Jüdisches Lichterfest:Zu Chanukka nach Marokko

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Das jüdische Viertel Mellah von Marrakesch. (Foto: dpa)

Auch in diesem Winter reisen Zehntausende Juden aus aller Welt nach Marokko, um dort Chanukka zu feiern: Sie besuchen das Land, in dem vor 70 Jahren noch die größte jüdische Minderheit in der arabischen Welt zu finden war.

Juden blicken in Marokko auf eine zweitausendjährige Geschichte zurück. Rund 300 000 sollen noch vor 70 Jahren dort als größte jüdische Minderheit in der arabischen Welt gelebt haben. Heute sind nur es noch etwa 5000 - alle anderen sind ausgewandert. Doch zur Zeit pilgern wieder Zehntausende Juden in das muslimische Land, um in der Heimat ihrer Vorfahren das Lichterfest Chanukka zu feiern, das am Mittwoch begonnen hat und am 24. Dezember endet.

Das tun sie trotz Warnungen aus Israel und anderen Ländern vor möglichen extremistischen Übergriffen. Bis zu 140 000 jüdische Touristen aus den USA, Kanada, Israel und anderen Ländern sollen es marokkanischen Angaben zufolge sein, die jedes Jahr in das nordafrikanische Königreich kommen, um dort etwa eines der vielen Gräber jüdischer Heiliger zu besuchen oder eine der antiken Synagogen.

"Sie wollen alles über die Geschichte der Juden in Marokko wissen", sagt Touristenführer M'Barek aus der populären Hafenstadt Essaouira an der Atlantikküste. Auch dort gab es mal eine große jüdische Gemeinde. "Manchmal kommen sie mit ihren Großeltern, die in Marokko geboren wurden."

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Marcel Burkhardt

M'Barek sagt, es reisten immer mehr Touristen auch aus Israel an. Daher hätten sich bereits einige Reiseanbieter auf die jüdische Geschichte spezialisiert. Es sind vor allem die wichtigen Feste, die Juden nach Marokko ziehen - in das Land, dessen König Mohammed VI. stolz darauf ist, in direkter Linie vom Propheten Mohammed abzustammen.

Chanukka (hebräisch: Einweihung) erinnert an die Neuweihe des Tempels in Jerusalem im Jahr 165 v. Chr. Jüdische Kämpfer hatten ihr Land von griechisch-syrischer Fremdherrschaft befreit. Sie wollten ihren Tempel neu weihen durch Anzünden des Menora-Leuchters, der nach Vorschrift ihres Glaubens nie ausgehen darf. Der Legende nach hatten sie nur ein kleines Kännchen geweihten Öls, das aber wie durch ein Wunder acht Tage lang im Leuchter brannte, bis neues Öl gewonnen wurde. Daran erinnert bis heute am Chanukka-Fest das täglich fortschreitende Anzünden der acht Lichter des Chanukka-Leuchters.

Blick in die Bet-El Synagoge in Casblanca (Archivbild). (Foto: dpa)

Einige Kunsthandwerker haben sich in Marokko inzwischen auf die Herstellung solcher Leuchter spezialisiert. Auf Basaren bieten sie diese den Touristen an. Gastronomen reagieren ebenfalls auf die wachsende jüdische Kundschaft. Allein in Casablanca - wo die meisten marokkanischen Juden leben - bieten mehr als 40 Restaurants jüdisch-marokkanische Küche an.

In der Metropole befindet sich auch das einzige jüdische Museum in der arabischen Welt - gegründet von dem inzwischen verstorbenen Simon Levy, Kommunist, Universitätsprofessor und einer der bekanntesten Vertreter der Juden Marokkos.

Die traditionellen jüdischen Viertel, Mellah genannt, sind indes heute überwiegend von Muslimen bewohnt. Junge Juden gibt es in Marokko kaum. In den vergangenen Jahrzehnten sind viele - wegen der Gründung Israels, den arabisch-israelischen Kriegen und ihren Folgen - abgewandert. Es sind vor allem die Armen und Mittellosen, die zurückblieben.

Ein Mann steht in der Synagoge von Marrakesch. (Foto: dpa)

In Marrakesch gibt es gerade noch 170 marokkanische Juden, viele sind mehr als 70 Jahre alt. Der Präsident der jüdischen Gemeinde von Marrakesh und Essaouira, Jacky Kadoch, sagt jedoch: "Marokkanische Juden sind stolz auf ihre marokkanischen Wurzeln, wo immer sie auch sind."

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© SZ.de/dpa/Abdel Mohsin el-Hassouni - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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