Wellness:Auf dem Rücken des Patienten

Seit ihrer ersten Thai-Massage weiß sie, wie dehnbar ihr Körper, aber auch der Begriff "Wohlfühlen" ist

Wer bei "Thai-Massage" noch immer nur an das Eine denkt, sollte sich nicht wundern, wenn der viel zu große Pyjama gereicht wird. Die echte traditionelle Thai-Massage kommt in diesem Anzug ohne Anzügliches aus und ohne einen Tropfen Öl oder Körperflüssigkeit. Die Thai-Massage ist eher ein Stimulieren der wichtigen Meridiane: ein Dehnen, Drücken und Strecken, bei dem die Ellbogen, Knie und Füße der Masseurin zum Einsatz kommen. Es gibt Schläge auf Rücken und Kopf, man darf es nur nicht persönlich nehmen. Wer diese uralte Heilkunst erlernen möchte, kann sich in Bangkoks Altstadt eine Lektion erteilen lassen in einer Massageschule nahe dem buddhistischen Kloster Wat Pho. Die Schüler der Wat Pho Thai Traditional Massage School mass(akr)ieren sich gegenseitig, an den Füßen geht es los: Hier liegen die Reflexzonen des gesamten Körpers und seiner inneren Organe. Man lernt an den Zehen zu ziehen und zu zupfen, mit Daumen und Handballen zu pressen und die Fußsohlen wie afrikanische Trommeln zu bearbeiten. Mit den Druckpunkten wird der Energiefluss im Körper und der Kreislauf von Blut und Lymphe angeregt. Das erste Folteropfer heißt Pia, eine junge Thai aus Chumphon, die nach einem Zehn-Tages-Kurs zu Hause ihren Lebensunterhalt damit verdienen möchte.

Wellness: Die Thai-Massage kommt, im Gegensatz zum gezeigten Bild, ganz ohne Öl, Seife oder ähnlichem aus.

Die Thai-Massage kommt, im Gegensatz zum gezeigten Bild, ganz ohne Öl, Seife oder ähnlichem aus.

(Foto: Foto: DPA)

Zuerst wird Pia im Liegen behandelt, dann im Schneidersitz, in der stabilen Seitenlage, in der Hocke und in diversen Yoga-Stellungen. "Thai-Massage heißt bei uns auch Yoga für Faule", scherzt Massagelehrerin Sunate Toomnork. Sie war schon acht Mal in Deutschland eingeladen, um die Deutschen das Fürchten zu lehren. Für unbeteiligte Beobachter könnte es auch so aussehen, als fände eine Art Kung Fu auf dem Rücken des Patienten statt. Insgesamt 51 Griffe und Techniken verbergen sich hinter der martialisch wirkenden Heilkunst. Zum Abschluss bekommt Pia noch eine deftige Abreibung mit kleinen heißen Kräuterkissen: gefüllt sind die Beutel mit Kampfer, Kaffir, Zitronengras und Kurkuma, was die Haut nach einer Weile wie die eines Leberkranken aussehen lässt.

Aber man sollte sich nicht alles gefallen lassen: Einige Thai-Massagetechniken sind tatsächlich nicht ganz unumstritten. Zum Beispiel halten die Ärzte des Thailändischen Roten Kreuzes das minutenlange Drücken auf die Hauptschlagader am Bein und das plötzliche Loslassen für gefährlich, da es eine Blutgerinnung, vor allem bei älteren Patienten, verursachen kann. Oder wenn die Masseurin ohne jegliche Kenntnisse eventueller Rücken oder Migräneleiden auf der Wirbelsäule herumspaziert und schließlich den Kopf mit einem herzhaften Ruck herumreißt und dabei lächelt, wie es thailändischer nicht geht. Klassischen medizinischen Masseuren im Westen würde sich schon bei dem ruckartigen Auseinanderziehen der Fingerknöchel - schön weit ziehen, bis es ploppt wie ein Sektkorken - der Magen umdrehen, sofern sie nicht Anhänger der Chiropraxis sind.

Massagetechnik zur Heilung von mehr als 80 Leiden

Dabei gelten auch bei der "anständigen" traditionellen Thai-Massage die thailändischen Zauberworte wie Sabai und Sanuk: Man soll sich wohl fühlen (sabai) und auch ein bisschen Spaß haben (sanuk). Eine 2.500 Jahre alte Tradition kann schließlich nicht irren. Das vermutlich ursprünglich indische Wissen fand Einzug in ein historisches Medizin-Buch zur Zeit des alten thailändischen Königreiches Ayutthaya, geschrieben im Jahr 1454 und heute noch im Klosterbesitz. Mehr als 80 Leiden sollen mit der fernöstlichen Massagetechnik aus Akupressur, Yoga und Stretching heilbar sein: Verspannungen, Verstopfungen und Migräne, sogar Sprachstörungen, Lähmungen im Anfangsstadium und Asthma.

"Aber weil die Thai-Massage lange Zeit ein so schlechtes Image hatte", sagt Schulleiter Serat Tangtrongchitr, "war es für uns anfangs schwierig, überhaupt professionelle Lehrer zu finden". Mittlerweile sind seit der Gründung der Massageschule auf Initiative des thailändischen Königs Bhumiphol in Wat Pho 1962 mehr als 44.000 Schüler aus 57 Ländern ausgebildet worden, darunter viele Masseure und Physiotherapeuten aus dem Westen. Die Profi-Ausbildung dauert drei Jahre. Nicht wenige Thai lernen die Techniken allerdings nur im Schnellkurs für den Hausgebrauch an Familienmitgliedern. Oder für die ahnungslosen Sonnenanbeter, die weißen Farang am Strand, die ohnehin meist nur nach einer weiteren Ölung lechzen - damit der Tropensand so richtig schön auf dem Sonnenbrand schmirgelt ...

Wer nun die traditionelle Thai-Massage (kennen) lernen und auf Nummer sicher gehen möchte, fragt den Taxifahrer in Bangkok am besten nach raksaa thaang nuad. Sonst landet er am Ende doch noch in einem Massage-Salon mit einer obskuren Auswahl an A-, B- oder C-Massagen, alles von zierlichen Mädels, die Nummern tragen und sonst nicht viel.

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