Studie zu Schulessen:Schülern wird zu viel Fleisch aufgetischt

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  • Einer Studie des Bundesernährungsministeriums zufolge steht in deutschen Schulkantinen zu häufig Fleisch und zu selten Gemüse auf dem Speiseplan.
  • Die Studie befragte bundesweit Schulen, Schulträger und Schüler. Während die Schüler meist zufrieden sind, sehen die Herausgeber Defizite bei der Qualitätskontrolle des Essens.
  • Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert dezentrale Lösungen und finanzielle Unterstützung für arme Familien.

Von Karin Janker

Zu wenig Gemüse, zu viel Fleisch

Kinder lieben Nudeln und Pizza. Diese beiden Gerichte würden sie vermutlich am liebsten jeden Tag zu Mittag essen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) allerdings hat andere Vorstellungen von einem vernünftigen Schulessen: täglich Gemüse und Salat, häufig Obst, einmal pro Woche Seefisch, Fleisch dagegen höchstens zweimal pro Woche. Eine aktuelle Studie der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigt nun allerdings, dass die meisten Schulen von den DGE-Standards für Schulverpflegung weit entfernt sind: Nur 6,5 Prozent der Speisepläne sind von der DGE zertifiziert. Zu fleischlastig und zu wenig Gemüse, lautet das Urteil der bundesweit größten Studie zum Schulessen.

Etwa die Hälfte der untersuchten Speisepläne enthält zu wenig Gemüse, fand die Studie heraus. Auch Vollkornprodukte und Fisch stehen zu selten auf dem Tisch der Schulmensa. Die Vielfalt der Speisen sei nicht ausreichend, nur in 16 Prozent der Grundschulen und 27 Prozent der weiterführenden Schulen gibt es demnach mehr als zwei Menüs, so die Herausgeber der Studie.

Die Schulen stehen vor einem Dilemma

Die befragten Schüler sehen ihre Schulverpflegung selbst weniger kritisch. 54 Prozent der Grundschüler finden das Schulessen sehr gut oder gut, an den weiterführenden Schulen sinkt die Zufriedenheit ein wenig. Bei den Gerichten, die sie am liebsten essen, sind sich Mädchen und Jungen einig: Nudeln, Pizza, Pfannkuchen stehen ganz oben auf der Liste ihrer Lieblingsgerichte. Wenig beliebt sind dagegen Spinat, Suppe und Fisch. Die Schulen stehen also vor einem Dilemma: Auftischen, was die Kinder kennen und lieben, oder das, was die DGE empfiehlt? Ein Kompromiss ließe sich wohl finden, würde aber wohl auch kreativere Lösungen erfordern als das konventionelle Kantinenessen von Arbeitnehmern.

Dabei wird das Mittagessen in der Schule für immer mehr Kinder zur wichtigsten Mahlzeit des Tages: Nach Angaben der Kultusministerkonferenz werden inzwischen 2,4 Millionen Schüler ganztags unterrichtet, das ist fast ein Drittel aller Kinder von der Grundschule bis zur Mittelstufe. In Ostdeutschland ist der Anteil deutlich höher als im Westen. Der Anteil der Ganztagsschulen liegt in Sachsen bei 78 Prozent, in Baden-Württemberg bei 18 Prozent. Doch der Trend geht bundesweit in Richtung Ganztagsschule, damit kommt auch der Schulverpflegung eine immer größere Bedeutung zu.

Mensa zu laut, Pause zu kurz

Zu einer erholsamen Mittagspause gehört aber nicht nur ein gesundes, nahrhaftes Essen, sondern auch Zeit, es in Ruhe einzunehmen. Der Studie zufolge sind in den meisten Schulen allerdings die Pausen zu kurz. Nur in 39 Prozent der Schulen dauere die Mittagspause länger als 45 Minuten, wie es die DGE empfiehlt. Der Lärmpegel in den Mensaräumen wird außerdem häufig als zu hoch eingestuft.

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Der Studie zufolge kostet ein Mittagessen in der Schule im Mittelwert 2,83 Euro (Grundschule) beziehungsweise 3,06 Euro (weiterführende Schule). Die durchschnittlichen Preise schwanken zwischen 1,50 Euro und 3,68 Euro, wobei es zwischen den Bundesländern erhebliche Unterschiede gibt. In den meisten Fällen (79 Prozent) sind in diesem Preis ein Dessert und ein Getränk enthalten.

Der Preis für das einzelne Gericht ist vergleichsweise niedrig - auch deshalb, weil die Schulträger das Verpflegungsangebot teilweise mit Zuschüssen von bis zu 2,50 Euro unterstützen. An zahlreichen Schulen müssen die Eltern die Kosten für das Mittagessen allerdings vollständig alleine tragen. Da stellt sich die Frage, ob unter Preisdruck die DGE-Empfehlungen, beispielsweise regelmäßig Seefisch zu servieren, überhaupt eingehalten werden können.

Als wichtigste Kriterien zur Auswahl der Anbieter von Schulverpflegung, meist Cateringunternehmen und externe Lieferanten, nennen die befragten Schulträger Qualität und Preis. Eine Qualitätskontrolle führen viele Kommunen aber nicht durch. Nur das Bundesland Berlin hat bislang eine übergeordnete Kontrollstelle geschaffen, die personell auch so ausgestattet werden soll, dass eine Qualitätskontrolle realistisch erscheint.

Im Zuge der Veröffentlichung der Studie will sich Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) nun für besseres Schulessen einsetzen. Es solle verbindliche Qualitätsstandards und einen "Ernährungs-TÜV" geben, der präzise Vorgaben mache und deren Einhaltung auch kontrolliere, sagte Schmidt im Deutschlandradio Kultur. Dem Fernsehsender n-tv sagte der Minister: "Die Untersuchung zeigt: Es ist manches ganz gut, das will ich nicht bestreiten. Aber wir wissen alle, nur von Pizza und Nudeln alleine wird der Jugendliche und das Kind zwar satt, aber nicht ausreichend ernährt."

Nicole Maisch und Özcan Mutlu von den Grünen kritisieren, dass die Bundesregierung zu wenig Geld in den Ausbau der Schulverpflegung investiere und Kommunen mit der Aufgabe alleine lasse. Neben der Einhaltung der DGE-Standards solle auch ein Bioanteil von 30 Prozent im Schulessen gewährleistet sein.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert, bei Schulkantinen und Anbietern von Schulverpflegung alle Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen öffentlich zu machen. Es sei ein Unding, dass Lehrer und Eltern nicht darauf zugreifen könnten, um den vertrauenswürdigsten Lieferanten für das Schulessen der Kinder zu ermitteln, sagte der stellvertretende Foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Die Behörden wüssten, wie es um die Hygiene in Schulküchen und bei Zulieferern bestellt sei. Der Bund solle die Länder daher zu einer Veröffentlichung der Ergebnisse verpflichten.

Kinderhilfswerk regt Kochkurse für Schüler an

Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes muss es bei der Schulverpflegung ein generelles Umdenken geben. "Ernährungs- und Gesundheitsbildung von frühester Kindheit an sind eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Entwicklung unserer Kinder", sagte Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. Fast 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland fänden es gut, in einer Schulküche kochen zu lernen. Aber nur jeder Fünfte habe bisher in der Schule schon einmal gekocht.

"Grundsätzlich sollten wir weg von Großküchen, stärker auf dezentrale Lösungen setzen und diese auch finanziell unterstützen. Wir müssen sicherstellen, dass im Ganztagsbetrieb jedes Kind in der Schule eine gesunde, warme Mahlzeit bekommt. Da, wo die Eltern über ein ausreichendes Einkommen verfügen, müssen diese die Kosten tragen, wo das nicht geht, ist die Gesellschaft und damit die öffentliche Hand gefordert", fordert Hofmann. An dieser Stelle zu sparen, sei langfristig verheerend.

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