Dachau:KZ-Gedenkstätte geschändet - Polizei sucht Diebe

Dachau: Gestohlen: Das Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Gestohlen: Das Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

(Foto: Toni Heigl)
  • Im ehemaligen Konzentrationslager in Dachau ist ein Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" gestohlen word.
  • Die zynische Parole gilt als Symbol für das Leid von Millionen Häftlingen.
  • Gabriele Hammermann, Leiterin der Gedenkstätte, und der KZ-Überlebende Max Mannheimer reagierten entsetzt auf die Tat.

Was in Dachau geschehen ist

Unbekannte haben in der KZ-Gedenkstätte Dachau eine historische Tür mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" gestohlen. Sicherheitspersonal stellte den Diebstahl am Sonntagmorgen fest, wie die Polizei mitteilte. Kurz vor Mitternacht war die Tür noch da.

Die schwarze schmiedeeiserne Tür mit der zynischen Parole der Nazis misst knapp einen mal zwei Meter und ist Bestandteil eines größeren Tores in der Nähe des Haupteingangs. Der oder die Täter mussten ein Flügeltor übersteigen, um auf das Gelände zu gelangen. Möglicherweise sei das Tor mit einem Fahrzeug abtransportiert worden. Eine Suche in der näheren Umgebung der Gedenkstätte war bisher nicht erfolgreich. Ob Neonazis oder ein "irrer Sammler" hinter dem Diebstahl stecken, konnte ein Polizeisprecher zunächst nicht sagen. Das Kommissariat Staatsschutz der Fürstenfeldbrucker Kripo bittet nun unter der Rufnummer 08141 / 612 0 um Hinweise.

Wie Menschen auf den Diebstahl reagieren

"Das ist eine neue Qualität der Schändungsenergie", sagte die Leiterin der Gedenkstätte, Gabriele Hammermann über den Diebstahl. Sie und Max Mannheimer, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Dachau und Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, zeigten sich entsetzt über diesen Akt der Zerstörung.

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller sprach von einer "schändlichen Tat". Dem CSU-Politiker zufolge gibt es in der Gedenkstätte zwar keine Videoüberwachung, das Gelände werde aber 24 Stunden am Tag von Sicherheitskräften überwacht. Es sei allerdings ein großes Areal. Die Täter hätten die Zeit zwischen den Kontrollgängen des Sicherheitspersonals ausgenutzt. Das Innenministerium sei sofort über den Diebstahl informiert worden.

Bisher war die Dachauer Gedenkstätte von derart schweren Übergriffen verschont geblieben. Man könne die Gedenkstätte schon aus Gründen der Pietät nicht zu einem Hochsicherheitstrakt ausbauen, sagte Hammermann. Die ohnehin installierten Kameras schreckten die Täter offensichtlich nicht ab. Der 94-jährige Auschwitz-Überlebende Mannheimer, Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees, kritisierte die Behörden: Bei jeder Demonstration würden Hunderte von Polizisten eingesetzt. Er verlangt, dass die der Gedenkstätte benachbarte Bereitschaftspolizei - sie residiert im ehemaligen SS-Lager - künftig sechs Beamte zum Schutz abstellt.

KZ-Tür mit Aufschrift ´Arbeit macht frei" gestohlen

Vor und nach dem Diebstahl: Die Türe war Teil eines größeren Tors und wurde in der Nacht gestohlen.

(Foto: dpa)

Wofür die zynische Parole steht

Die Nazis eröffneten das Konzentrationslager in Dachau im März 1933. Bis zu seiner Schließung, zwölf Jahre später, starben 41 500 Menschen an diesem Ort. Durch das 1936 errichtete Tor seien während des Nationalsozialismus jeden Tag die Insassen ins KZ und hinaus gegangen. "Damit ist es das zentrale Symbol für den Leidensweg der Häftlinge", sagte Hammermann. Das nun gestohlene Tor mussten damals die Häftlinge selbst anfertigen, der Schriftzug allerdings wurde im Jahr 1965 erneuert.

Die Parole "Arbeit macht frei" gilt als Symbol für das Schicksal von Millionen Häftlingen. Sie verdeutliche die verharmlosende NS-Propaganda, welche die Konzentrationslager als bloße Arbeitslager darstellen wollte, sowie den Zynismus der Nazis, für die Zwangsarbeit das zentrale Instrument zur Peinigung ihrer Gegner war, sagte Hammermann am Sonntag.

Der Schriftzug geht auf den zynisch missbrauchten Titel eines 1873 veröffentlichten Romans des Schriftstellers und Sprachwissenschaftlers Lorenz Diefenbach zurück. Darin gelangt ein Spieler und Betrüger durch geregelte Arbeit auf den Pfad der Tugend zurück.

Parallelen zum Diebstahl in Auschwitz

Vor etwa fünf Jahren war der berüchtigte Schriftzug über dem Eingangstor des ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz in Polen gestohlen worden. Bereits drei Tage später wurden mehrere Tatverdächtige gefasst, der Schriftzug war in drei Teile zerschnitten und im Wald vergraben worden. Die Tat hatte weltweit für Empörung gesorgt.

Im Dezember 2010 wurden ein Mann aus Schweden - er galt als Drahtzieher - und zwei polnische Komplizen zu Haftstrafen verurteilt. Eigenen Angaben zufolge wollte der Schwede den Schriftzug in seiner Heimat weiterverkaufen. Der Staatsanwaltschaft gelang es damals nicht, Beweise für die Existenz von Hintermännern zu finden. Es hieß damals, der Schwede habe in der Vergangenheit Kontakte zur Neonazi-Szene unterhalten.

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