Debatte um Schultoiletten:Auf dem stinkigen Örtchen

Debatte um Schultoiletten: Viele Schultoiletten müssten dringend saniert werden, was sich bereits an den alten Schildern zeigt.

Viele Schultoiletten müssten dringend saniert werden, was sich bereits an den alten Schildern zeigt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

So "greislig", dass Grundschüler nicht mehr aufs Klo gehen möchten: Marode Toiletten in Münchner Schulen sind zum Politikum geworden - mit dem CSU-Mann Schmid demonstrieren konnte, wie ernst er die Bürger nimmt. Nun stehen die Schulklos sogar im schwarz-roten Kooperationspapier.

Von Dominik Hutter

Als der kleine Leonhard in der Schule plötzlich nichts mehr trinken wollte, ahnte er wohl nicht, dass sein sehr privater Streik bald das Rathaus beschäftigen und im Frühjahr sogar zum Dauerthema im Münchner Kommunalwahlkampf avancieren würde. Die Toiletten seien schuld, berichtete der Siebenjährige seiner besorgten Mama. "Greislig" seien die und "stinken so", da wolle man lieber gar nicht mehr hinmüssen.

Ein politisches Thema war geboren - eines, das so provinziell-alltäglich und anrüchig daherkam, dass sich anfangs nur ein einziger Politiker damit auf die große Bühne traute: Leonhards Vater, der CSU-Mann Josef Schmid. Man wolle nicht in, sondern aus maroden Schulen lernen, stand bald auf den Plakaten der CSU. Schmid berichtete immer wieder vom olfaktorischen Verdruss seines Sprösslings. So oft, dass sich viele Beobachter fragten, ob diese von Wohnungsmangel und hohen Mieten geplagte Stadt denn keine anderen Sorgen mehr habe. Irgendwann erbarmte sich auch die SPD, nach der Wahl wurde eine Schultoiletten-Offensive beschlossen. Der kleine Leonhard kann sich als großer Sieger fühlen. Mehr kann ein Grundschüler in der Politik wohl nicht erreichen.

Debatte um Schultoiletten: Das Erasmus-Grasser-Gymnasium wartet noch darauf, dass die Schulklos saniert werden.

Das Erasmus-Grasser-Gymnasium wartet noch darauf, dass die Schulklos saniert werden.

(Foto: privat)

Es geht nicht mehr nur um Schulklos

Für Schmid und seine Strategen waren die Nöte des Siebenjährigen ein Geschenk. Der CSU-Politiker konnte fortan demonstrieren, wie nah er sein Ohr an den Alltagssorgen der Münchner habe, wie wenig abgehoben er doch sei. Im Gegensatz zur SPD-Konkurrenz natürlich, die einen solchen Missstand offenbar billigend in Kauf nehme. Wann hat man den Schöngeist Christian Ude je über Schultoiletten dozieren hören? Dessen Wunschnachfolger Dieter Reiter hielt das Thema denn auch zunächst klein, betonte lediglich, keine Einwände gegen saubere Toiletten zu haben. Viel mehr war aus SPD-Sicht nicht drin - sonst hätte man schließlich jahrelange Versäumnisse aus der Ude-Ära eingestehen müssen.

Schmid dagegen focht es nicht an, dass seine ständigen Klo-Geschichten als Kleinkram belächelt wurden, als Vorgartenlabyrinth, in dem sich ein kommunaler Spitzenpolitiker besser nicht verirrt. Schließlich taugte das Thema gleichzeitig dazu, Schmid als Familienmenschen zu präsentieren. Als einen, der mitten im Leben steht und als fürsorglicher Vater die Nöte von Kindern wahr- und ernst nimmt. Erleichternd kam hinzu, dass es sich wunderbar über Toiletten diskutieren lässt: Jeder kann mitreden, jeder kennt irgendeine private Horror-Story, aber niemand muss nachweisen, dass die Gesamtlage wirklich so katastrophal ist, wie es der Einzelfall nahelegt. Ohnehin ändert sich der Zustand der Schultoiletten von Tag zu Tag, er hängt schließlich auch von deren Nutzern ab.

Die politische Örtchen-Debatte hatte aber auch einen Pars-pro-toto-Charakter. Wer keine Lust mehr auf Krimis aus der Porzellanabteilung hat, beklagt einfach den baulichen Zustand der Schulen ganz allgemein - auch dies ein Vorwurf, der zuvor jahrelang den Zirkel der Elternbeiräte nicht mehr verlassen hatte. "Schulsanierung hat höchste Priorität", steht nun im schwarz-roten Kooperationspapier. Das Thema des kleinen Leonhard ist erwachsen geworden.

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