Japan-Community in Düsseldorf:Nase putzen ist unhöflich

In Düsseldorf lebt die größte japanische Gemeinde Deutschlands. Wo es das beste Sushi gibt, was bei der Begrüßung zu beachten ist und wie man es sich mit Japanern verscherzt - ein Glossar für den ersten Besuch, von All-you-can-eat bis zu einem ganz besonderen Weihnachtskuchen.

Von Ann-Christin Gertzen

Es duftet nach frischer Suppe und gegrilltem Fleisch, zwischen Reklametafeln und ellenlangen Speisekarten sitzen Japaner und tafeln heimattypisch. Dazwischen versuchen ein paar Deutsche, ihre Nudelsuppe elegant mit Stäbchen zu essen. "Tokio am Rhein" wird das japanische Viertel in Düsseldorf genannt. Hier lebt die größte japanische Gemeinde Deutschlands. Ein Glossar mit Insiderwissen für den ersten Smalltalk.

All you can eat: Rund um die Immermannstraße liegen zahlreiche Restaurants und Lokale, von -> Sushi bei Maruyasu (Immermannstraße 23) bis Burger bei What's Beef (Immermannstraße 24) - hier kann man sich den ganzen Tag durchfuttern. Das Okinii (Immermannstraße 35) bietet ein besonderes All-you-can-eat-System à la Carte: Geordert wird via Tablet Computer; eine Bestellrunde dauert pro Tisch zehn Minuten, maximal acht Gerichte können aus der 100 Speisen umfassenden Karte gewählt werden. Diese werden dann in der Küche frisch zubereitet.

Biene Maja: Mitsubachi Maaya no Bouken - so heißen die Trickfilm-Abenteuer der Honigbiene Maja auf Japanisch. Flip, Willy und Maja wurde in den Siebzigern vom ZDF in Auftrag gegeben und in Japan als Anime produziert. Übrigens von demselben Regisseur, der auch Wickie und die starken Männer umgesetzt hat.

Community: Von der japanischen Community in Düsseldorf zu profitieren, ist einfach -> All you can eat. Ein Teil von ihr zu werden, ist schwer. Türöffner kann eine Mitgliedschaft im Japanischen Club sein. Der kümmert sich schon lange nicht mehr ausschließlich um die Freizeitgestaltung der Frauen japanischer Geschäftsmännern, sondern ermöglicht Interessierten, tief in die japanische Kultur einzutauchen. Wer schon immer wissen wollte, wie man einen Kimono trägt, ein Kendo-Schwert schwingt oder wie japanische Volkslieder klingen, wird hier fündig.

Japantown in Düsseldorf

Wo Ost und West zusammenkommen: das japanische Viertel in Düsseldorf

(Foto: Ann-Christin Gertzen)

Düsseldorf: Von den etwa 30 000 in Deutschland lebenden Japanern wohnen und arbeiten knapp 9000 in Düsseldorf. Als die japanische Wirtschaft in den fünfziger Jahren angekurbelt werden sollte, wurde nach einem idealen Standort in Europa gesucht. Düsseldorf bot eine gute Infrastruktur, außerdem war das Ruhrgebiet mit seinen Rohstoffen und der Maschinenproduktion gleich nebenan. Knapp 500 japanische Firmen haben heute eine Niederlassungen in Düsseldorf. In den Siebzigern entstand das Deutsch-Japanische Center in der Innenstadt; als Zeichen der Dankbarkeit für die Gastfreundlichkeit der Rheinländer legte die deutsch-japanische Gemeinde 1975 einen japanischen Garten im Düsseldorfer Nordpark an.

Eko-Haus: In Düsseldorf-Oberkassel steht das Eko-Haus der japanischen Kultur. Es ist der einzige von Japanern erbaute buddhistische Tempel in Europa. Einmal im Monat kann man hier Teemeister Sōshin Kuramoto bei einer Teezeremonie beobachten und mit ihm auf dem Sadō, dem Teeweg, wandeln. Im Sommer gibt es ein großes Gartenfest mit Trommeln, Tanz und Ikebana (Kunst des Blumenarrangements). Eine besondere Atmosphäre herrscht an Silvester, wenn die Tempelglocke 108 Mal zur Vergebung von 108 Sünden geschlagen wird. Wer zeitig da ist, darf sogar selbst ran.

Fettnäpfchen: Japaner sind sehr höflich und verzeihen vieles, besonders wenn man sich in der Kultur nicht so gut auskennt. Dennoch gibt es ein paar Fettnäpfchen, die sich vermeiden lassen. Die Stäbchen sollte man zum Beispiel nicht senkrecht im Reis stecken lassen, das macht man nur auf Beerdigungen. Mit Soja-Sauce würzt man niemals den Reis. Das Wort "Manko", im Deutschen ein Synonym für Fehler, ist in Japan eine vulgäre Umschreibung für die Vagina. Ironie wird oft nicht verstanden und für alle Bald-Düsseldorfer: D'r rheinländische Mundart kütt nid jood an!

Gaijin: Wörtlich bedeutet Gaijin "Mensch von draußen", so bezeichnen Japaner Ausländer. Allerdings hat der Begriff für manche eine negative Konnotation; höflicher, aber weniger gebräuchlich ist "Gaigokujin".

Höflichkeitssprache (Keigo): Während Deutsche bei der Ansprache lediglich zwischen "Du" und "Sie" unterscheiden, ist das sogenannte Keigo im Japanischen komplizierter. Hier variiert das Vokabular je nach gesellschaftlicher Stellung des Gesprächspartners. Japaner unterscheiden zwischen verschiedenen Kreisen, wobei "uchi" den inneren Kreis wie Familie oder den Arbeitsplatz repräsentiert, das Wort "soto" hingegen alles Fremde, von außen Kommende. Das Besondere: Je enger die Beziehung zum Gesprächspartner ist, desto respektvoller spricht man über einander.

Interkulturelle Kommunikation: Visitenkarten werden immer mit beiden Händen übergeben und auch mit beiden Händen angenommen. Visitenkarten lapidar in die Hosentasche zu stecken oder etwas darauf zu kritzeln, gilt als äußerst unhöflich. Wenn wir im Gespräch von uns selbst sprechen, legen wir die Hand auf die Brust, Japaner zeigen mit ihrem Zeigefinger auf ihre Nase.

Karaoke in Hobbykeller-Ambiente

Japan-Tag: Der nächste Japan-Tag wird in Düsseldorf am 30. Mai 2015 gefeiert. Einen Tag lang verwandelt sich die Altstadt in einen Manga-Comic. Cos-Player streichen sich das rot im Kalender an und bereiten sich akribisch mit selbstgebastelten Sailormoon- und Pokémon-Kostümen darauf vor. Zwischen Essensbuden und Origami-Ständen tummeln sich dann Samurai-Schwert schwingende oder zu Japan-Beats tanzende Menschen. Es lohnt sich, bis zum Abend zu bleiben: Dann gibt es ein Feuerwerk, das seinesgleichen sucht.

Karaoke: Karaoke gehört zu Japan wie der Schuhplattler zu Bayern. Ein Abend in der Lime Light Karaoke Box im Keller des Hotels Nikko (Immermannstraße 41) ist für Japan-Interessierte ein Muss. In gemütlichem Ambiente kann man hier ungestört englische und japanische Klassiker zum Besten geben. Jägermeister, Sake oder andere Spirituosen halten die Stimme geschmeidig.

L - R: Die Japaner kennen weder den für uns typischen L-, noch den R-Laut. Während Chinesen statt "L" ein "R" sprechen, sprechen Japaner einen Mischlaut, der für uns klingt wie "rl".

Manga: Keine Angst vor Samurai-Schwertern oder rosa Hasenohren sollte man beim Besuch des Buchladens Takagi (Marienstraße 41) haben. Das Geschäft ist als Manga-Hotspot bekannt und versorgt Fans täglich mit frischer Originalware aus Japan: Manga-Comics, DVDs, Zeichenbücher oder Pacman-Tassen - hier wird jeder Anime-Freund fündig.

Ninjutsu: Für viele sind sie eine liebe Kindheitserinnerung: die Ninja-Turtles. Wer in Düsseldorf die Kunst der Ninja-Kämpfer erlernen möchte (genannt: Ninjutsu), sollte jedoch mehr drauf haben als die vier Schildkröten. Hier geht es vor allem um mentale Stärke und den Willen, sich weiterzuentwickeln. Seit 25 Jahren gibt es das Bujinkan Dojo, eine Schule für japanische Kampfkunst. Geleitet wird sie von einem hochgraduierten Schattenkrieger - der allerdings Grieche ist.

Japantown in Düsseldorf

Grinsen und winken: typische Deko im japanischen Viertel

(Foto: Ann-Christin Gertzen)

Onigiri: Onigiri sind kleine, dreieckige, mit Reis gefüllte Algen-Sandwiches. Es gibt sie pur, mit Fisch, frittiertem Huhn oder eingelegtem Seetang. Lecker sind sie bei Waraku (Immermannstraße 27) oder Maruyasu. Letzterer hat auch -> Sushi und andere japanische Delikatessen im Angebot.

Porno: Gibt es auch in -> Manga-Läden.

Qualität: Besonders bei -> Sushi wichtig.

Ramen: Ramen sind japanische Nudelsuppen. In Düsseldorf bekommt man sie unter anderem im hippen Na Ni Wa (hier muss man meistens eine halbe Stunde anstehen) oder im traditionelleren Takumi. Der Gast hat die Wahl zwischen Shoyu (Soja)-, Miso- und Shio (Salz)-Ramen mit diversen Einlagen. Menü-Empfehlung: gebratenen Teigtaschen mit Hähnchen als Vorspeise und danach Shoyu-Ramen mit weichem Ei und Schweinebauch. Und nicht wundern, wenn am Nebentisch die Nase hochgezogen wird - unter Japanern gilt es als unhöflich -> Höflichkeitssprache, sich während des Essens die Nase zu putzen.

Sushi: Sushi-Fans aufgepasst! Düsseldorf wird euer Verhängnis. Ob direkt auf die Hand wie bei Maruyasu, á la Carte wie bei Kikaku (Klosterstraße 38) oder direkt vom Band wie bei Kiku (Oststraße 65) - hier gibt es alle Varianten. Für Sushi-Selbstroller: Frischen Fisch, Algen und Bambusmatten gibt es zum Beispiel im Supermarkt Shochiku (Immermannstraße 15). Hier findet man auch japanisches Waschmittel, schrillbunte Limonaden, Bier, Gewürze, Gemüse und Mangas; an der Wand hängt ein großer Flachbildfernseher, auf dem Anime-Serien laufen.

Japantown in Düsseldorf

Und von der Werbetafel grüßt es freundlich: Supermarkt in Japantown in Düsseldorf.

(Foto: Ann-Christin Gertzen)

Taiko: Trommeln für den Seelenfrieden - wenn das so einfach wäre. Das Taiko ist fester Bestandteil der japanischen Kultur und kann in mehreren Dojos in Düsseldorf erlernt werden. Traditionalisten sind jedoch der Ansicht, dass es nahezu unmöglich ist, das traditionelle Trommeln jemals perfekt zu beherrschen, wenn man nicht in die Kultur hineingeboren wurde.

Verbeugung: Die japanische Verbeugung ist die Königsdisziplin unter den Begrüßungen. Größtes Fettnäpfchen: Die Hände vor der Brust aneinander legen und kurz nach vorne beugen - das ist thailändisch. Klassisch gilt in Japan: Je tiefer die Verbeugung, desto ehrfürchtiger die Geste. Männer legen hierzu die Hände flach an die Außenseiten ihrer Oberschenkel, Frauen legen sie flach auf die Vorderseiten ihrer Oberschenkel oder über Kreuz. Besonders bei geschäftlichen Treffen ist die richtige Verbeugung wichtig.

Weihnachtskuchen: Traditionell ist es in Japan unüblich, mit 25 Jahren noch nicht verheiratet zu sein. Gehört man zu dieser Spezies, wird man von älteren Generationen gerne als "Weihnachtskuchen" bezeichnet. Am 24. Dezember schenkt man sich den gleichnamigen Kuchen, am 25. schmeckt er schon nicht mehr.

X: Cosplay: Manga- und Anime-Fans verkleiden sich wie ihre Idole Sailormoon und neuerdings auch Harry Potter. Auf Conventions spielen sie deren Abenteuer so detailgetreu wie möglich nach.

Zählen: Ein Auto, ein Pferd, ein Haus? Wenn das mal so einfach wäre. Japaner zählen anders. Wie, das hängt vom Gegenstand ab. Zwei Blätter Papier werden beispielsweise anders gezählt als zwei Flaschen Wasser. Außerdem zählen Japaner mit einer Hand von eins bis zehn: Von eins bis fünf werden die Finger nach unten geknickt, von sechs bis zehn werden sie wieder nach oben ausgestreckt. Jetzt sind alle verwirrt? Dann ab nach Düsseldorf!

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: