Flüchtlinge in München:Plötzliche Aktivität bei der CSU

Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle beim Gespräch mit Flüchtlingen in der Bayernkaserne in München.

Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle beim Gespräch mit Flüchtlingen in der Bayernkaserne in München.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Woche vor einer geplanten Info-Veranstaltung der Stadt München lädt der örtliche CSU-Chef Spaenle die Anwohner der Bayernkaserne zum Gespräch ein. Die SPD reagiert empört. Will Spaenle von den Problemen der Staatsregierung in der Flüchtlingspolitik ablenken?

Von Andreas Glas und Bernd Kastner

Während sich die Lage in den Flüchtlingsunterkünften übers Wochenende deutlich entspannt hat, wird die politische Debatte zwischen SPD und CSU heftiger. Jüngster Streitpunkt ist ein Rundbrief von Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer und Kultusminister Ludwig Spaenle.

Die beiden CSU-Politiker laden darin die Anwohner der Bayernkaserne zu einem Gespräch ein. Die SPD-Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias kritisiert dies als Versuch, von der gescheiterten Flüchtlingspolitik der Staatsregierung abzulenken, und zweifelt an der guten Absicht des Anwohnergesprächs. Sie befürchtet, dass Singhammer und Spaenle, die "in der Flüchtlingspolitik nichts zerrissen" hätten, neue Ängste schüren statt für Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zu werben.

"Politischer Dilettantismus"

Die Kritik der SPD bezeichnete Kultusminister Spaenle im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung als "politischen Dilettantismus" und als Versuch, mit dem Thema Flüchtlingsunterbringung Parteipolitik zu machen. Als Mitglied im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann sei es seine Aufgabe, sich die Fragen und Sorgen der Bürger anzuhören.

Dass der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post das Anwohnergespräch für überflüssig hält, weil ja die SPD "schon lange mit den Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch" sei, konterte Spaenle mit der Aussage, er habe bisher weder Zacharias noch Post vor Ort gesehen. Er selbst, so Spaenle, sei "dauernd draußen" an der Bayernkaserne und erlebe, dass es immer noch Ängste bei den Bürgern gebe. Die SPD sagt dagegen, dass die Angst längst dem Mitgefühl gewichen sei.

Damit geht der Streit um die Hoheit in der Flüchtlingspolitik in die nächste Runde. In der vergangenen Woche hatte zunächst SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter einen Aufnahmestopp für die überfüllte Bayernkaserne verfügt - und damit das Thema Unterbringung, für die eigentlich der Freistaat zuständig ist, an sich gerissen.

Nun will die SPD offenbar verhindern, dass die CSU ihr das Thema wieder streitig macht. Entsprechend scharfzüngig sagte Florian Post über das geplante Anwohnergespräch: "Wenn die Herren Singhammer und Spaenle den Termin dazu nutzen, um das von der CSU-Staatsregierung angerichtete Chaos zu erklären und sich dafür zu entschuldigen, soll es mir Recht sein."

Infoveranstaltungen mit Politikern werden von Nachbarn seit langem gefordert. Die beiden CSUler kommen mit ihrem Gespräch der SPD-Stadtspitze, die am 27. Oktober zu einem Infoabend einlädt, genau eine Woche zuvor. OB Reiter wollte dies nicht kommentieren. Offenbar will er den parteipolitischen Streit nicht weiter befeuern.

200 neue Flüchtlinge am Wochenende

Übers Wochenende hat sich die Lage in den Unterkünften spürbar entspannt. Hilfsorganisationen unterstützen mittlerweile die Regierung von Oberbayern bei der Registrierung und Betreuung der neu Ankommenden. So waren etwa zahlreiche Ehrenamtliche des Technischen Hilfswerks und des Arbeiter-Samariter-Bundes in der neuen Erstregistrierungsstelle im Euro-Industriepark tätig.

Nach der Schnellregistrierung wurden die Flüchtlinge in andere Unterkünfte außerhalb Münchens gebracht. Vorbereitet hatte sich die Stadt für das Wochenende auf mindestens 600 neu Ankommende, bis Sonntagnachmittag waren es dann aber geschätzt 200. Dies könnte einen ganz banalen Grund haben: Wegen des Lokführerstreiks erreichten wesentlich weniger Asylsuchende die Stadt. Nahe des Sendlinger-Tor-Platzes schlugen unterdessen Flüchtlinge ein Protestzelt auf, um auf die Situation von Asylbewerber in München hinzuweisen. Die Aktion ist von den Behörden bis 1. November genehmigt. Um ein Lager wie 2013 auf dem Rindermarkt zu verhindern, dürfen diese aber nicht campieren. Die Polizei nahm den Protestierenden deshalb am Sonntagnachmittag Schlafsäcke und Isomatten ab. Zugleich hält die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung an. Jüngstes Beispiel sind die Mitarbeiter der Stadtwerke (SWM) und ihrer Tochter M-Net. Nachdem am Freitag der VIP-Bereich des Olympiastadions als Notunterkunft belegt worden war, baten die Firmen spontan ihre Mitarbeiter in der Zentrale um Spenden. Laut Sprecherin Bettina Hess kamen etwa 300 große Kisten zusammen, darunter viele Kindersachen.

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