Asylbewerber in München:Leere Betten in der Bayernkaserne

Flüchtlinge in der Bayernkaserne

Die Situation in der Bayernkaserne hat sich seit Oktober entspannt. Für Neuankömmlinge wird sie trotzdem noch nicht geöffnet.

(Foto: Tobias Hase)

Er traf eine Entscheidung, die ihm eigentlich nicht zustand - und sorgte damit für Ordnung: Seit OB Reiter einen Aufnahmestopp für die Bayernkaserne verfügt hat, ist die Zahl der Flüchtlinge dort deutlich gesunken. Geöffnet ist die Einrichtung trotzdem noch nicht wieder.

Von Bernd Kastner

Er lässt sie noch ein bisschen zappeln, und er tut das im Wissen, dass er es sich erlauben kann. Vielleicht nicht juristisch, wohl aber politisch - und vor allem moralisch. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat im Oktober das Heft des Handelns in die Hand genommen, als er die überfüllte Bayernkaserne, für die er formal gar nicht zuständig ist, handstreichartig dichtgemacht hat. Es herrschte Chaos in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber, mehr als 2400 Flüchtlinge lebten dort, genau weiß es niemand. Die Verwaltung der Regierung von Oberbayern war kollabiert.

Inzwischen hat sich viel verändert, vor allem die Belegung: 770 Asylbewerber, lautet der jüngste Stand. Das sind deutlich weniger als die angestrebte Maximalbelegung mit 1200 Flüchtlingen. Und deshalb, so ist aus Kreisen des städtischen Krisenstabs zu hören, hätte die Staatsregierung jetzt doch ganz gerne, dass die Bayernkaserne rasch wieder geöffnet wird. Dieser Wunsch wurde im Rathaus deutlich vernommen. Funktioniert die Bayernkaserne wieder, haben Sozialministerin Emilia Müller und der ihr zur Seite gestellte oberste Krisenmanager, Staatskanzleichef Marcel Huber (beide CSU), eine Imagesorge weniger. Längst hängt Ministerpräsident Horst Seehofer und seinen Ministern der Ruf nach, Asyl-Azubis zu sein.

Alle Schwachstellen müssen beseitigt sein

Allein, Reiter sagt nicht Ja zur Wiedereröffnung der Kaserne, noch nicht. Er darf das. Kein Minister traut sich, angesichts des gerade überstandenen Chaos die Kaserne gegen den Wunsch des OB zu öffnen. Und der will sich erst persönlich davon überzeugen, dass in der Kaserne alle Schwachstellen beseitigt sind. Dass die Registrierung läuft und auch die medizinische Erstuntersuchung. Letztere war übrigens ein Flaschenhals, den die Stadt München selbst zu verantworten hatte.

Ein reibungsloses Funktionieren ist auch das erklärte Ziel der Regierung von Oberbayern. Die musste ausbaden, was ihr die Ministerien eingebrockt hatten, indem sie über Jahre zu wenig Geld und Personal für die Asylunterkünfte gewährt haben. Und natürlich betont man auch im Sozialministerium, dass niemand ein Interesse daran habe, die Bayernkaserne zu früh zu öffnen. Man wolle ja nicht nochmals so ein Desaster erleben. Das ist einerseits logisch. Allerdings ist es eben die Staatsregierung, die unter Zeitdruck steht - nicht das Rathaus. Noch immer geht es hinter den Kulissen um die Frage, wer das Regiment führt in der Kaserne.

Staats- und Bezirksregierung basteln seit Wochen am neuesten Übergangsmodell, das funktionieren soll, bis Ende nächsten Jahres in allen sieben Regierungsbezirken Erstaufnahmezentren geschaffen sind. Das Übergangsmodell sieht vor, so ist zu hören, die Bedeutung der Bayernkaserne als zentrale Drehscheibe in Südbayern zurückzufahren. Nicht mehr jeder neu ankommende Flüchtling soll zwangsläufig die Kaserne durchlaufen müssen. Vor allem, wenn übers Wochenende einige hundert Asylbewerber neu ankommen, will man sie schnell weiterleiten. Fragt man derzeit aber nach konkreten Zukunftsplänen, ergehen sich die Behördensprecher nur in Andeutungen: Zu früh, zu kompliziert.

Schweigen ist angesagt

Es ist gerade viel Schweigen. So hätte man erwarten können, dass die Bezirksregierung stolz ihren Erfolg vermeldet: Nur noch 770 Asylbewerber in der Bayernkaserne! Seht her, wie wir auferstanden sind aus dem Chaos! Allein, sie verkneift sich diese aktiven Erfolgsmeldungen. Dahinter steht die Sorge, dass mancher Bürgermeister oder Landrat, dem die Regierung Flüchtlinge schickt, fordern könnte: Belegt doch erst mal wieder eure Bayernkaserne, bevor ihr bei mir anklopft. Für die Regierung hat die Unterbringungspolitik den Charakter höherer Provinzdiplomatie.

Diese Woche jedenfalls wird die Bayernkaserne noch nicht für Neuankömmlinge geöffnet. Immerhin, das Notlager am Neubruch, wo Flüchtlinge weit ab von normaler Nachbarschaft in Containern hausten, wurde inzwischen geschlossen. In Betrieb bleibt dafür der Ehrengastbereich im Olympiastadion: Am Dienstag wurden die letzten der bislang dort einquartierten Asylsuchenden weitergeschickt. Jetzt wird gründlich geputzt, bis am Wochenende die nächsten Flüchtlinge kommen. Neu in der Liste der Not-Dependancen sind eine ehemalige Tennishalle in Markt Indersdorf und eine Turnhalle in Rosenheim.

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