Pfusch in Orthopädie-Praxis:Violinistin bekommt 170 000 Euro

Musikprojekt "Ikarus" in München, 2013

Die Hände sind für Profimusiker besonders wichtig (Symbolbild einer Frau beim Geigespielen).

(Foto: Catherina Hess)

Der Chirurg habe praktisch blind agiert, so die Gutachter: Nach einer schiefgegangenen Operation kann die Violinistin Cordula Kempe-Oettinger nicht mehr auftreten und klagt gegen eine Münchner Orthopädie-Praxis. Nun zahlen die Ärzte - beinahe freiwillig.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Ein zu kleiner Schnitt mit schlimmen Folgen kostet eine Münchner Orthopädie-Praxis über 200 000 Euro. 170 000 Euro davon bekommt die Witwe des Stardirigenten Rudolf Kempe. Ihr Vorwurf an die Ärzte: Bei einer Operation sollen sie eine Hand der hochkarätigen Geigerin so verpfuscht haben, dass die 71-Jährige nun nicht mehr auftreten kann. Schon am ersten Verhandlungstag hatten die Richter angedeutet, dass Cordula Kempe-Oettinger gute Prozessaussichten habe. Deshalb sind die Orthopäden nun doch auf einen Vergleichsvorschlag des Gerichts eingegangen.

Rudolf Kempe war Anfang der Fünfzigerjahre Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München, später Generalmusikdirektor der Philharmoniker. So lernte er seine spätere Frau Cordula kennen, eine Einserschülerin der Münchner Musikhochschule, die als eine der ersten Frauen Mitglied der Münchner Philharmoniker wurde. Der weltweit gefeierte Dirigent starb überraschend im Mai 1976. Seine Frau war danach bis 2007 Dozentin am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium. Seither lebt sie in England, wo sie als freie Musikerin für eine Reihe angesehener Kammer- und Symphonieorchester spielen sollte, etwa für das Royal Philharmonic Orchestra und die Royal Shakespeare Company.

Der Chirurg beschädigte den Nerv massiv

Zuvor wollte sie 2007 in der Münchner Praxis ein schmerzhaftes Karpaltunnel-Syndrom operieren lassen. Mit fatalem Ausgang: Sie wird nie mehr den Level erreichen können, auf dem sie vor dem Eingriff gespielt hat. Wie andere Sachverständige zuvor hatte auch der vom Landgericht München I bestellte Gutachter festgestellt, dass der Chirurg einen zu kleinen Schnitt angesetzt und praktisch blind agiert hatte. Als es dann zu Blutungen gekommen war, habe er falsch reagiert - so sei ihm entgangen, dass er den Nerv seiner Patientin massiv beschädigt habe.

"Nicht zuletzt das persönliche Engagement der Richter hat nun zu dem interessensgerechten Ausgleich geführt", sagte am Dienstag Medizin-Fachanwalt Thorsten Leitner. Zumal seine Mandantin nicht rechtsschutzversichert sei und die Ärzte zusätzlich zu den 170 000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld auch noch die rund 33 000 Euro Verfahrenskosten tragen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: