Berufsunfähigkeitsversicherung:Was muss die Versicherung vor Vertragsabschluss wissen?

Der Schutz vor Berufsunfähigkeit gehört zu den wichtigsten und kompliziertesten Versicherungen, die es gibt. Jeder Vertrag wird individuell auf die Person abgestimmt. So finden Sie durch den Paragrafen-Dschungel.

Von Marina Engler

Eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit (kurz: BU) ist nach der Privat-Haftpflicht die wichtigste Versicherung, die man haben sollte. Dieser Aussage schließen sich Verbraucherschützer wie Versicherungsberater einhellig an. Dennoch ist es seit der Abschaffung des staatlichen BU-Schutzes im Jahr 2001 immer schwieriger geworden, eine solche Versicherung zu bezahlbaren Konditionen zu bekommen. Denn die Versicherer versuchen, sämtliche Risiken ihrer potenziellen Kunden vor Vertragsabschluss einzukalkulieren.

Im Laufe der Zeit hat diese Praxis bizarre Formen angenommen, beschreibt Helge Kühl, Versicherungsmakler und Honorarberater für die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein: "Am Anfang gab es nur zwei Risikogruppen. Mittlerweile hat aber jede kleine Versicherungsklitsche mehrere tausend Kategorien, so dass die Einteilung völlig undurchsichtig geworden ist." Dementsprechend ist ein Vergleich und die Auswahl einer guten Versicherung für einen Laien kaum alleine möglich.

Schritt für Schritt zur Versicherung

Verbraucherschützer, wie die Verbraucherzentralen der Länder und der Bund der Versicherten, sowie seriöse Versicherungsmakler empfehlen daher, eine "anonyme Risiko-Voranfrage" zu stellen. Im Klartext bedeutet das:

  • Krankenkasse, behandelnde Ärzte und gegebenenfalls Therapeuten anschreiben und um Dokumente der letzten zehn Jahre bitten.
  • Mit dem Berater über Beruf, Hobbys und Krankengeschichte sprechen.
  • Mit dem Berater drei bis fünf Versicherungen aussuchen, deren Fragebogen möglichst "günstig" für die eigene Situation ist.
  • Die Fragebögen anonym ausfüllen, abschicken und auf Antworten warten.

Die meisten Menschen schrecken vor diesen Schritten erst einmal zurück. "Niemand will viel Aufwand betreiben, wenn er nicht weiß, ob es sich lohnt", fasst Kühl die Gedanken vieler seiner Kunden zusammen und rät dennoch zum Abschluss. "Berufsunfähig zu werden, ist schon schlimm genug. Wenn Sie sich dann noch finanziell Sorgen machen müssen, haben Sie ein echtes Problem."

Guter Rat ist (oft) nicht umsonst

Mit ein bisschen Glück ist die Dokumentation der eigenen Krankengeschichte in wenigen Minuten erledigt. Gesetzlich Versicherte können sich meist von ihrer Krankenkasse eine Übersicht der Arztbesuche und Diagnosen der vergangenen Jahre schicken lassen. Privat Versicherte und solche, die ihre Kasse in letzter Zeit gewechselt haben, müssen dagegen bei den Ärzten einzeln nachfragen.

Die nächsten Schritte sollten zusammen mit einem Spezialisten für BU-Versicherungen durchgeführt werden. Als sicherste Variante, dass tatsächlich das Wohl des Kunden im Zentrum steht, gelten Honorarberater. Diese erhalten ein Stundenhonorar und sind somit nicht - wie viele Vertreter oder Makler - auf die Provision bei Abschluss einer Versicherung angewiesen. Auch die Verbraucherzentralen beraten gegen ein Entgelt und können beim Ausfüllen der Fragebögen helfen. Weitere Informationen zu Honorarberatern gibt es beim Bundesverband der Versicherungsberater (hier).

Der "günstigste" Fragebogen

Da die Regelungen, was die Versicherer abfragen dürfen, relativ locker sind, hat jede Gesellschaft ihren eigenen Fragebogen. Das bedeutet zwar einen höheren Aufwand, kann aber auch Vorteile haben. "Sie müssen nämlich nur genau das angeben, was der Versicherer fragt", erklärt Berater Kühl. "Wenn Sie etwa einen leichten Wirbelsäulenschaden haben, der Ihnen aber keine Probleme bereitet und daher auch nicht behandelt wurde, können wir einen Fragebogen aussuchen, der nur nach behandelten Krankheiten fragt. Dann müssen Sie diese Diagnose nicht angeben."

Viele weitere Punkte sind ebenfalls von Bogen zu Bogen verschieden. So fragen kundenfreundlichere Anbieter nur nach den Erkrankungen der vergangenen fünf Jahre. Bei psychischen und stationären Behandlungen sowie Drogenentzug sind zehn Jahre rückblickend Standard. Auch nach erblich bedingten Krankheiten in der Familie dürfen die Versicherer fragen. Das tun aber nicht alle, so dass auch hier - je nach Situation - der Anbieter am besten sein kann, der diese Frage nicht stellt.

Nichts alleine ausprobieren

Ob und welche Feinheiten möglich sind, kann nur ein Experte einschätzen. Denn hier kommt es auf die genaue Formulierung an (auf welche Klauseln besonders zu achten ist, lesen Sie in diesem Ratgeber-Text). Falls Berufsunfähigkeit droht, prüft die Versicherung jede Antwort nach. Sollte sich herausstellen, dass eine Krankheit trotz Nachfrage nicht angegeben wurde, wird die Zahlung verweigert und dies mit einem "Verletzen der vorvertraglichen Anzeigepflicht" begründet.

Zu guter Letzt schicken die Versicherer eine Antwort an den Berater, ob und zu welchen Konditionen sie den Fragenden versichern würden (mehr zu den Kosten für eine BU-Versicherung in diesem Ratgeber-Text). Wenn die Anfrage nicht anonym war, wird der Name automatisch im Hinweis- und Informationssystem (HIS) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vermerkt. Jeder Anbieter kann das sehen und wird diese Person bei einer zweiten oder dritten Anfrage nur mit sehr hohem Risikozuschlag oder gar nicht versichern. Daher ist der beste Weg: Anonym anfragen, auf ein gutes Angebot warten und dieses nehmen.

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