"Magic in the Moonlight" im Kino:Verliebt in eine Hexe

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Hat sie magische Kräfte? Emma Stone verhext in "Magic in the Moonlight" unter südfranzösischer Sonne die Männer. (Foto: Warner)

Woody Allen veranstaltet großen Hokuspokus in Südfrankreich: In "Magic in the Moonlight" will er der Spiritistin Emma Stone auf die Schliche kommen.

Von David Steinitz

Sieht man sich auf Netflix den vorvorletzten Woody-Allen-Film "Midnight in Paris" an, der eine schöne Einstimmung auf seinen neuen Film "Magic in the Moonlight" ist, weil beide in Frankreich im Zigarettennebel der Zwanzigerjahre spielen, hat der Streaming-Dienst nach dem Abspann eine Frage. "Sehen Sie sich gerne Zeitreisefilme an?", will sein Empfehlungs-Algorithmus für personalisierte Filmvorschläge wissen.

Das ist zwar als Filmgeschmacksmaßstab so merkwürdig, dass Filmkritiker zumindest mittelfristig darauf hoffen können, nicht durch einen Algorithmus-Automaten ersetzt zu werden. Aber das Genre "Zeitreisefilm" ist tatsächlich keine schlechte Kategorisierung für Woody Allens Werk - auch jenseits seiner Frankreich-Nostalgietrips.

Seine Filme, die alten wie die neuen, spielen allesamt in einer irgendwie aus der Zeit gefallenen Parallelwelt, selbst wenn sie in der Gegenwart angesiedelt sind. Hat es das New York aus dem "Stadtneurotiker" und "Manhattan" wirklich je gegeben? Oder waren diese Filme nicht bereits zu ihrem Entstehungszeitpunkt zärtliche Behauptungen eines Sehnsuchtsorts, der kurz zuvor von Scorseses "Taxi Driver" schon gnadenlos entzaubert wurde?

Dieses Entrücktsein selbst im Hier und Jetzt wird zwar zum Problem, wenn Allen seine Filme gewollt zeitdiagnostisch angeht. So wie im vorigen Jahr sein missglückter Versuch, mit Cate Blanchett in "Blue Jasmine" eine Art 2.0-Version von "Endstation Sehnsucht" zu inszenieren. Ansonsten aber sind seine neurotischen Paralleluniversen, in denen er der Idee der romantischen Liebe hinterherrennt und doch gleichzeitig an ihrer Nichtexistenz verzweifelt, seit bald fünfzig Jahren und fünfzig Regiearbeiten der Grund, warum er so verehrt wird.

Nur stellt sich angesichts dieser alten Erfolgsformel mit "Magic in the Moonlight" die Frage: Kann dem Chefskeptiker Woody Allen ein Film über Magie gelingen?

Die Geschichte beginnt mit dem Engländer Stanley (Colin Firth), der verkleidet als chinesischer Zauberkünstler in einem verruchten Berliner Varieté im Jahr 1928 hübsche Fräuleins auseinandersägt und Elefanten verschwinden lässt. Dann wird der gewitzte Magier, der an nichts weniger glaubt als an die Existenz echter Magie, zu einem Noteinsatz gerufen. Ein Freund bittet ihn nach Südfrankreich, wo in einem Landhaus an der glitzernden Côte d'Azur die hübsche Amerikanerin Sophie (Emma Stone) spirituelle Sitzungen abhält und mit den Toten spricht - Stanley soll sie als Scharlatanin entlarven. Doch die Tricks des Mädchens lassen sich einfach nicht bloßlegen - kann es wirklich hellsehen?

Allen hat sich für diesen Film lose vom legendären Zauberkünstler Harry Houdini inspirieren lassen. Der wurde kurz nach der Jahrhundertwende erst in Europa, dann in den USA zum gefeierten Star. 1920 schrieb er das sehr lustige Buch "Miracle Mongers and Their Methods", in dem er alle großen Zaubertricks vom Schwertschlucker bis zur Schlangenlady verriet und den Kollegen gute Tipps gab. Zum Beispiel sei es viel effektvoller, statt eines Schwerts eine Glühbirne zu schlucken, denn die könne das Publikum im Bauch des Künstlers leuchten sehen, wenn das Licht korrekt gedimmt werde. Houdini war aber auch ein besessener "Anti-Spiritist": Er reiste angeblich echten Zauberern, Hexen und Medien hinterher, um sie als Schwindler bloßzustellen - und beriet zeitweise den US-Kongress in Geisterfragen.

In diesem Sinne ist er das ideale Alter Ego für Woody Allen: Beide bringen romantische Zaubereien unters Volk, beide beherrschen die Tricks ihrer Zunft ganz meisterlich - und beiden sind ihre eigenen Überwältigungsmechanismen nicht ganz geheuer, weshalb sie sie ständig relativieren müssen.

Colin Firth ist ein wunderbarer Allen-Avatar - aber passen Magie und Skeptizismus zusammen?

Mit Colin Firth als Zauberer Stanley, der in Wahrheit Houdini ist, der in Wahrheit Woody Allen ist, müsste Allen also eigentlich ein Meisterstück der Selbstumkreisung gelingen. Tatsächlich ist Firth auch ein wunderbarer Allen-Avatar, der lieber in der dunklen Stube Kartentricks übt, als draußen die südfranzösische Sonne zu genießen, und der die neurotische Autopsychoanalyse sehr pointiert, aber ohne allzu große Zappeligkeit spielt.

Und dann ist da natürlich Emma Stone als bezaubernde Spiritistin unter Fake-Verdacht: Sie hält im dunklen Salon eindrucksvolle Séancen mit schwebenden Kerzen ab, Stanley kann es nicht fassen. Wirklich unschlagbar wird ihre Hexerei aber erst dann, wenn der Mittelmeerwind ihr durch die halblangen roten Haare pustet und an ihrem gelben Sommerkleid zerrt, während sie mit rauchiger Stimme ihren zahlreichen Verehrern Contra gibt.

Die Jungs halten's kaum noch aus, ein neureicher Jungamerikaner stellt ihr ununterbrochen mit seiner Ukulele nach und trällert selbst komponierte Liebeslieder. Natürlich verliebt sich auch Stanley in diese Hexe.

Das Dumme ist nur: Weil Allen sich in Houdini-Tradition strikte Entzauberung verordnet hat, bleibt die Liebschaft zwischen den beiden ein stets offensichtlicher Zaubertrick der Dramaturgie. Zu dessen Desillusionierung auch der nie thematisierte Altersunterschied zwischen den beiden Darstellern beiträgt, die immerhin drei Jahrzehnte auseinander sind.

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Dabei hat Allen sich selbst in seinen großen Skeptizismus-Klassikern immer noch zumindest eine Portion Restmagie geleistet. So konnte das neurotische Figurenpersonal zusammengeführt werden, ohne dass die Filme unter ihrer dramaturgischen Konstruktion geächzt hätten. Seine Meisterstücke lebten von der Nichtauflösung der ewigen Allen-Dialektik, ob man sich für dieses kurze, triste Menschenleben in eine zauberhafte Illusion flüchten sollte oder ob doch irgendwie alles wurscht ist. Diesmal, auf den Spuren echter Zauberei, hat er die Frage leider eindeutig beantwortet.

Magic in the Moonlight , USA/Frankreich 2014 - Regie, Buch: Woody Allen. Kamera: Darius Khondji. Mit: Colin Firth, Emma Stone. Warner, 97 Minuten.

© SZ vom 03.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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