G-7-Gipfel in Elmau:Polizei fürchtet "absolute Grenze der Belastbarkeit"

G-7-Gipfel in Elmau: In Schloss Elmau, Tagungsstätte für den G-7-Gipfel, wird es an Polizisten nicht mangeln. Doch was ist mit dem Rest des Flächenlands Bayern?

In Schloss Elmau, Tagungsstätte für den G-7-Gipfel, wird es an Polizisten nicht mangeln. Doch was ist mit dem Rest des Flächenlands Bayern?

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Polizei-Gewerkschaften schlagen Alarm: Weil der G-7-Gipfel im kommenden Frühjahr für die Beamten mehr als arbeitsintensiv wird, fürchten sie um die innere Sicherheit im Freistaat. Ganz heikel wird es, sollte der FC Bayern die Champions League gewinnen.

Von Heiner Effern

Im Freistaat Bayern drohen im kommenden Sommer wegen des G-7-Gipfels offenbar erhebliche Lücken in der Polizeipräsenz. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolg) fordert Innenminister Joachim Herrmann (CSU) deshalb auf, die reguläre Arbeit im Vorfeld des Treffens sechs Wochen lang auf die "absoluten Kernbereiche einzufrieren". Auch sei eine Verlegung des Champions-League-Finales in Berlin zu erwägen. Das soll am Samstag vor dem Gipfel der sieben Staats- und Regierungschefs (7. und 8. Juni) in Elmau stattfinden. DPolg-Landeschef Hermann Benker fürchtet zwar "keinen polizeilichen Notstand", aber eine Veranstaltung, die Bayerns Polizisten "an die absolute Grenze der Belastbarkeit" bringen wird.

Die Polizei müsse vom 1. Mai bis 10. Juni einen "Freeze-Zeitraum" einlegen, fordert die Gewerkschaft. Leistungen wie der Transport und die Bewachung von Angeklagten vor Gericht, die Begleitung von Schwertransporten oder Gefangenentransporte müssten in diesem Zeitraum komplett ausgesetzt werden, sagt der DPolG-Landesvorsitzende Benker. Das bayerische Innenministerium will nicht so weit gehen, kann sich aber Zugeständnisse vorstellen. "Bei planbaren und verschiebbaren Aufgaben können wir abhängig von der Kräftelage Schwerpunkte setzen, etwa bei Schwertransportbegleitungen oder Vorführungen", erklärte ein Sprecher von Minister Joachim Herrmann. Doch Abstriche bei der Sicherheit vor und nach dem Gipfel werde es in Bayern nicht geben.

Das aber werde nicht leicht zu schaffen sein, sagt auch die zweite große Gewerkschaft der Polizei in Bayern (GdP). "Der letzte Mann wird zusammengekratzt und in die Lücken geschmissen", erklärt deren Vize-Landesvorsitzender Peter Schall. Die Kollegen, die den Gipfel vorbereiten und dann auch sichern, seien höchst motiviert und würden ihre Aufgaben bestens erfüllen, ist sich Schall sicher. "Das große Problem ist, dass die Alltagsarbeit auf den Revieren vergessen wird."

Beamte aus Österreich ausleihen

Mindestens 10 000 Polizisten würden für den Gipfel benötigt, heißt es bisher aus dem Innenministerium. Die GdP rechnet intern mit bis zu 17 000 Polizisten, die beim Gipfel und den Demonstrationen dagegen im Einsatz wären. Gegner haben bereits zwei Großkundgebungen, einen Sternmarsch und Protest-Camps angekündigt. "Bund und Länder bekommen maximal 8000 bis 9000 zusammen, der Rest muss aus Bayern kommen", sagt Vize-Landeschef Schall. Möglicherweise könnte sich der Freistaat auch Beamte aus Österreich ausleihen, schließlich hätten deutsche Polizisten auch die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich gesichert.

Um das Kontingent für Elmau zusammenzubekommen, sollten Großveranstaltungen direkt vor und während des Gipfels verschoben werden, sagt Schall. Das Gautrachtenfest im Werdenfelser Land musste schon weichen, über das Champions-League-Finale müsse nachgedacht werden. Sollte der FC Bayern München dort spielen und gewinnen, würde in München in einer solchen Nacht vermutlich eine Riesenparty auf der Leopoldstraße steigen. Beim letzten Triumph 2013 feierten dort 150 000 Fans. "Wenn dazu irgendwo in Deutschland noch etwas Unvorhergesehenes wie eine Hooligan-Demo kommt, dann bricht die Polizei zusammen", sagt Schall.

Verwunderung über die Gelder

Derzeit wird laut Gewerkschaften geprüft, wie der Schichtbetrieb der Polizei im Flächenland Bayern vor und während des Gipfels zu bewältigen ist. Bekommt man genug Kräfte von außen, könne man mit einer Reduzierung von vier auf drei Schichten auskommen, heißt es. Im schlimmsten Fall müsste auf zwei Besetzungen pro Tag reduziert werden. "Im örtlichen Bereich kann es schon brennen. Ein Einbrecher, der mitdenkt, könnte die Gelegenheit günstig finden, weil die Polizei gerade anderweitig beschäftigt ist", sagt GdP-Vize Schall. Drogen-Schmuggler und Schleuser dagegen hätten wohl keine Vorteile durch das Politiker-Treffen. "An der Grenze werden wir gut aufgestellt sein. Wegen der Terrorgefahr und den Demonstrationen wird sehr genau geschaut werden, wer reinkommt."

Mit Staunen nehmen die Gewerkschafter zur Kenntnis, wie viel Geld plötzlich für die Sicherheit zur Verfügung steht. Nach Erkenntnissen der GdP kostet alleine die Verlegung des Treffens um drei Tage etwa 20 Millionen Euro. Bisher sind im bayerischen Haushalt in den Jahren 2014 und 2015insgesamt etwa 130 Millionen Euro für den Gipfel eingeplant. Der Bund ist seinerseits zusätzlich für die Sicherheit im engsten Bereich um das Hotel Schloss Elmau und die Betreuung der erwarteten 5000 Journalisten zuständig. "Die Kosten und der Nutzen stehen in keinem Verhältnis zueinander", sagt GdP-Vizechef Schall. Eine seriöse Kostenschätzung sei derzeit noch nicht möglich, kontert das Innenministerium. Die Umplanungen bei der Unterbringung der Kräfte seien zum Beispiel noch nicht abgeschlossen.

Doch nicht nur während des Gipfels fürchtet Gewerkschafter Schall Einschränkungen, sondern auch für die Zeit danach. Denn viele Beamte in Bayern werden einen Berg von Überstunden ansammeln, sagt Schall. "An den Nachwehen werden wir noch lange knabbern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: