EuGH-Urteil:Deutschland darf EU-Bürgern Hartz IV verweigern

Arbeitsmarkt

Laut dem EuGH kann der Staat Missbrauch und "eine gewisse Form von Sozialtourismus" verhindern und die Systeme vor Überlastung schützen

(Foto: dpa)
  • Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Bundesrepublik Bürgern aus anderen EU-Staaten Hartz IV verweigern darf, wenn diese nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland gekommen sind.
  • Im konkreten Fall hatte eine Rumänin geklagt, die 2010 zu ihrer Schwester in Leipzig gezogen war. Weil sie keine Arbeit aufnahm, verweigerte das Jobcenter ihr die Sozialleistungen.
  • Die Debatte um den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer aus der EU schwelt schon länger. Dabei geht es vor allem um Migranten aus Bulgarien und Rumänien.

EuGH bestätigt deutsche Strategie

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Deutschland Zuwanderern aus der EU Hartz-IV-Leistungen verweigern darf, wenn diese ausschließlich nach Deutschland kommen, um Sozialhilfe zu beziehen und noch nie hierzulande gearbeitet haben. Bereits im Mai hatte ein Gutachter die deutsche Praxis bejaht (Az: C-333/13): Der Staat könne auf diese Weise Missbrauch und "eine gewisse Form von 'Sozialtourismus'" verhindern und die Systeme vor Überlastung schützen. Der Gutachter bestätigte damit eine zentrale Regel im deutschen Sozialgesetzbuch über den Ausschluss von EU-Zuwanderern von Hartz-IV-Leistungen. Der Ausschluss sei möglich, falls Zuwanderer nur das Ziel hätten, "in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaates zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel (...) verfügen", urteilten die Richter nun.

Die EU-Kommission begrüßte das Urteil: Der Grundsatz der Freizügigkeit für EU-Bürger bedeute "nicht das Recht auf freien Zugang zu Sozialsystemen der Mitgliedstaaten", sagte eine Sprecherin. Das Urteil bringe mehr Klarheit für EU-Bürger, die in anderen Mitgliedsländern leben.

Der Fall: Eine Rumänin aus Leipzig hatte auf Hartz IV geklagt

Das Gericht wies darauf hin, dass jeder Einzelfall zu prüfen ist. Im konkreten Fall ging es um eine Rumänin aus Leipzig, die auf Hartz IV geklagt hatte. Das Jobcenter Leipzig hatte der Frau diese Leistung verweigert, weil sie keine Arbeit aufnahm. Sie hat weder einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung und lebt seit 2010 mit ihrem Sohn in Deutschland. Nach Angaben der Behörden bemühte sie sich nicht darum, eine Beschäftigung zu finden. Das Sozialgericht Leipzig bat den EU-Gerichtshof um Hilfe.

Das Urteil hat grundlegende Bedeutung, weil die Debatte um den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer aus der EU schon länger schwelt. Dabei geht es vor allem um Migranten aus Bulgarien und Rumänien. Seit Januar gilt für Bürger dieser Länder die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. In Deutschland klagen einige Kommunen über eine wachsende Zahl von Ankömmlingen aus diesen beiden ehemaligen Ostblockstaaten.

Weniger Arbeitslose, mehr Hartz-IV-Bezieher

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Seit Anfang des Jahres sind abzüglich der Auswanderer etwa 100 000 Bulgaren und Rumänen nach Deutschland gekommen. Innerhalb dieser Gruppe geht die Schere immer weiter auseinander, wie Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen. Zwar finden mehr Zuwanderer aus den beiden Ländern einen Job, die Arbeitslosenquote sank von 11,4 auf 9,2 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl der Hartz-IV-Bezieher von 38 000 im Juli vergangenen Jahres auf 66 500 im Juli 2014. Viele der Zuwanderer hätten bislang nicht von ihrem Recht auf Sozialleistungen gewusst, führen die Forscher als eine mögliche Begründung für den Anstieg an.

Die bisherige Hartz-IV-Regelungen

Im Oktober 2014 bekamen in Deutschland 4,3 Millionen erwerbsfähige Menschen Hartz IV. Dazu zählen neben Arbeitslosen auch berufstätige Aufstocker und Menschen, die Kinder bis zum dritten Lebensjahr versorgen oder Angehörige pflegen.

Grundsätzlich gilt in Deutschland: Wer bedürftig ist, bekommt Hartz IV. Etwas komplizierter ist die Sachlage allerdings für EU-Ausländer. Die ersten drei Monate nach der Einreise erhalten sie kein Geld, danach wird geprüft, ob sie zum Zweck der Arbeitssuche ins Land gekommen sind.

Wer keine Arbeit hat, hat keinen Anspruch. Das gilt laut Sozialgesetzbuch grundsätzlich auch für Personen, die Arbeit suchen. Über dieses Regelung hat der EuGH nicht enschieden, weil es im konkreten Fall um eine Frau ging, die keine Arbeit gesucht hat.

Gesichert ist der Hartz-IV-Anspruch für Zuwanderer, die gearbeitet haben, sogenannte Aufstocker sind, oder schon längere Zeit in Deutschland leben, in der Regel sind das fünf Jahre.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde gesagt, der EuGH habe auch über Zuwanderer aus der EU entschieden, die hier auf Jobsuche sind. Das Gericht hat allerdings nur über den oben beschriebenen konkreten Fall entschieden, eine Entscheidung über einen konkreten Fall eines Einwanderers, der auf Jobsuche ist, steht aus.

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