Neuer Chef bei Karstadt:Undankbare Mission

Karstadt

Eine Frau geht in Düsseldorf an einer Karstadt-Filiale vorbei.

(Foto: dpa)

Karstadt braucht einen neuen Chef. Weil sich kein externer Kandidat für die undankbare Aufgabe gefunden hat, soll jetzt Aufsichtsratschef Stephan Fanderl einspringen. Wenn das Warenhaus überleben soll, muss er unpopuläre Entscheidungen fällen.

Ein Kommentar von Kirsten Bialdiga

Es ist noch gar nicht lange her, da war Karstadt bei Warenhäusern die Nummer eins in Deutschland. Mitte der Neunzigerjahre war das, als Kaufhaus-Chefs sich noch im Nadelstreifenanzug und mit Zigarre ablichten ließen. Karstadt verfügte über enorme Substanz und Kapitalkraft, eine solide Finanzstruktur und hohe stille Reserven. Das mittlere Management galt als exzellent, die Warenwirtschaftssysteme als effizient. An 80 Prozent der Standorte kauften die Kunden überwiegend bei Karstadt ein - und nicht beim Konkurrenten Kaufhof.

An der Spitze stand Walter Deuss, ein Urgestein der Branche. Der traf allerdings kurz vor seinem Ruhestand eine verhängnisvolle Entscheidung - die Übernahme des kriselnden Konkurrenten Hertie. Das Unternehmen galt als schlecht geführt, hatte zu wenige attraktive Standorte. Gleichzeitig aber war der Kaufpreis für Hertie so hoch, dass die Zinsen Karstadt über Jahre hinaus belasteten. Ein paar Jahre später folgte die Fusion mit dem Versandhändler Quelle. Der Niedergang war damit eingeläutet - keinem der folgenden, glücklos agierenden Manager gelang es, an den Erfolg früherer Jahre wieder anzuknüpfen.

Karstadt ist ein Lehrstück darüber, wie falsche Management-Entscheidungen ein florierendes Unternehmen zugrunde richten können. Wie sie jährliche dreistellige Millionengewinne in Verluste ähnlicher Größenordnung verwandeln. Wie sie aus einem Konzern mit 75 000 Beschäftigten in sicheren Positionen binnen zwei Jahrzehnten ein marodes Unternehmen mit 17 000 Arbeitnehmern machen, die allesamt um ihre Jobs bangen müssen. Natürlich trugen auch die zunehmende Online-Konkurrenz und veränderte Kaufgewohnheiten zu der Entwicklung bei. Davon jedoch war der Konkurrent Kaufhof ebenso betroffen - und der schreibt bis heute Gewinne.

Der Aufsichtsratschef soll einspringen

Bei Karstadt hingegen ist die Lage aktuell so schwierig, dass sich nicht einmal für den Chefposten ein externer Kandidat fand. Nun soll der Aufsichtsratschef einspringen. Wenn alles läuft wie geplant, werden die Kontrolleure auf ihrer Sitzung an diesem Donnerstag Stephan Fanderl zum neuen Karstadt-Chef ernennen.

Eine undankbarere Aufgabe gibt es in der deutschen Wirtschaft zurzeit wohl kaum. Wenn Karstadt eine Überlebenschance haben soll, wird Fanderl angesichts des Investitionsstaus der vergangenen Jahre nicht viel anderes übrig bleiben, als harte und unpopuläre Schnitte zu setzen: Zum Beispiel Filialen zu schließen, die chronisch defizitär sind - das allein könnte mehr als 2000 Arbeitsplätze kosten. Mindestens 23 der 83 Warenhäuser gelten als Problemfälle. Sie alle zu schließen, wäre allerdings wohl zu teuer. Auch an Kürzungen in der Essener Zentrale kommt Fanderl kaum vorbei: 400 der 1500 Stellen könnten bald wegfallen.

Karstadt - Stephan Fanderl

Stephan Fanderl ist Aufsichtsratvorsitzender bei Karstadt - und soll nun den Chefposten bei dem maroden Warenhaus übernehmen.

(Foto: dpa)

Die verbleibenden Beschäftigten sollen zu weiteren Lohnzugeständnissen gezwungen werden, auch hier steht dem früheren Metro- und Rewe-Manager mit den Gewerkschaften noch ein harter Kampf bevor. Einen Streik muss Fanderl aber unter allen Umständen vermeiden, zu schwerwiegend wären die Auswirkungen auf das Tagesgeschäft.

Dabei läuft die Zeit gegen ihn, denn die fehlende Investitionsbereitschaft des bisherigen Eigentümers Nicolas Berggruen und ein falsches Markenkonzept des Vorvorgängers haben Karstadt wertvolle Monate gekostet.

Zudem hat Fanderl in René Benko einen neuen Karstadt-Eigentümer, der nicht an das klassische Warenhaus glaubt. Der Österreicher ist Immobilieninvestor. Ihm gehören mehr als 15 Karstadt-Filialen, an regelmäßigen Zahlungen seines Mieters Karstadt in diesen Häusern muss er großes Interesse haben. Welche Motive Benko darüber hinaus verfolgt, ist noch immer unklar. Ein Umbau der Standorte in Einkaufszentren oder Marken-Shops jedenfalls dürfte ihn nach Einschätzung von Handelsexperten rund eine Milliarde Euro kosten.

Bisher ist nicht bekannt, wie viel Benko bei Karstadt tatsächlich investieren will. Klar auf dem Tisch liegt hingegen schon, was er von den Beschäftigten an zusätzlichen Opfern fordert: den Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, auf Tariferhöhungen, dafür längere Arbeitszeiten. Immerhin: An einer Planinsolvenz dürfte Benko vorläufig kein Interesse haben. Dann würden ihm in seinen Filialen hohe Mieteinnahmen entgehen.

Noch einmal lohnt an dieser Stelle der Blick in die Vergangenheit. Mitte der Neunzigerjahre gehörten 90 Prozent der Warenhäuser Karstadt selbst. Doch auch dieses Tafelsilber steht Fanderl nicht mehr zur Verfügung - die Karstadt-Immobilien sind längst verkauft.

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