Flüchtlinge in München:Hetzer im Netz

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In Eschenhof in Zorneding leben junge Flüchtlinge, die ohne ihre Familien nach Deutschland gekommen sind. (Foto: Christian Endt)

Eine islam- und fremdenfeindliche Internetseite macht Stimmung gegen die Betreuung junger Asylbewerber in Zorneding. Dem Staatsschutz sind die Autoren bekannt - doch es ist fraglich, ob sie belangt werden können.

Von Anne Schinko, Zorneding

Seit Angela Baldus, die Schulleiterin der Grundschule Zorneding, den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen vom Eschenhof ein freies Klassenzimmer in ihrer Schule zur Verfügung gestellt hat, gab es reichlich positive Rückmeldungen. Viele Eltern hätten sich per E-Mail an die Schule gewandt und ihre Zustimmung über dieses "Unterstützungsangebot der Schule" bekundet, sagt die Schulleiterin. Und auch die Kinder seien ganz angetan von ihren neuen Mitschülern und unglücklich darüber, dass es bisher noch eher wenig Kontakt gegeben habe. "Sogar eine gemeinsame Pause wünschen sie sich", sagt Baldus. Doch es gab auch andere Reaktionen, die nicht aus den Reihen der Eltern kamen: E-Mails mit radikalen und fremdenfeindlichen Inhalten, die von Menschen aus ganz Deutschland an die Schulleitung versandt worden sind. Mit dieser Post beschäftigt sich jetzt der Staatsschutz.

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Angefangen hatte alles mit einem Brief der Schulleiterin an die Eltern: Darin hatte sie am 10. November darüber informiert, dass sie - mit Zustimmung des Elternbeirats und des gesamten Kollegiums - ein leer stehendes Klassenzimmer den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die im Eschenhof leben, zur Verfügung stellen wolle. Am Tag darauf wurde auf einem als äußerst islam- und fremdenfeindlich bekannten Weblog unter der Kategorie "Asyl-Irrsinn" ein rassistisch verfasster Artikel über die Flüchtlinge an der Grundschule in Zorneding veröffentlicht.

Die Artikel sind nicht strafbar

Der Elternbrief wurde hier, so Baldus, "aus dem Zusammenhang gerissen und in veränderter Form" zitiert. Ebenso finden sich auch Passagen eines Artikels der Süddeutschen Zeitung, die von der Auseinandersetzung zwischen den Flüchtlingen in Zorneding berichtet hatte, im Blog wieder. Am Ende folgt ein Aufruf, sich an die Schulleitung in Zorneding zu wenden - und sich "trotz aller Kontroversen in der Sache um eine höfliche und sachlich faire Ausdrucksweise" zu bemühen. Die Kommentare zum Artikel auf der Internetseite sprechen allerdings eine eindeutige Sprache und lassen ahnen, wie die Nachrichten aussahen, die danach bei der Schulleitung eingingen - von Sachlichkeit und Höflichkeit merkt man hier nichts. Betreiber der Internetseite ist eine islamfeindliche Gruppierung, die 2008 in München gegründet wurde.

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Gerhard Karl, Leiter der Abteilung Staatsschutz bei der Kriminalpolizei Erding, kennt die Gruppe und die Internetseite, ebenso wie Michael Stürzenberger, einen der Initiatoren und aktivsten Autoren. Seine Aktivitäten werden bereits seit längerem vom Verfassungsschutz beobachtet. Strafrechtlich relevante Aktivitäten - wie etwa Volksverhetzung - konnten ihm allerdings bisher noch nicht nachgewiesen werden. Daher sieht Karl auch im aktuellen Fall wenig Möglichkeiten, wie er erläutert: Es handle sich um eine Grauzone. Die E-Mails und Kommentare, aber auch der Artikel selbst erfüllten noch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung und seien damit nicht strafbar.

Alle Unterlagen wurden dennoch an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die nun klärt, ob weiter ermittelt werden soll. "Wahrscheinlich ist das aber nicht", sagt Karl. Doch nicht nur die jugendlichen Flüchtlinge wurden diskriminiert, auch Rektorin Angela Baldus und Angelika Burwick, die Vorsitzende des Arbeitskreises Asyl der Gemeinde Zorneding, mussten sich Beleidigungen aussetzen, die sie zur Anzeige bringen könnten - wenn sie es wollten. Doch das ist bei beiden Frauen nicht der Fall: Burwick verzichtet auf eine Stellungnahme, um "diesen Idioten nicht noch mehr Aufmerksamkeit zuteil kommen zu lassen", und auch Baldus sieht von einer Anzeige ab. Sie wolle dadurch den Unruhestiftern nicht zusätzliche Bedeutung verleihen, sagt sie. Unklar ist, wie die rechtsextremen Hetzer an den Elternbrief gekommen sind: Denn das Dokument war nicht öffentlich, nur mit einem Passwort konnte es abgerufen werden.

Das Engagement der Schule bleibt

Strafrechtlich relevant könnte hingegen ein Brief sein, der vor mehr als zwei Wochen bei der Gemeinde Zorneding einging. Hier handelte es sich um ein teilweise vorgefertigtes Schreiben, wie Karl bestätigt. Manche der Seiten seien noch mit dem Jahr 2010 datiert gewesen. Es soll sich hierbei um eine Hetzschrift gehandelt haben, die gegen diverse gesellschaftliche Gruppen vorgegangen war, jedoch mit keinem Wort Bezug auf die Flüchtlings-Situation in Zorneding genommen hatte. Einzig der Briefumschlag sei aufgrund einer Aufschrift mit den Vorfällen in Zorneding in Verbindung zu bringen. Ein Ermittlungsverfahren gegen Volksverhetzung läuft bereits. "Von einer Geldstrafe bis zur Freiheitsstrafe von drei Jahren können derartige Straftaten geahndet werden", sagt Karl. Auch einen Verdächtigen gibt es schon. Seit der Ankunft von Flüchtlingen vor einem Jahr habe es aber keinen Anstieg an xenophoben oder rechtsradikalen Beschwerden gegeben. Solche Briefe gebe es eben immer mal wieder, sagt Karl.

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In der Schule lässt man sich von derartigen Störmanövern einzelner jedenfalls nicht im Engagement bremsen, und auch im Eschenhof ist längst Ruhe eingekehrt. Nach dem Konflikt vor etwa einem Monat wurden die ethnischen Gruppen getrennt. Die arabischen Jugendlichen wurden in eine andere Unterkunft verlegt, die Zahl der Betreuer in Zorneding wurde erhöht. Die 15 afrikanischen Flüchtlinge, die jetzt noch hier wohnen, erhalten nun Deutschunterricht, hierfür stellt das Münchner Stadtjugendamt eine Lehrkraft zur Verfügung. Unterrichtet werden die jungen Leute seit etwa zwei Wochen im freien Klassenzimmer der Grundschule "So motivierte Schüler wünsche ich euch auch", wiederholte Baldus die Worte von Miriam Plasa, die die Jugendlichen im Auftrag der Diakonie Rosenheim in Deutsch unterrichtet. Die jungen Flüchtlinge würden mit ihren Büchern ins Bett gehen, man müsse sie ihnen sogar wegnehmen, damit sie schlafen könnten.

© SZ vom 28.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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