Dauerhafte Modeausstellung:Ein Stück Paris in Berlin

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Die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum in Berlin ist ein Rundgang durch 300 Jahre Modegeschichte. Hier Kleider der 1970er und 1980er Jahre von Nina Ricci, Madame Grès und Yves Saint Laurent (Foto: Photographer: Achim Kleuker)

Berlin mit seinen Hipstern, Künstlern und Designern ist zwar irgendwie ein Mode-Hotspot, aber trotzdem fehlt der Stadt vieles, was Paris, London oder Mailand zu Fashion-Hauptstädten macht: die großen Modehäuser, das Geld, das Schwelgen im Luxus. Auch eine dauerhafte Modeausstellung gab es bisher nicht. Das ändert sich jetzt.

Von Ines Alwardt, Berlin

In großen roten Buchstaben, Sechzigerjahre-Schrift, leuchtet das Wort an der frisch weiß gestrichenen Wand im Foyer des Kunstgewerbemuseums Berlin: MODE. Drei Jahre lang war das älteste Museum seiner Art geschlossen, weil es umgebaut wurde. An diesem Wochenende wird es am Kulturforum am Potsdamer Platz wiedereröffnet - mit der ersten Dauerausstellung für Mode in Berlin.

Eine solche Schau ist längst überfällig, das kann man so sagen. Berlin, dieser sich ewig erneuernden Metropole, mit ihren Hipstern, Künstlern und Designern aus aller Welt, fehlte schon immer ein Stück zu Paris.

Nicht, dass man die deutsche Hauptstadt als Mode-Hotspot international bisher nicht ernst genommen hätte: Zweimal im Jahr trifft sich hier die gesamte Prominenz der Szene zur Fashion-Week, Veranstaltungen wie die Bread & Butter, Premium oder Show & Order ziehen Hunderttausende Besucher an. Aber New York, Mailand, London - Berlin? In dieser Liste finden Kenner den Fehler meist schnell.

Eigentlich hat Berlin kaum etwas, was große Modestädte brauchen: Es gibt hier keine großen Modehäuser wie Fendi, Prada oder Bottega Veneta; im Vergleich zu deutschen Städten wie München hat die Branche wenig Geld, genau wie die Kunden:

Nur eine verschwindend geringe Zahl der Berliner kann sich Luxuslabels leisten, der Stellenwert von Marken ist nicht so groß wie andernorts. Und wenn Berlin um Touristen wirbt, dann meist mit seiner Club- und Undergroundkultur oder mit Geschichtstouren am Mauerdenkmal, nicht mit Mode. Dabei ist dieses Wort inzwischen so untrennbar mit Berlin verbunden wie einst die Mauer, die die Stadt teilte. Allerdings laufen die Dinge hier etwas anders.

Rot-weiße Ringelsöckchen zu Used-Karotten-Jeans? Klar.

Die Branche funktioniert in Berlin noch ein wenig unkonventioneller als in den großen Metropolen: Die Atmosphäre der Stadt erlaubt verschiedenste Lebensformen - und Arten, sich zu kleiden. Rot-weiße Ringelsöckchen zu Used-Karotten-Jeans und abgelatschten Riemchen-Pumps? Klar. Nicht die Laufstege geben vor, was vor allem Jüngere auf der Straße tragen, vielmehr interpretieren sie die Trends für die Straße um und setzen ihre eigenen Trends.

Was schön ist, oder als schön empfunden wird, entscheidet jeder selbst. Die Mode ist hier nicht nur Optik. Vielmehr Statement.

Berlin ist in Modedingen schon sehr lange kein ernsthafter Konkurrent für Paris. Dort zeigt man traditionsgemäß gerne, dass der französische Chic genauso zum Selbstverständnis der Einheimischen gehört wie zur Geschichte der Stadt.

Paris beherbergt das Musée Galliera, einst Musée de la Mode de la Ville de Paris, das mit 100 000 Kleidungsstücken und Accessoires die modische Histoire und damit auch ein Stück eigene Historie präsentiert. Es gibt das Musée de la Mode et du Textile und in London das Fashion and Textile Museum. Und in Berlin? Gab es sehr lange: nichts, abgesehen von einzelnen, nur kurz währenden Ausstellungen.

Natürlich kann man auch das als ein Statement werten, in etwa nach dem Motto: Berlin lässt sich modisch nicht einordnen und will auch gar nicht eingeordnet werden.

Das mag stimmen oder nicht, fest steht: Die Geschichte der Mode - von den Reifröcken der Frau bis hin zu Entwürfen von Coco Chanel und H&M - sollte besonders in einer Stadt, in der jeden Tag neue Trends auf den Straßen entstehen, stets nachvollzogen werden können. Aus alten Formen, Silhouetten und Techniken ergeben sich immer wieder neue Ideen, sie sind die Inspiration aller Designer.

Nicht umsonst sitzt in der Hauptstadt die "Esmod Berlin", eine internationale Kunsthochschule für Mode. Ihre Studenten können sich künftig nun im Kunstgewerbemuseum auch von Original-Modellen inspirieren lassen. Und zwar vor Ort.

Modelle aus 300 Jahren der Modegeschichte

Ein Rundgang durch die neue Schau fühlt sich wie ein Schaufensterbummel durch die Geschichte der Mode an. Hinter Vitrinen glänzen und leuchten Modelle aus den vergangenen 300 Jahren der Modegeschichte, angefangen im Jahr 1730, bei der "robe à la francaise", dem bekanntesten Damenkleid des 18. Jahrhunderts.

Der Besucher geht vorbei an englischen Damenslippern aus Silberlamé, sehr unbequem anmutenden Reifröcken aus dem England der 1860er Jahre und entdeckt bestickten Abendsandaletten von Salvatore Ferragamo aus den Fünfzigern, die aussehen, als könnten sie aus der vergangenen Sommerkollektion stammen.

Wer sich für neue Entwürfe inspirieren lassen will, braucht sich nur die Stoffe und Silhouetten anzusehen, in die die Puppenkörper gehüllt sind. Ballkleider aus Seidenmoiré, Reifröcke in den verschiedensten Formen und Größe, bedruckte Damenschuhe aus Ziegenleder von 1795: die ausgestellten Stücke erzählen wie Zeitzeugen die Geschichte der Mode.

Worth, Vionnet, Yves Saint Laurent, Versace - etwa 130 Kleider namhafter Designer, aber auch der Schmuck und die Schmink- und Kosmetikutensilien von Königin Luise von Preußen sind zu sehen.

Mit dem, was die Mode auf Berlins Straßen angeht, mögen die edlen Stoffe und Schnitte nicht viel zu tun haben. Berlin war ja schon immer etwas anders, man denke nur an den "Berliner Chic" der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, als sich die Frauen hier gerne mit Bubikopf im Stil von Marlene Dietrich inszenierten - auch ein Stück Modegeschichte.

Am Ende des Rundgangs werden die Entwürfe von Christian Dior und Coco Chanel gezeigt. Paris also, nicht nur für ein paar Monate, sondern bleibend. Berlin fehlt ein Stück zu Paris. Doch der Abstand ist etwas kleiner geworden.

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