Diren-Prozess:Todesschütze schuldig gesprochen

Diren-Prozess: Markus Kaarma während der Urteilsverkündung

Markus Kaarma während der Urteilsverkündung

(Foto: AP)
  • Markus Kaarma ist wegen der vorsätzlichen Tötung des deutschen Austauschschülers Diren D. von einem Geschworenengericht in Montana schuldig gesprochen worden.
  • Das Strafmaß wird erst in ein paar Wochen verkündet. Ihm drohen aber mindestens zehn Jahre Haft.
  • Diren D. war in die Garage von Kaarma in Missoula eingedrungen und von diesem erschossen worden. Die Geschworenenjury musste nun entscheiden: Mord oder Notwehr?

Das Urteil

Es war ein Moment unerträglicher Spannung. "Sind Sie zu einem Urteil gelangt", fragte Richter Ed McLean die Jury im Bezirksgericht von Missoula, Montana. "Ja, Euer Ehren", sagte die Sprecherin der Jury, und übergab dem Richter ein weißes Blatt Papier. Richter McLean reichte es an die Urkundsbeamtin weiter. "Wir, die Jury, befinden Markus Kaarma eines Verbrechens der vorsätzlichen Tötung für schuldig", verlas sie. Das Wort "guilty" war noch kaum ausgesprochen, da ging ein Aufschrei durch den überfüllten Gerichtssaal. Es war ein Aufschrei der Erleichterung. Viele Zuschauer klatschten. Viele Menschen kamen auf Diren D.s Eltern zu und umarmten sie.

Im Prozess um die Todesschüsse auf den deutschen Austauschschüler Diren D. in Missoula ist der Täter schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen im US-Bundesstaat Montana entschieden am Mittwoch nach zwölfstündigen Beratungen, dass der Hausbesitzer Markus Kaarma den 17-Jährigen im April in seiner Garage vorsätzlich tötete. "Ich ordne an, dass Markus Kaarma dem Sheriff übergeben wird", sagte Richter McLean. Zwei Gerichtswachtmeister führten den Angeklagten aus dem Saal.

Das Strafmaß

Über das Strafmaß bestimmt allein Richter Ed McLean in einem eigenen Verfahren, das mehrere Wochen dauern kann. Vorsätzliche Tötung kann in Montana mit dem Tod oder mit einer Freiheitsstrafe von zehn bis hundert Jahren geahndet werden. Die Todesstrafe kommt allerdings in diesem Fall angesichts der Tatumstände nicht in Frage.

Die Schlussplädoyers

Am Dienstag hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussvorträge gehalten. Diren D.s Tod durch die Schüsse von Markus Kaarma sei eine Hinrichtung gewesen, sagte die Staatsanwältin. Die Verteidigung erklärte hingegen, Diren habe "nichts Gutes im Schilde geführt" und forderte einen Freispruch für den Angeklagten. Anschließend zogen sich die zwölf Geschworenen zur Beratung zurück. Sie mussten entscheiden: Mord oder Notwehr?

Der Fall Diren

Diren D., Sohn einer türkischstämmigen Familie aus Hamburg, wurde nur 17 Jahre alt. Er war Austauschschüler in Missoula im US-Bundesstaat Montana. In der Nacht zum 27. April war er mit einem Freund in dem Wohnviertel unterwegs gewesen, in dem sowohl seine Gasteltern als auch der Todesschütze Kaarma mit seiner Familie leben.

Nach Aussage des Freundes war das Betreten einer fremden Garage für Diren eine Mutprobe. Doch Kaarma, bei dem bereits mehrfach eingebrochen worden war, hatte dort Bewegungsmelder und eine Videokamera installiert und die Tür halb offen gelassen. Als er den Eindringling bemerkte, nahm er seine Schrotflinte, schoss viermal in die Garage und traf Diren D. tödlich am Kopf.

Der Prozess

Die Anklage lautete auf "deliberate homicide", vorsätzliche Tötung. Die Staatsanwaltschaft glaubte, genügend Beweise dafür zu haben, dass Kaarma den Schüler vorsätzlich getötet hat. "Er flehte um sein Leben", sagte die Staatsanwältin zum Prozessauftakt. "Notwehr ist absurd." Anders sah es die Verteidigung: Sie stützte sich auf das Notwehrrecht, das in vielen amerikanischen Bundesstaaten großzügiger ausgelegt wird als in Deutschland. "Diese junge Familie hatte Angst", beteuerte der Verteidiger. "Woher sollten sie wissen, dass der nächste Einbrecher nicht bewaffnet war?"

Zeitgleich zum Prozess war im US-Bundesstaat Montana eine Diskussion über das Notwehrrecht entbrannt. Die demokratische Staatssenatorin Ellie Hill forderte, die sogenannte "castle doctrine" müsse revidiert werden.

Als Hauptbelastungszeugen hatte die Staatsanwaltschaft mehrere Friseurinnen geladen. Kaarma hatte den Friseursalon wenige Tage vor den tödlichen Schüssen besucht und soll den Frauen zufolge gesagt haben, er wolle "ein paar Jugendliche abknallen". Die Verteidigung beschränkte sich im Wesentlichen auf die Anhörung von zwei Sachverständigen, die die Ermittlungen der Polizei kritisierten.

Der Angeklagte

Markus Kaarma selbst hatte in dem Prozess nicht ausgesagt. Die Staatsanwaltschaft zeigte allerdings die Videoaufnahme seiner Vernehmung durch zwei Kriminalbeamte am Morgen nach der Tat. Detective Guy Baker, der die Ermittlungen in dem Fall leitete, sagte, es habe mehrere Ungereimtheiten in der Aussage gegeben, zum Beispiel über die Abfolge der Schüsse, und über die Lichtverhältnisse am Tatort.

Zudem spielte die Staatsanwaltschaft Mitschnitte von Telefongesprächen vor, die Kaarma während der Polizeihaft mit seiner Lebensgefährtin geführt hatte. Auch darin widerspricht er seinen Aussagen in der Vernehmung. "Ich hörte ihn etwas rufen, aber ich bin nicht sicher, was", sagt Kaarma am Telefon. Später sagt er: "Ich habe etwas gesehen. Ich habe gesehen, dass er irgendwas in der Hand hielt."

Über den Tod Direns äußerte er keinerlei Bedauern. "Jedenfalls haben diese Einbrüche jetzt ein Ende", sagt er. "Das war nicht einfach ein 17-jähriger Junge, das war ein Verbrecher. Die Nachbarn sollten froh sein, dass die Gefahr vorbei ist."

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