Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Vom Glamour zur Gosse

"Julia" zeigt den tragischen Fall einer transsexuellen Frau, die drogensüchtig auf Berlins Straßenstrich landet. Heruntergekommen ist Bill Murray in "St. Vincent" auch, entdeckt aber seine weiche Seite. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

96 Hours - Taken 3

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(Foto: dpa)

Wie stoppt man ein startendes Flugzeug mit Bösewicht an Bord? Richtig: Einfach mit dem schwarzen Porsche mitten ins Triebwerk rasen. Frankreichs Actionpate Luc Besson und sein Regie-Ziehkind Olivier Megaton (ja, das ist ein Künstlername) lassen ihren Star Liam Neeson zum dritten Mal in ehrlicher Handarbeit alle Typen vermöbeln, die sich seiner hübschen blonden Tochter nähern. "96 Hours - Taken 3" und weitere Filmstarts hier im Video.

Berlin East Side Gallery

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(Foto: dpa)

"Hätten wir solche Farben gehabt, hätte es die Wende nicht gegeben", sagt einer der 118 Künstler über die Wandmalereien an Berlins längsten, erhaltenen Maueranschnitt. Karin Kaper und Dirk Szuszies lassen ihn und viele andere Protagonisten die Geschichte dieses Ortes selbst erzählen, an dem sich Erinnerung, Kunst, Tourismus und Stadtplanung so unübersichtlich vermischen. Trotz einiger Längen und der tristen Bilder von Bauzaun und bröckelndem Beton, legt der Dokumentarfilm das wirklich Spannende frei: die Menschen hinter den Bildern - vom Allende-Kämpfer bis zum Japan-begeisterten Ostberliner.

The Best of Me

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(Foto: dpa)

Eine unmögliche Liebe, ein idyllischer Wohnort am Wasser und viele Briefe, die als innere Monologe abgespult werden, sind sichere Anzeichen, dass wir uns im massentauglichen Nicolas-Sparks-Melo-Modus befinden. Dieses Mal wird eine große Jugendliebe durchs Testament eines väterlichen Freundes nach vielen Jahren neu gezündet, doch unter der schwerfälligen Regie von Michael Hofman verblasst sogar der melancholische Charme von Michelle Monaghan, die gerade in "True Detective" eine sehr viel tiefgründigere Version der unglücklichen Ehefrau in Louisiana gespielt hat.

Ich will mich nicht künstlich aufregen

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(Foto: Arsenal Institut)

Wenn zu Beginn eines Films aus Adornos und Horkheimers Kapitel zur "Kulturindustrie" vorgelesen wird, dann weiß man: jetzt wird's ernst! Max Linz versucht sich in seinem wilden Mix aus Brecht, Daily Soap, Seinfeld und Shakespeare am systemverändernden politischen Film: teils zur Groteske verzerrt und stets - wie es in dieser Kulturbetriebsnabelschau treffend heißt - mit einem leisen Hang zur Didaktik.

Julia

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(Foto: Johanna Jackie Baier)

Portrait der transsexuellen Julia: einst eine glamouröse Erscheinung, nun auf dem Straßenstrich in Berlin und drogensüchtig. Wie Julias Schicksal zwischen Exzess und Tragik, rebellischer Selbstbehauptung und Selbstzerstörung irrlichtert, schildert die Dokumentaristin Jackie Baier mit bestürzender Ehrlichkeit. Einerseits Julias delirante Selbstdarstellung, andrerseits Bildpoesie, Atmosphäre, Faszination.

Let's Be Cops - Die Party Bullen

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(Foto: 20th Century Fox)

Die Lehr- und Wanderjahre eines Gamedesigners und seines Kumpels, verkörpert von Damon Wayans Jr. und Jake Johnson. Spontan verkleiden sie sich als Cops und feiern plötzlich rauschende Orgien des Selbstbewusstseins. Der Film startete im vorigen August in den USA, und man sieht ihn nun, in den Wirren um Polizeiwillkür und Morden an Cops, mit einem doppelten Rand. Zum Schluss kriegt Regisseur Luke Greenfield dann doch souverän die emotionale Kurve zum echten Buddymovie.

Die süße Gier

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(Foto: Loris T.Zambelli)

Die Bernaschis und die Ossolas verbindet nur ein Hedgefond-Geschäft und die bröckelnde Romanze ihrer Kinder. Der erfolglose Immobilienmakler Ossola erweist sich aber dann als genauso gewissenlos wie Bernaschi, der mit seinen Geschäften auf den Niedergang Italiens wettet. Paolo Virzis Bestsellerverfilmung mit Valeria Bruni-Tedeschi ist eine Mischung aus Finanzkrisen-Thriller und Moralstück, bleibt aber in beiderlei Hinsicht eher milde.

Wild Tales

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(Foto: dpa)

Vielgeliebt in Cannes 2014, eine Überraschung unter den Großen des Weltkinos: Ein Episodenfilm von Damian Szifron, produziert von den Brüdern Almodovar, das heißt, er schreckt vor nichts zurück in der Beschreibung der miesen kleinen Missgeschicke des Alltags, die einen ins Gefängnis oder fast um die eben angetraute Frau bringen. Destruktion pur, angefangen mit dem kleinen Signal, das man einem Langweiler auf der Überlandstraße beim Überholen macht ... "Wild Tales" hier als Rezension im Video.

St. Vincent

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(Foto: dpa)

Der saufende und hurende Faulenzer im Rentenalter, der hier im Zentrum steht, heißt Vincent. Er wird von Bill Murray gespielt, bärbeißig und mächtig zerknautscht. Was natürlich nur die harte Schale ist,und so fort. Als Vincent aber zum unfreiwilligen Ersatzdaddy für einen 12-jährigen Nachbarsjungen wird, gerät Regiedebütant Theodore Melfi auf gefährlich sentimentales Klischeeterrain - und erweist sich Bill Murrays Talenten als unwürdig. "St. Vincent" und weitere Filmstarts hier im Video.

© SZ vom 08.01.15 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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