Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen:Von wegen selber schuld

Kindertagesstätte Leipzig

Manche Menschen erziehen lieber Kinder als Flugzeuge zu fliegen - und sollten das dann auch machen.

(Foto: dpa)

Frauen arbeiten lieber Teilzeit im Kindergarten als Vollzeit im Ingenieursbüro, verhandeln schlecht und streben nicht in Führungspositionen? Vielleicht. Aber dass Männer deutlich mehr verdienen, hat trotzdem andere Ursachen. Die gilt es zu ändern.

Kommentar von Barbara Galaktionow

Ist Transparenz die Lösung? Oder müssen sich die Frauen einfach mal schlauer anstellen? Mit einem Gesetz zur Entgeltgleichheit will Familienministerin Manuela Schwesig Gehaltsunterschiede in den Unternehmen offenlegen - und so dafür sorgen, dass sich der enorme Unterscheid zwischen den Einkommen von Männern und Frauen verringert.

Denn der ist in Deutschland so groß wie in fast keinem anderen europäischen Land - und das seit Jahren. Frauen verdienen in Deutschland etwa 22 Prozent weniger als Männer, in der EU ist die Kluft nur in Österreich und Estland noch größer (hier eine Tabelle des Statistischen Bundesamts). Das liegt zu einem großen Teil daran, dass Frauen in schlechter bezahlten Berufen arbeiten und weniger häufig in Führungspositionen sind.

Sind die Frauen also selbst schuld an ihrer Misere? Das mag zum Teil richtig sein. Wirtschaftswissenschaftlern zufolge machen sich Frauen oft zu wenig Gedanken um ihre Finanzen.

Auch der Vorwurf, sie gingen zu unbedacht in Babypausen, mag zutreffen - wenn auch sicherlich nicht für alle Frauen. So wäre beispielsweise ein Rückkehrrecht in Vollzeit durchaus ein Punkt, den junge Mütter, die in Teilzeit wechseln, mit ihrem Arbeitgeber individuell verhandeln könnten - wenn sie sich denn rechtzeitig Gedanken darüber machen.

Ja, wer soll denn als Erzieher arbeiten?!

Andere oft vorgebrachte Argumente, mit denen Frauen für ihr schlechtes Einkommen selbst verantwortlich gemacht werden, haben zumindest eine Kehrseite. Denn vielleicht zeigen sich Arbeitnehmerinnen in Gehaltsverhandlungen weniger fordernd als ihre männlichen Kollegen. Allerdings kann die bloße Imitation männlichen Verhaltens auch nach hinten losgehen. Denn Frauen agieren ja nicht im luftleeren Raum, sondern innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Umfelds - das an Frauen eben andere Erwartungen stellt als an Männer.

Oft ist auch zu lesen, Frauen strebten ja in schlecht bezahlte Berufe - und dürften sich dann nicht wundern, wenn ihr Einkommen so mies sei. Sie sollten doch Ingenieurin und Bankerin werden anstatt Krankenschwester oder Erzieherin. Ein absurder Vorschlag. Es stimmt, soziale Berufe werden fast durchweg schlecht bezahlt. Nur kann sich eine Gesellschaft deshalb doch nicht wünschen, dass sie keiner mehr ausübt. Die Forderung muss hier lauten: Mehr Geld für diese Jobs!

Wer wirklich etwas dazu beitragen möchte, die Gehaltsdifferenz zwischen den Geschlechtern zu mindern, muss an einem anderen Punkt angreifen. Und an dem geht es weniger um individuelle Schuldzuweisungen als darum, an einer gesamtgesellschaftlichen Realität zu rütteln, die oft recht altbacken daherkommt.

Mehr Arbeit für Frauen, mehr Familie für Männer

Das Problem liegt hier: Die Einkommen von Männern und Frauen entwickeln sich etwa ab einem Alter von 30 Jahren auseinander - also etwa ab dem Alter, in dem Frauen statistisch gesehen ihr erstes Kind bekommen (siehe hierzu einen Gastbeitrag für die SZ). Und obwohl sich vor allem Eltern kleiner Kinder zunehmend eine gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbsarbeit und Kümmern um die Familie wünschen, lebt nur eine verschwindend geringe Minderheit dieses Modell, wie Studien in den vergangenen Jahren immer wieder zeigten (zuletzt hier).

Die Gründe: Kinderbetreuung ist oft schwierig zu organisieren, Frauen legen mit der Geburt sowieso eine Arbeitspause ein, Männer verdienen vielleicht jetzt schon mehr und werden zudem schief angesehen, wenn sie in Teilzeit gehen.

Nicht: beide Vollzeit - sondern: beide Teilzeit

Deshalb sieht die Wirklichkeit so aus: Männer arbeiten Vollzeit oder mehr, machen berufliche Erfahrungen, erwerben Kompetenzen und machen Karriere. Frauen kümmern sich um die Kinder, arbeiten meist Teilzeit und fallen beruflich hinter die Männer zurück, mit all den negativen Begleiterscheinungen: Karriereknick, weniger Einkommen, weniger Sozialleistungen.

Und obwohl die Nachteile des Modells bekannt sind, wird es steuerlich auch weiterhin durch das Ehegattensplitting begünstigt, von dem eben gerade die Ehepartner am meisten profitieren, deren Gehälter am weitesten auseinanderklaffen.

Will die Politik also tatsächlich etwas gegen den gender pay gap unternehmen, muss sie nicht nur Transparenz in den Unternehmen schaffen, sondern vor allem die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen, von Vätern und Müttern am Erwerbsleben unterstützen. Und das kann gerade bei Eltern kleiner Kinder nicht heißen: beide Vollzeit, sondern: beide Teilzeit.

Das 2014 verabschiedete Elterngeld Plus war ein richtiger Schritt in diese Richtung. Es fördert Teilzeitarbeit von Müttern UND Vätern von Kleinkindern. Auch ein gesetzlich verankertes Rückkehrrecht in Vollzeit ist immer wieder in der Diskussion. Es könnte nicht nur für Mütter wichtig sein, sondern vielleicht auch für Väter, die dann häufiger den Schritt in Teilzeit wagen würden.

Erneut ins Spiel kommt an dieser Stelle aber auch eine andere, von Familienministerin Schwesig favorisierte Idee: Die staatliche geförderte 32-Stunden-Woche für Eltern mit kleinen Kindern. Die könnte eine kleine Revolution auslösen.

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