Kunstkrimi um Gurlitt-Erbe:Bedingungslose Rückgabe

Im Fall, dass sie doch noch erbt, wird die Familie Gurlitt alle NS-Raubkunst aus der Sammlung an die Nachfahren der Opfer zurückgeben. Mit der Ankündigung wollen die Verwandten des Kunstsammlers offenbar zeigen, wie sehr sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

Von Catrin Lorch und Jörg Häntzschel

Für den Fall, dass das Kunstmuseum Bern sich Ende November dagegen entscheidet, das Erbe des Sammlers Cornelius Gurlitt anzunehmen, verspricht die Familie die "sofortige und bedingungslose Rückgabe von Raubkunst aus der Sammlung Cornelius Gurlitts im Einklang mit der Washingtoner Erklärung".

In einer als "Aktennotiz" betitelten Erklärung kündigte sie gestern außerdem an, die Provenienzrecherche durch die Taskforce Schwabinger Kunstfund fortzusetzen - unter Einbeziehung der in Salzburg gefundenen Bilder. Zudem erklärte sie ihre Bereitschaft, die 460 in der Sammlung enthaltenen Werke der "Entarteten Kunst" geschlossen und dauerhaft in einem deutschen Museum auszustellen.

Diese Lösung ähnelt stark der, die offenbar zwischen dem Museum und Berlin ausgehandelt wurde.

Bislang standen die Verwandten Gurlitts - es handelt sich um Cornelius Gurlitts 86-jährige Cousine Uta Werner und den neun Jahre älteren Dietrich Gurlitt - nicht im Fokus der Öffentlichkeit.

Den Verwandten könnte eine größere Rolle zukommen

Der am 6. Mai gestorbene Cornelius Gurlitt hatte in seinem Testament das Kunstmuseum Bern als Alleinerben bestimmt. Damals nannte Kulturstaatsministerin Monika Grütters seine Entscheidung "fast einen Glücksfall". Solche Formulierungen müssen die im Testament Übergangenen jedoch empfindlich getroffen haben. Sie sind es offensichtlich leid, in der Öffentlichkeit unter den Verdacht gestellt zu werden, der historischen Dimension ihres Erbes und der daraus erwachsenden Verantwortung nicht gerecht zu werden.

Deswegen haben sie sich jetzt, einige Wochen vor dem Ende der sechsmonatigen Bedenkfrist Anfang Dezember, die dem Schweizer Museum zusteht, zu Wort gemeldet. Ihnen könnte auch dann noch eine größere Rolle zukommen, wenn das Testament noch einmal auf seine Gültigkeit überprüft wird, wofür es deutliche Anzeichen gibt.

Als Juden selbst verfolgt

Die Nachfahren des Musikhistorikers Willibald Gurlitt, dem Bruder des Nazi-Kunsthändlers, fühlen sich wohl auch deshalb verletzt, weil sie selbst unter den Verfolgungen der Nationalsozialisten zu leiden hatten. "Mutter und Großmutter der handelnden Personen, die Ehefrau von Willibald Gurlitt, war nach den NS-Rassegesetzen Volljüdin", heißt es in dem Schreiben von Cousin und Cousine Gurlitts und deren insgesamt sechs Kindern.

Wie es heißt, haben sie in den vergangenen Wochen auch bereits Kontakt zu den Anwälten der jüdischen Vorbesitzer gesucht, denen die Restitution der ihnen zustehenden Kunstwerke von der Taskforce in Aussicht gestellt wurde: mit einem klaren Versprechen zur Rückgabe. Auch mit den Anwälten des Berner Museums hätten sie bereits Kontakt aufgenommen.

Dass die Familie große Zweifel an der Arbeit der Taskforce hat, lässt sich aus ihrer Forderung nach größerer Transparenz herauslesen. In dem Schreiben kündigt sie an, alle Einzelwerke sowie Hildebrand Gurlitts Geschäftsunterlagen im Internet zu veröffentlichen. Und auch wenn die Taskforce ihre Arbeit fortsetzen sollte, behält sich die Familie vor, andere Organisationen damit zu beauftragen, sollte es mit der Arbeit nicht effektiv genug vorangehen.

Vergebliches Warten auf Antwort von Monika Grütters

Das steht im Gegensatz zu dem Bild der Gurlitts in der Öffentlichkeit. Selten ist eine Familie wohl so berühmt geworden und gleichzeitig unbekannt geblieben. Die Nachfahren und Verwandten des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt fanden sich im Fokus der Öffentlichkeit, als bekannt wurde, dass Cornelius Gurlitt, Sohn des Sammlers, in Schwabing einen Kunstschatz zweifelhafter Herkunft hütete.

Der Gegensatz zwischen dem alten Mann und den Millionenwerten war verführerisch - der Erbe war schnell als verwirrt abgestempelt. Noch obskurer erschienen einige der Verwandten - darunter Ekkeheart Gurlitt, der beim Begräbnis Reproduktionen der berühmtesten Gemälde aus der Sammlung auf den Sarg warf.

Die Gurlitts galten als Nullpunkt in einem Verfahren, das doch, vor allem aus Sicht deutscher Politiker, mit einer sauberen, lückenlosen Problemlösung enden soll: Restitution aller problematischen Fälle, Ausstellung der Sammlung in der neutralen Schweiz. Ingeborg Berggreen-Merkel, Kulturbeauftragte der Bundesregierung und Leiterin der Taskforce, sagte sogar, sie fürchte sich davor, dass Bern das Erbe ausschlage. Umso mehr stellt sich die Frage, warum niemand den Kontakt zu den potenziellen Erben gesucht hat? Im Gegenteil: Nachdem sich die Familie auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hatte, schrieb der Münchner Anwalt Wolfgang Seybold schon vor Wochen an Monika Grütters. Doch es kam keine Antwort. Ihr Sprecher Hagen Philipp Wolf erklärte gegenüber der SZ, für Gespräche mit der Familie habe es "keinerlei Anlass" gegeben. Man befinde sich mit dem Museum im täglichen Austausch. Es sei ausgemacht, dass es das Erbe annehme.

Die Entscheidung des Stiftungsrats des Museums am 26. November wird in Berlin offenbar als bloße Formalie verstanden. In Bern hat man in den letzten Wochen allerdings immer wieder darauf beharrt, es sei völlig offen, wie sich der Stiftungsrat entscheiden werde.

Doch selbst im Fall der Annahme des Erbes ist es durchaus möglich, dass man mit den schnöde Abgewiesenen noch wird kooperieren müssen. Nach Informationen der SZ liegt mindestens ein Gutachten vor, das die volle Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt infrage stellt.

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