarklein auf ihre Kapazitäten.

Zahlen zur Zunahme an Klagen gibt es zwar nicht: da regionale Verwaltungsgerichte zuständig sind, wird das nirgends zentral erhoben. Beobachter aus der Hochschulverwaltung sagen aber: Tendenz steigend. Auch Stefanie Busch sieht "an einigen Hochschulen eine verschärfte Numerus-clausus-Situation". Sie leitet bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) das Referat für Studienzulassung. "Eine Kooperation mit einem spezialisierten Anwalt kann da sehr sinnvoll sein", sagt Busch. Die Alternative wäre: Für viel Geld die Uni-Rechtsabteilungen auszubauen.

Die Uni Mainz zum Beispiel, mit gut 36 000 Studenten eine der größeren Hochschulen, hat jährlich mit insgesamt 1000 Klagen zu kämpfen. "Diese müssen zudem jeweils in einem sehr begrenzten Zeitrahmen bearbeitet werden", sagt Uni-Sprecherin Petra Giegerich. Das hauseigene Justiziariat könne das nicht stemmen. So arbeite man eben mit einer spezialisierten Kanzlei zusammen. "Zusätzlich verschafft uns die Kanzlei Rechtssicherheit, weil sie sich in der hochkomplexen Materie besser auskennt." Man könne durch die Vergabe "auf viel Fachwissen zurückgreifen und das eigene Justiziariat entlasten", berichtet auch ihr Freiburger Kollege Scherger.

Aus rechtlicher Sicht hat zusätzlich die Bologna-Reform für Anspannung bei den Unis gesorgt - schließlich kann auch die zweite Stufe nach dem Bachelor, der Master, zulassungsbeschränkt sein. Die Reform hat also einen zweiten Klageanlass geschaffen. Auch ein guter Grund für Profis.

Bei Ralf Bergert löst das Verhalten der Universitäten keine Begeisterung aus. Er ist Anwalt und hat sich mit seiner Kanzlei auf Studienplatzklagen spezialisiert - allerdings aufseiten der Bewerber, die ihre Nicht-Zulassung nicht akzeptieren wollen. "Die Klage ist ein durchweg legitimes Mittel", findet Bergert. Man nehme keinem Studenten einen Platz weg, sondern schöpfe nur jene aus, die sonst unbesetzt blieben.

Nicht die Hürde selbst wird bekrittelt

Genau das ist bei den Klagen meist die Strategie: nicht die Hürde selbst, zum Beispiel ein NC von 1,8 in einem Fach, wird bekrittelt - sondern die Kläger glauben, dass Kapazitäten nicht sauber berechnet worden seien. Ein Kollege aus Bergerts Zunft hat das in einem Medienbericht mal so definiert: "Wir verlangen nicht, dass noch ein Stück Kuchen extra gebacken wird. Wir klagen, dass noch nicht der ganze Kuchen verteilt wurde." Die Hochschule muss vor Gericht dann das Gegenteil beweisen.

Bergert wirft den Unis vor, eine Kostenhürde für Studenten schaffen zu wollen: Bewerber müssten nämlich im Falle einer Niederlage die Kosten des Verfahrens bezahlen und gehen deshalb womöglich gar nicht erst vor Gericht. "Dabei bräuchten die Universitäten sich gar nicht extern vertreten zu lassen, sie haben eigene Justiziariate", so der Anwalt. Ihn verärgert besonders, dass so "bedürftigen Antragstellern der Weg ins Studium verwehrt" werde.

Die Unis jedoch sparen damit viel Geld. Dank der Profi-Kanzleien können sie sehr viele Verfahren für sich entscheiden - und müssen weder Gerichtskosten noch die Studienplätze bezahlen.

© SZ vom 06.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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