Flüchtlinge im Hungerstreik:Hilferuf der Verzweifelten

Flüchtlinge im Hungerstreik: Flüchtlinge im Hungerstreik am Sendlinger-Tor-Platz

Flüchtlinge im Hungerstreik am Sendlinger-Tor-Platz

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Tagelang verweigern die Flüchtlinge auf dem Sendlinger-Tor-Platz das Essen, dann trinken sie auch nichts mehr. Für sie ist der Hungerstreik das letzte Mittel, sich Gehör zu verschaffen. Bayerische Minister sagen, sie haben ein Problem mit der Aktion. Doch das Problem sind sie.

Kommentar von Bernd Kastner

Ein Hungerstreik ist das letzte Mittel, sich Gehör zu verschaffen. Wer dazu greift, riskiert auch, seinem Anliegen durch negative Schlagzeilen zu schaden. Er riskiert aber vor allem seine Gesundheit. Gerade passierte das wieder am Sendlinger Tor, wo gut 30 Flüchtlinge seit Samstag nichts mehr aßen und seit Mittwoch nichts mehr tranken. Wenn die bayerischen Minister Joachim Herrmann und Marcel Huber darin ein "Spektakel" sehen, für das sie "null Verständnis" haben, dann zeigt das, dass sie noch immer nicht verstanden haben. "Ich habe ein Problem damit", sagt Huber über die Aktion. Mag sein. Vor allem aber sind solche Minister das Problem.

Die Ursache für den Hungerstreik sind nicht Egoismus oder maßlose Wünsche der Geflohenen. Sie fordern kein Schlaraffenland, auch wenn Ministerpräsident Seehofer Bayern als "Vorstufe zum Paradies" preist. Sie verlangen Sicherheit vor Krieg, Gewalt und Verfolgung, und sie erwarten eine menschenwürdige Unterbringung. Auf beides warten viele vergeblich. Ohne Bleiberecht leben sie jahrelang in Angst vor Abschiebung, allzu oft in schmuddeligen, überfüllten, abgelegenen Sammelunterkünften. Traumatisierte genesen nicht, sie werden dauerhaft krank gemacht.

Für diese Art der Willkommenskultur ist die Staatsregierung verantwortlich. Das bemerken auch viele Staatsbürger, die sich in unerwartet großem Maß für Flüchtlinge engagieren. Sie versuchen, die von Seehofers Regierung und ihres Apparates gerissenen Betreuungs- und Versorgungslücken zu schließen.

Das jüngste Chaos in der Bayernkaserne ist nur das augenfälligste Beispiel für systematischen Mangel. Solange die Asylpolitik eine Abwehrpolitik bleibt, im Bund wie in Bayern, solange müssen die Regierenden mit weiteren radikalen Aktionen wie dem Hungerstreik rechnen. Er ist kein Spektakel. Er ist ein Hilferuf der Machtlosen und Verzweifelten.

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