Debatte um Stolpersteine:Gedenken, das entzweit

Charlotte Knobloch.

Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München.

(Foto: oh)

Charlotte Knobloch ist eine entschiedene Gegnerin von Stolpersteinen. Doch in den jüdischen Gemeinden gibt es auch andere Positionen zum Thema. Für wen also spricht die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München?

Von Jakob Wetzel

Für wen spricht Charlotte Knobloch? Oder besser: Für wen hätte sie gesprochen? Ihr Standpunkt ist klar: Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde ist Münchens entschiedenste Gegnerin von Stolpersteinen; nicht zuletzt wegen ihres Vetos hat der Stadtrat im Jahr 2004 verboten, dass die kleinen messingfarbenen Steine zum Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes auf städtischem Grund verlegt werden.

Jetzt hat die 81-Jährige ihre geplante Teilnahme an einem erneuten Stadtrats-Hearing abgesagt. Sie wolle nicht um Respekt vor den Opfern betteln müssen, schrieb sie in einem emotionalen Brief an Kulturreferent Hans-Georg Küppers. Damit scheint das gesamte Hearing infrage gestellt - dabei ist Knobloch nicht die einzige Stimme, die in München für die Opfer der Nationalsozialisten sprechen kann, seien es Juden, Sinti und Roma oder zum Beispiel Homosexuelle; das nimmt die Präsidentin der Kultusgemeinde auch nicht für sich in Anspruch. Aber ihr Nein ist selbst unter Münchner Juden nicht unumstritten.

Die kleine liberale Gemeinde Beth Shalom mit ihrem Rabbiner Tom Kučera etwa ist Mitglied in der "Initiative Stolpersteine für München", die sich umtriebig für die Gedenksteine einsetzt. Der Vorsitzende der Initiative, Terry Swartzberg, sagt gar, eine deutliche Mehrheit aller jüdischen Münchner befürworte die Steine, er selbst fühle sich dadurch geradezu demokratisch legitimiert. Ob seine Einschätzung zutrifft, ist allerdings schwer zu fassen; in einer Umfrage der Initiative sprachen sich zuletzt mehr als 90 Prozent der etwa 450 teilnehmenden Münchner für Stolpersteine aus, aber eine wirklich repräsentative Erhebung gibt es nicht.

Swartzberg hat viel Unterstützung von prominenten auswärtigen Juden erfahren, etwa von Zentralratspräsident Dieter Graumann und den Vizepräsidenten Salomon Korn und Josef Schuster, die sich für Stolpersteine in München ausgesprochen haben. Selbst aus dem Ausland meldeten sich Rabbiner. Und laut Swartzberg hat seine Initiative auch Unterstützer in der Münchner Kultusgemeinde.

Auch deren Mitglieder sind sich keineswegs allesamt einig. Charlotte Knobloch ist hier zwar alles andere als isoliert, viele Mitglieder teilen ihre Skepsis. Eine große Debatte über Stolpersteine wird in der Kultusgemeinde nicht geführt. Gleichzeitig ist es schwer, offen zu diskutieren, wenn sich die Präsidentin bereits vor zehn Jahren festgelegt hat, und wenn man fürchten muss, sie mit einem Widerspruch zu beschädigen - oder womöglich zu verletzen. Denn Knobloch geht das Thema nahe. Die Münchner Ehrenbürgerin hat vor Jahrzehnten persönlich mitansehen müssen, wie SA-Männer Juden auf der Straße misshandelten; die Geschichte ihres Lebens ist seitdem die des Versuchs, sich mit dem Land der früheren Täter zu versöhnen. Stolpersteine aber empfindet sie, als würden die Opfer von früher erneut mit Füßen getreten.

Es geht um Gefühle, das macht jede offene Debatte schwierig. Und für den Münchner Stadtrat wiederum bedeutet das eine heikle Entscheidung. Ob er das 2004 beschlossene Veto kippt oder nicht: Er wird auf jeden Fall einige jüdische Münchner gegen sich haben.

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