Mügida-Spaziergang:"Ihnen ist kalt, sie haben Angst und geben jetzt auf"

Mügida-Demo am Sendlinger Tor

Im Vergleich zur Gegen-Demo waren die Mügida-Demonstranten ein kleines Häuflein.

(Foto: Florian Peljak)

Ein überschaubares Häuflein versammelt sich in München zur Anti-Islam-Demo. Ihnen stehen Hunderte Gegendemonstranten gegenüber. Trillerpfeifen, "Haut ab"-Rufe und "Nazis raus"-Chöre der Münchner übertönen den Mügida-Organisator samt seinem Lautsprecher.

Von Andreas Glas

Auch ein paar junge Leute stehen da, vor allem aber ältere Männer, mit Schnauzbärten, Hüten oder Schiebermützen. Einige halten Pappkartons in den Händen, darauf steht "Islamkritik ist Aufklärung" oder "Menschenrechte statt Scharia". Das wird die kleinen Männer und Frauen von der Straße aufhorchen lassen, haben sich die Mügida-Protestler wohl gedacht, als sie die Pappkartons bemalt haben. Aber es horcht niemand auf. Wie will man sich auch Gehör verschaffen, wenn der Gegenprotest viel größer, viel lauter ist?

Es sind geschätzt 1500 Münchner, die an diesem Montagabend zum Sendlinger Tor gekommen sind, um den Protest der Gruppe Mügida ("München gegen die Islamisierung des Abendlandes") zu kontern. Die Zahl der Mügida-Protestler braucht dagegen niemand zu schätzen, es ist ein überschaubares Häuflein, das sich auf dem Platz vor dem Filmtheater getroffen hat. Vielleicht 60 Leute, eingerahmt von Absperrgittern und Gegendemonstranten, die ihnen "München ist bunt"-Schilder entgegenhalten. Über ihnen, an der Kino-Fassade, wirbt ein Kinoplakat für "Honig im Kopf", den neuen Til-Schweiger-Film.

Die 60 Mügida-Anhänger haben keinen Honig im Kopf, dafür Wut im Bauch. Wut auf Kriegsflüchtlinge und auf Asylsuchende, auf die "Lügenpresse" und auf die Politik sowieso. Das verrät schon der Slogan "Meinungsdiktatur? Nein Danke!", unter dem die Gruppe ihren Protest beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) angemeldet hat. Offiziell soll Mügida zwar kein Pegida-Ableger sein, aber beide Gruppen arbeiten mit ähnlichen Parolen. Beide Gruppen behaupten, "das Volk" zu sein. So gesehen ist es der kleinste Volksaufstand, den München je gesehen hat.

Es wird ein kurzer, ungemütlicher Spaziergang

Um 18.32 Uhr, als sich abzeichnet, dass ihre Gruppe nicht mehr größer wird, greift Thomas Weiß zum Mikrofon. Er ist nach eigenen Aussagen der Organisator der Mügida-Versammlung. Ein schnauzbärtiger Mann mit langen Haaren und Rucksack. Er hat einen kleinen Lautsprecher vor sich auf den Boden gestellt. Aber das hilft nichts. Die Trillerpfeifen, die "Haut ab"-Rufe, die "Nazis raus"-Chöre der umstehenden Münchner sind zu laut, um Weiß zu verstehen.

Um 18.48 Uhr packen die Islamfeinde den Lautsprecher, ihre Deutschlandflaggen und die Pappkartons zusammen, dann ziehen sie weiter. Sie hatten ja einen "Spaziergang" angekündigt, vom Sendlinger Tor zum Max-Joseph-Platz. Also dorthin, wo zwei Tage vor Heiligabend 12 500 Münchner gegen Fremdenhass demonstriert haben. Zur selben Zeit, als in Dresden 17 500 Pegida-Anhänger gegen den Islam protestierten.

Es wird ein kurzer, ungemütlicher Spaziergang. Ein Spießrutenlauf. Erst müssen die Mügida-Protestler durch ein Spalier buhender Gegendemonstranten - und dann, nach 200 Metern, stoppt der Protestzug. Die Münchner Bürger kesseln die Islamfeinde ein, dazwischen bildet eine Hundertschaft Polizisten ein Spalier mit schweren Helmen und dicken Schutzwesten.

"Ihnen ist kalt, sie haben Angst und geben jetzt auf"

Mehr als eine Stunde lang stehen die Mügida-Protestler zwischen singenden, trillerpfeifenden, schimpfenden Münchnern. Die Protestler selbst stimmen den ganzen Abend über keinen einzigen Sprechchor an. Kein "Wir sind das Volk", kein gar nichts. Stattdessen blicken sie sich ratlos an, sind eingeschüchtert vom Gegenwind.

"Ihnen ist kalt, sie haben Angst und geben jetzt auf", sagt ein Polizist um 20 Uhr, als auch die offiziell genehmigte Versammlungsfrist für Mügida endet. Über ein Megaphon bittet die Polizei die Münchner darum, Platz zu machen, damit die "Spaziergänger" abziehen können. Die Münchner singen: "Ihr könnt nach Hause gehen". Und: "Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen".

Denn sie werden sich wohl wiedersehen. 300 Demonstranten sind für einen Marsch der Bagida (Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes) am kommenden Montag angekündigt. Auch dieser startet um 18.30 Uhr am Sendlinger Tor.

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