Jahrestag des Mauerfalls:Gorbatschow klagt an

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Michail Gorbatschow, im Hintergrund das Brandenburger Tor. Wie sich die deutsch-russischen Beziehungen entwickelt haben, betrübt ihn. (Foto: dpa)
  • Klartext von Michael Gorbatschow: Der ehemalige sowjetische Staatschef kritisiert anlässlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die USA und die EU wegen ihrer Ukraine-Politik.
  • Gorbatschow sieht die Welt an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg.

"Zusammenbruch des Vertrauens" durch Ukraine-Politik

Bei den Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin hat der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow schwere Vorwürfe gegen den Westen erhoben, vor allem im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt. "Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg. Manche sagen, er hat schon begonnen." In den vergangenen Monaten habe sich ein "Zusammenbruch des Vertrauens" vollzogen. Die Ereignisse seien die Konsequenzen aus einer kurzsichtigen Politik. Es sei der Versuch, vollendete Tatsachen zu schaffen und die Interessen des Partners zu ignorieren.

Der 83-Jährige, der früher eher als Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin bekannt war, warb direkt am Brandenburger Tor um Verständnis für die aktuelle Moskauer Politik. Jüngste Äußerungen Putins ließen das Bestreben erkennen, Spannungen im Ukraine-Konflikt abzubauen und die Partnerschaft neu zu beleben.

Gorbatschow, der am Montag mit Kanzlerin Angela Merkel zusammentrifft, forderte ungeachtet der schweren Vertrauenskrise eine Stabilisierung der deutsch-russischen Beziehungen. "Lasst uns daran erinnern, dass es ohne deutsch-russische Partnerschaft keine Sicherheit in Europa geben kann." Außerdem müssten die von der EU und den USA verhängten Strafmaßnahmen schrittweise aufgehoben werden.

Kritik an Entwicklungen seit dem Mauerfall

Der Friedensnobelpreisträger, der als einer der Väter der deutschen Einheit gilt, warf dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben. Stattdessen habe man sich zum Sieger im Kalten Krieg erklärt und Vorteile aus Russlands Schwäche gezogen. "Hier in Berlin, zum Jahrestag des Mauerfalls, muss ich feststellen, dass all dies auch negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland hat", sagte Gorbatschow.

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:Hat der Westen nach dem Mauerfall die Interessen Russlands zu wenig berücksichtigt?

Michail Gorbatschow klagt in seiner Rede zum Jahrestag des Mauerfalls das Vorgehen der USA und der EU nach dem Mauerfall an. Anstatt einen Dialog mit Russland zu suchen hat aus Gorbatschows Sicht vor allem Washington immer wieder ohne Rücksicht auf Russlands Bedürfnisse gehandelt und so auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland belastet. Wie schätzen Sie Gorbatschows Thesen ein?

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Bereits in den neunziger Jahren habe der Westen begonnen, im Verhältnis zu Russland das Vertrauen zu untergraben, das die friedliche Revolution in Deutschland und in Osteuropa möglich gemacht habe. Gorbatschow nennt Beispiele, an denen sich die Geringschätzung Russlands durch den Westen ablesen lasse: Die Jugoslawienkriege und der Weg zur Nato-Erweiterung, außerdem Irak, Libyen, Syrien. "Und wer leidet am meisten unter der Entwicklung? Es ist Europa, unser gemeinsames Haus."

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