Elektromobilität:Berlin hat Ladehemmung

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Nicht nur an der Ladesäule, auch an der Straßenlaterne sollen Elektroautos künftig geladen werden können. (Foto: dpa)

In Berlin könnten Elektroautos längst Strom aus Straßenlaternen ziehen. Doch die Stadt zögert, die Technik einzuführen - und forciert lieber einen Wettbewerb der Anbieter.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Immerhin die Steckdose ist schon da. Am Bundesverkehrsministerium in Berlins Mitte, in einer kleinen Seitenstraße, steckt sie in einer Straßenlaterne. Das System gilt als so einfach wie genial: Wo immer Straßen mit Strom beleuchtet werden, ließen sich auch solche Steckdosen anbringen. "Die Löcher sind schnell gebohrt", sagt Frank Pawlitschek, Gründer und Co-Geschäftsführer des Berliner Start-ups Ubitricity, das die Steckdosen entwickelt hat. "Man muss uns nur lassen."

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Wenn es so einfach wäre. 188 000 Straßenlaternen gibt es in Berlin, an die 5000 davon kämen für die neue Technologie infrage. Doch der Senat will es anders. Die Stadtentwickler entschieden sich für ein kompliziertes Vergabeverfahren, Technologien sollten so in Wettbewerb zueinander treten. Doch Ubitricity flog frühzeitig raus. Erst gab es Zweifel an der Kapitalkraft, dann an der Massenfähigkeit der Technologie. "Man muss wissen, dass die noch in der Erprobungsphase ist", sagt Gernot Lobenberg, Chef der Berliner Agentur für Elektromobilität. "Deshalb ist sie nicht mehr Teil der Vergabe." Eine Reihe von Stromkonzernen allerdings ist noch dabei, in drei Wochen endet für die verbliebenen Bieter die Frist. Manche vermuten, der Senat habe den Newcomer abtropfen lassen.

Eine Frage der Standards

Doch hinter dem komplizierten Verfahren stehen auch die Mühen der Ebene bei der Elektromobilität. Denn nach wie vor fehlen Standards, rund um Ladesäulen und Steckdosen selbst, aber auch bei der Abrechnung. So rechnen die meisten Anbieter gleich an der Säule ab. Bei Ubitricity dagegen ist das Kabel zugleich die Kommunikationszentrale - es meldet per Funk die Strommenge. So reicht die Dose zum Laden.

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Der Auftrag für den Bau mehrerer Hundert Ladesäulen gibt damit auch einen Hinweis, welche Technologie sich am Ende durchsetzen könnte. "Mit der Vergabe werden langfristig wirksame Investitionsentscheidungen getroffen", heißt es beim zuständigen Stadtentwicklungssenat in Berlin. Pfadabhängigkeiten wolle man aber "so weit wie möglich" vermeiden. Um ein Jahr liegt das Verfahren mittlerweile hinter Plan, der Komplexität wegen. "Wir bauen hier nicht einfach eine Straße", sagt Lobenberg. "Lieber machen wir ein vernünftiges Verfahren als einen Schnellschuss."

"Schaufenster der Elektromobilität"

Die Entscheidung in Berlin strahlt damit auf ganz Deutschland ab. Berlin ist eines von mehreren vom Bund geförderten "Schaufenstern" für die Elektromobilität, und zwar jenes, das die Potenziale für Ballungsräume aufzeigen soll. Gerade hier, wo viele Pendler nur vergleichsweise kurze Strecken zurücklegen, könnten die E-Autos ihren Charme entfalten. Auf 1600 Ladepunkte sollte die Zahl nach den bisherigen Plänen anwachsen, 450 gibt es schon. Sie sollen gewissermaßen das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität lösen. Nur 1500 Elektroautos gibt es in Berlin.

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Jeder der Bieter weiß um die strategische Bedeutung des Verfahrens. Ubitricity etwa, gefördert auch aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums, griff angesichts des Dämpfers im Vergabeverfahren zu einem ungewöhnlichen Mittel: Das Unternehmen wollte der Stadt hundert Laternensteckdosen schenken. Doch das Schaufenster ließ die Rollladen herunter: Monatelang habe man mit dem Senat über das Geschenk verhandeln müssen, heißt es bei der Firma. Nun gibt es immerhin für 19 Laternen eine Erlaubnis, allerdings nur in vergleichsweise unattraktiven Gegenden, und auch das nur unter Auflagen . Die attraktiven sind für den Sieger der Ausschreibung reserviert. Bleiben nur ein paar zentrale Steckdosen wie die an der Ministeriums-Laterne. Ursprünglich beantragt hatte die Firma übrigens dort eine Lizenz für drei Laternen.

© SZ vom 10.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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