Mutmaßlicher Kunstfälscher:Cranach der Jüngste

Mutmaßlicher Kunstfälscher: Die Madonna mit dem Kind unter dem Apfelbaum (links) hat Christian Goller gemalt, das Werk rechts stammt von Lucas Cranach dem Älteren.

Die Madonna mit dem Kind unter dem Apfelbaum (links) hat Christian Goller gemalt, das Werk rechts stammt von Lucas Cranach dem Älteren.

(Foto: Reibnitz Auktionen, hermitagemuseum.org)

Ein mutmaßlicher Kunstfälscher aus Niederbayern hat wohl noch viel mehr alte Meister kopiert als zunächst angenommen. Nun wurde ein Werk unter seinem eigenen Namen verkauft - für 900 Euro. Ein fairer Preis, findet der Auktionator. Kunst-Experten sind da ganz anderer Meinung.

Von Sarah Kanning

Der Zeitpunkt könnte für Christian Goller kaum ungelegener sein: Mitten hinein in die Ermittlungen der bayerischen Polizei und der Staatsanwaltschaft Passau gegen den Kirchenmaler und Restaurator aus Niederbayern wegen gewerbsmäßigen Betrugs mit Bildern Alter Meister, taucht in einem Auktionshaus in Pfarrkirchen das Abbild einer Madonna mit rotgoldenem Haar auf - gemalt wie aus der Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren. Doch laut Katalogtext ausgerechnet gepinselt von Christian Goller aus Untergriesbach in Niederbayern. Dem Mann also, dem Cranach-Experten den größten Kunstbetrug der letzten Jahre vorwerfen, und der selbst immer behauptete, er könne solche Bilder nicht malen und werde fälschlich bezichtigt.

Nun ist das Bild da, am vergangenen Freitag wurde es für 900 Euro verkauft. "Ein fairer Preis für eine gut gemachte Kopie", wie Stefan W. Freiherr von Reibnitz, Geschäftsführer des Auktionshauses Reibnitz in Pfarrkirchen, sagt. Er kann über die Debatte nur den Kopf schütteln: "Goller hat das Motiv von Cranach genommen und komplett verändert", sagt er. Am Rahmen und an der Rückseite sehe man zudem eindeutig, dass das Holz nicht echt nachgedunkelt, sondern dunkel gebeizt sei. Wenn jemand sich jetzt hinsetze, das Bild patiniere, die Rückwand alt mache und das Bild dann zu einem gierigen Auktionshaus als Original brächte, könne man das Goller nicht anlasten. "Er tut mir leid", sagt von Reibnitz. Eingereicht worden sei das Gemälde von einer alten Dame aus der Nähe von Passau.

Ein pikanter Zusammenhang

Der Heidelberger Kunsthistoriker Michael Hofbauer sieht das ganz anders: "Da hat irgendjemand einen Fehler gemacht, dass das Bild unter dem Namen Christian Goller in den Verkauf kam." Denn das gleiche Motiv, eine Kopie der Madonna mit Kind unter dem Apfelbaum von Lucas Cranach dem Älteren, die Hofbauer eindeutig ebenfalls Goller zuordnet, kam laut der Rechercheplattform Cranach.net als Cranach-Original im Jahr 1985 beim Hamburger Auktionshaus Hans Stahl unter den Hammer. Die Firma gibt es inzwischen nicht mehr, und in der Nachfolgefirma hat man zu dem Fall keine Unterlagen mehr zur Hand, nur eine Information: dass das Gemälde damals an den Einlieferer zurückging. Wer das Gemälde einbrachte, ob es schon vor der Versteigerung aus Zweifeln oder auf einen Hinweis hin zurückgegeben oder ob es einfach nicht verkauft worden war, ist unklar. Das Original hängt mit der Inventarnummer 684 in Sankt Petersburg.

Cranach und Goller - ein zur Zeit pikanter Zusammenhang: Wie die Passauer Oberstaatsanwältin Ursula Raab-Gaudin erklärt, darf ein Künstler durchaus Kopien eines Gemäldes herstellen, er darf sie verkaufen. Weder er noch der Käufer machen sich dabei strafbar. Allerdings mit Einschränkungen: Der Maler darf Käufer nicht vorsätzlich täuschen und daraus einen Vorteil ziehen. Er darf andere nicht verleiten, seine Kunst unter falschen Prämissen zu verkaufen. Und er muss aufklären, sobald er bemerkt, dass seine Werke beispielsweise als Kunst Alter Meister verkauft werden.

Ermittlungen können Jahre dauern

Kunsthistoriker Hofbauer will herausgefunden haben, dass Goller Werke mit Signaturen Alter Meister anfertigte, die in den Kunstmarkt eingingen. Er schätzt, dass es sich bei den mehr als 50 Gemälden "aus der Werkstatt von Lucas Cranach dem Älteren" oder seinem Sohn Lucas Cranach dem Jüngeren, die er eindeutig Goller zuordnen kann, nur um die "Spitze des Eisbergs" handele. In den vergangenen Jahrzehnten könnte Goller hundert oder sogar mehrere hundert solcher Bilder gemalt haben. Über einen engen Kreis von Bekannten, gegen die die Polizei ebenfalls ermittelt, sollen diese in den internationalen Kunstmarkt eingespeist und für bis zu fünfstellige Beträge verkauft worden sein.

Laut Staatsanwaltschaft reicht das Strafmaß für gewerbsmäßigen Betrug von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, bei einem möglichen Schaden von 500 000 Euro sei "eine Geldstrafe nicht mehr drin", sagt Raab-Gaudin. Die Ermittlungen könnten noch ein Jahr dauern, doch es hätten bereits "aufschlussreiche Vernehmungen" stattgefunden. Auch gebe es mehrere Zeugen. Christian Goller und sein Anwalt wollten sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

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