Rauchen im Job:Schal und Rauch

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Vom coolen Outlaw zum Außenseiter mit Selbstdisziplin-Dezifit: Der rauchende Arbeitnehmer hat ein Imageproblem. (Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

Selbst überzeugte Nichtraucher haben mittlerweile Mitleid mit Rauchern. Zumal im Winter. Da besteht der Arbeitsalltag von Qualmern aus Entzug, Erfrierungen - und sozialer Kälte.

Von Johanna Bruckner

Raucher sind eine aussterbende Spezies. Das ist nicht zynisch gemeint, sondern schlicht eine Beobachtung. Seit 2007 sind bundesweit Gesetze in Kraft, die die überall praktizierbare Angewohnheit in einen planungsintensiven Akt verwandelt haben. Es ist schlicht unbequem geworden, Raucher zu sein, nicht zuletzt im Job.

Gut möglich, dass auch der Trend zur gesundheitlichen Selbstoptimierung eine Rolle spielt: Auffällig ist jedenfalls, dass der Raucher-Schwund mit einer Schwemme an Neu-Veganern und Low-Carb-Jüngern in der Kantine einhergeht. Mancher Arbeitnehmer sehnt sich beim Gedanken daran fast ein bisschen in stinkende, stillschweigende Dunstschwaden zurück. Und viele empfinden Mitleid beim Anblick jener seltenen Exemplare, die dieser Tage zitternd vor dem Bürogebäude stehen und das Nikotin durch Wollhandschuhe ziehen.

Beim Versuch, Körper und Kippe vor dem Dezemberwind zu schützen, verschmilzt der Raucher fast mit dem Gebäude. Oder versteckt er sich vor dem Chef? Denn das Image des Rauchers ist nur noch in der Zigarettenwerbung - und vielleicht auf versteckten Ecken des Schulhofs - das des coolen, freiheitsliebenden Outlaws. In der neuen rauchfreien wie leistungsorientierten Arbeitswelt gilt er bei Vorgesetzten und Kollegen bestenfalls als Außenseiter mit mangelnder Selbstdisziplin. Im schlechtesten Fall als Gesetzloser, der während der Arbeitszeit seinem Laster frönt.

Raus, Flamme, erster Zug, Seligkeit

Mehrmals am Tag erhebt er sich aus seinem Schreibtischstuhl, murmelt "IchbinmalkurzunteneinerauchenHandyhabichdabeifallswasis" in Richtung der Kollegen und verschwindet. Wer ganz mutig ist - oder in fünf Minuten zwei Zigaretten durchzieht -, hat bereits im Aufzug die Kippe im Mund und das Feuerzeug in der Hand. Raus, Flamme, erster Zug, Seligkeit. Bis Kälte und schlechtes Gewissen das Wohlgefühl überlagern. Dann treibt es den Raucher zurück ins Büro - bis die Entzugserscheinungen erneut beginnen.

Aber es ist ja nicht nur diese selbstverschuldete Qual! Mancherorts werden die letzten verbliebenen Qualmer gnadenlos zur Schau gestellt: Zusammengepfercht stehen sie in Räucherhäuschen hinter dem Büroturm, von Freigehege zu sprechen, wäre Euphemismus. Dort hält sich die Gefahr von Erfrierungen zwar in Grenzen, dafür ist die soziale Kälte umso größer.

Aus für "Herberts Havanna Lounge"

Nichtrauchende Kollegen, die einst aus Prestigegründen (siehe Schulhof) die Nähe von Rauchern suchten, halten heute Abstand. Kollegen wie den SZ-Magazin-Autor Tobias Haberl haben die wenigsten Raucher. Der duldete seinen ketterauchenden Kollegen Alexandros Stefanidis nicht nur, er konnte dem Laster seines Gegenübersitzers nach eigener Aussage sogar etwas Positives abgewinnen: "Es ist halt so, dass ich ihm gegenüber wunderbar vergessen kann, dass es ein Büro ist, in dem wir sitzen. Jeder Montagmorgen fühlt sich an wie ein Freitagabend." Nur: Vor einiger Zeit ist Stefanidis zu einem Konkurrrenten abgewandert. Auch das Stockwerk des SZ-Magazins ist nun rauchfrei.

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Beliebte wie diabolische Alternative zum vollverglasten Pranger sind Raucherzimmer. Dort halten es selbst stolze Schwarzlungen wie Herbert Napp kaum aus - ohne Luft ist es eben auch die Liebe zur Fluppe nichts. Der als "Vesuv von Neuss" bekanntgewordene Bürgermeister der Stadt in NRW hatte in Helmut Schmidt'scher Manier für seine Amtsstube sämtliche Nichtraucherschutzgesetze außer Kraft gesetzt, an der Tür gar eine Plakette mit der Aufschrift "Herberts Havanna Lounge" angebracht. Bis er bei der zuständigen Bezirksregierung verpetzt und in ein Raucherzimmer verbannt wurde.

Da ist sie wieder, die soziale Kälte.

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