Riester-Kleinstrente:Der Staat gibt, der Staat nimmt

Kommt bei Riester-Verträgen eine sehr kleine Rente heraus, gilt: Man kann sich alles auf einmal auszahlen lassen, muss aber auch die gesamte Summe versteuern. Ein Pensionär will das nicht hinnehmen - und telefoniert mit Walter Riester.

Von Jan Willmroth

Natürlich geht es ihm auch um sein Geld. Um die 7803 Euro, die Horst Kluge* in den vergangenen fünf Jahren bei seiner örtlichen Sparkasse in einem Riester-Vertrag angespart und die er jetzt, im Alter von fast 65 Jahren, kassiert hat. Da er mit seiner monatlichen Rente unter einem Grenzwert geblieben wäre, durfte er sich den ganzen Betrag mit einem Mal auszahlen lassen, Kapitalabfindung heißt diese Variante. Das tat er auch - und muss nun alles zusammen versteuern: die Zinsen, die staatlichen Zulagen und die Einzahlungen. Sein Einkommensteuersatz wird dadurch im Vergleich zum vergangenen Jahr steigen. "Da bleibt nichts übrig", sagt Kluge, "sogar ein Teil meiner Eigenleistung wird an den Staat zurückfließen".

Er begann zu tun, was in seiner Macht steht

Wenn es ihm nur um sein eigenes Geld ginge, hätte sich der Pensionär nicht so aufgeregt. Er ist aber nicht allein mit dem Problem - und wenn Kluge etwas ungerecht findet, kümmert er sich. Das Ergebnis seiner Sparanstrengungen heißt im Fachjargon Kleinstbetragsrente und meint monatliche Rentenzahlungen, die besonders niedrig sind. Kluge hätte mit etwa 22 Euro pro Monat rechnen können. Da der Verwaltungsaufwand bei einer monatlichen Rentenzahlung solch kleiner Beträge aber enorm wäre, hat der Gesetzgeber eine Ausnahme zugelassen: Wer mit der Auszahlung seines Riester-Vertrags unter einem Prozent der durchschnittlichen gesetzlichen Jahresrente in Westdeutschland bleibt, darf sich den gesamten Betrag auf einmal auszahlen lassen. Diese Obergrenze wird jedes Jahr angepasst und liegt aktuell bei 27,65 Euro pro Monat. Kluge fand das praktisch: Lieber 7800 Euro auf dem Konto als einen monatlichen Kleckerbetrag.

Er begann zu tun, was in seiner Macht steht: Meldete sich bei seinem Finanzamt, der Verbraucherzentrale, später bei Bundesarbeits- und Bundesfinanzministerium. An einem Sonntag im November schrieb Kluge eine Mail an Walter Riester, den Namensgeber der viel kritisierten Rentenverträge, SPD-Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bis 2002 und noch Jahre danach Bundestagsabgeordneter. Und der rief prompt zurück. Er empfahl Kluge, bei der Sparkasse auf Kulanz zu hoffen und die Auszahlung rückgängig zu machen. Genauso wenig, wie er wusste, dass er den gesamten Betrag versteuern muss, kannte Kluge nämlich auch die dritte Möglichkeit nicht: Bei Kleinstrenten kann man sich den Betrag auch jährlich auszahlen lassen. Steuerlich wäre das deutlich vorteilhafter.

Riester gibt aber zu bedenken: "Der Durchschnittsrentner wird bei einer solchen Kleinstrente keine oder nur sehr geringe Steuern zahlen müssen." Wer als Rentner sowieso kaum Einkommen zu versteuern hat, profitiert also direkt. Genau deswegen hält er die Möglichkeit der Kapitalabfindung bei den Kleinstrenten für sinnvoll. "Diese Regelung ist meines Erachtens gut gemacht", sagt er, "nur sollten die Berater ihren Kunden auch sagen, welche Möglichkeiten sie haben." Kluge hat nicht das Gefühl, umfassend aufgeklärt worden zu sein. Mit Fragen der Besteuerung kenne sich seine Sparkasse nicht so gut aus.

Leichtathletik Deutsche Meisterschaft Senioren

Deutsche Senioren-Mehrkampfmeisterschaften: Wer sich seine Riester-Kleinstrente direkt voll auszahlen lässt, sollte vorher genau rechnen.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Nun kommt er, der im vergangenen Jahr etwa 14 Prozent Steuern auf seine Altersbezüge zahlen musste, noch einigermaßen gut weg. Schwierig wäre es, wenn Kluge nicht schon zuvor frühpensioniert gewesen wäre. Mit dem Steuersatz seines letzten Berufsjahrs würde jetzt mehr als ein Drittel des Betrags in dem Sparplan wieder an den Staat zurückfließen - im Fall seiner Einzahlungen Geld, das bereits versteuert ist. Wer im Netz stöbert, findet so manchen Fall, in dem sich ein Arbeitnehmer im letzten Jahr seines Berufs eine Kleinstbetragsrente auszahlen lässt und sich wundert, dass seine Steuerlast steigt. Walter Riester sieht da keinen Reformbedarf - im Gegenteil: "Das Ganze hat den Sinn, die monatliche Rentenzahlungen anzuheben. Nicht den einer Kapitalanlage. Das missverstehen viele." Würde der Staat nicht fordern, die gesamte Summe zu versteuern, wäre der Charakter einer Rentenzahlung völlig weg, sagt er. Es sollte eben keine Subvention von Vermögensanlagen werden.

Jetzt wartet der Rentner auf eine Antwort aus Berlin

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, nicht gerade bekannt als der größte Unterstützer von Riester-Angeboten, rät dazu, genau hinzuschauen, welche Variante steuerlich am günstigsten ist. In Kluges Fall sei es gut, dass er sich für einen Sparplan entschieden habe. "Wer wenige Jahre vor Rentenbeginn einen Riester-Vertrag abschließt, für den ist in der Tat ein Banksparplan die richtige Entscheidung", sagt Ralf Scherfling, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale. Einen solchen Vertrag schließe man nicht zuletzt ab, weil einem die staatliche Förderung wichtiger sei als Flexibilität. Wer dann aber eine Kleinstrente vermeiden wolle und sich wie Kluge für die Kapitalabfindung entscheide, müsse eben damit leben, dass der Staat sich einen Großteil der Förderung zurückholt.

Oder eben mehr als die Förderung, wie bei Kluges Vertrag. "Ich verspreche mir nicht viel von meinen Anfragen", sagt er. Trotzdem wartet er jetzt geduldig auf eine Antwort von den Berliner Ministerien. Vielleicht ist jemand seiner Meinung.

*Name geändert

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