Dieter Zetsche hat das Jahr schon jetzt umrissen. 2015 werde, so der Daimler-Chef am Wochenende bei der Automesse in Detroit, das Jahr der Geländewagen. "Die Zeit ist jetzt genau richtig: der Markt für SUVs wird immer noch stärker."
Das Jahr der dicken Kisten also, der derben Pick-ups und bulligen SUVs, der großen Spritfresser und PS-starken Boliden. Autos wie die der Fiat-Chrysler-Tochter Jeep, die erstmals eine Million Fahrzeuge weltweit verkaufte. Autos wie der neue Q7, den Audi nach Detroit bringt. Wie der schwere GLE Coupé von Mercedes, wie der neue sportliche Geländewagen, mit dem VW in den USA weiter kommen will.
Detroit Motor Show 2015:Viel hilft auch nicht viel
Die Zukunft des Autos findet auf der Technikmesse CES statt. Bei der NAIAS in Detroit merkt man davon nichts. Dort dominieren die Ideen von gestern: größer, schneller und immer mehr Leistung. Eine Übersicht.
Der SUV-Markt wächst und wächst
Große Autos, großes Geld: Branchenexperten sagen voraus, dass der Markt für SUVs in den USA doppelt so schnell wachsen wird wir der gesamte Markt. Autos übrigens, mit denen die meisten nicht einmal durchs Gelände fahren, weil sie in Gegenden wohnen, in denen es gar kein Gelände gibt. Sie wollen nur ihre Kinder von der Schule zum Sport und von dort wieder nach Hause bringen. Und - klar - sie mögen es, höher zu sitzen. Natürlich freut sich einer wie Zetsche da. Er hat, wie man in der Branche sagt, einen "guten Lauf".
Die richtigen Autos zur richtigen Zeit.
Dazu passt nun eine kleine Meldung von Renault: Der Konzern veröffentlichte in diesen Tagen Zahlen zu seinem Elektroauto-Absatz in Deutschland; 2014 verkauften die Franzosen rund 1800 Elektrofahrzeuge. Autos, die nicht Jeep oder GLE Coupé heißen, sondern Zoe, Kangoo oder Twizy. Eigentlich wollte Renault 4000 dieser seltsam klingenden Kreationen absetzen, nun waren es weniger als die Hälfte.
Der eine spricht vom Jahr des SUV, die anderen vermelden einen Elektroautoabsatz in homöopathischen Dosen - so also beginnt das Autojahr 2015.
Pick-ups in den USA:Großes Land für große Autos
Von wegen Energiekrise: In den USA verkaufen sich die dicksten Spritfresser immer noch am besten. Bei 67 Cent für den Liter Benzin ist das auch kein Wunder.
Aufbruch in die Vergangenheit
Detroit im Januar 2015, eine Branche inszeniert ihre eigene Renaissance. Doch was auf den ersten Blick aussieht wie ein neuer Aufbruch, zeigt nur: Die Industrie will zurück in die Vergangenheit. So weit zurück wie es nur irgendwie geht, mitnehmen aus dieser alten Welt, so viel wie nur geht. Wenn auch nur für einen Moment.
Denn die Spielregeln haben sich längst geändert, und das wissen auch die Manager. Die Umweltauflagen aus der Politik werden immer härter, und immer weniger junge Menschen legen noch Wert auf ein eigenes Fahrzeug. Die Zeiten haben sich geändert, und Detroit 2015 ist also vor allem: Nostalgie.
Man muss einen Blick zurück werfen, um zu verstehen, was da gerade passiert. In den vergangenen Jahren zeigten die Hersteller SUVs, aber sie sprachen dabei auch viel über die Zukunft. Über die Chancen von Elektroautos und Hybridantrieben, über die Kombination von Benzin- und Elektromotoren. Dann kam die Erkenntnis, dass sich diese neuen Fahrzeuge nicht von selbst verkaufen. Elektroautos sind deutlich teurer als die alten Klassiker, die mit Benzin oder Diesel fahren. Elektroautos haben eine immer noch viel geringere Reichweite; und auch die fehlende Lade-Infrastruktur fehlt - vor allem auf dem Land. Spaß machte das Thema keinem so richtig.
Als der Autozulieferer Continental jetzt die Ergebnisse einer Studie veröffentlichte, sah das Ergebnis so aus: Zwar halten die meisten Menschen E-Autos für umweltfreundlich, und - ja auch das - durchaus vernünftig. Aber leider fehlten Fahrspaß, Design und Sportlichkeit. Fazit: E-Autos hätten ein "Imageproblem".
Nun ist es so, dass es gerade bei Autos auch und vor allem ums Image geht. Ohne Image geht gar nichts. Für E-Autos war das also ein vernichtendes Urteil. Ein Urteil, das aber auch zeigte: Wenn es darum geht, große Geländewagen zu verkaufen, sind die Manager Profis. Aber das Geschäftsmodell E-Auto haben sie immer noch nicht im Griff.
Elektroautos:Gefangen im Batterie-Dilemma
Gerade einmal 8522 Elektroautos wurden 2014 hierzulande zugelassen. Sie sind zu teuer und haben eine geringe Reichweite. Das offenbart ein grundlegendes Problem: Deutschland hat die Autos, aber nicht die Batterien.
Zum schlechten Image kam nun noch etwas dazu, womit die Konzerne so nicht rechnen konnten: der Ölpreis, der immer weiter in die Tiefe rauscht und jetzt unter 50 Euro pro Barrel Brent liegt. Für die US-Autofahrer heißt das: Sie zahlen für eine Tankfüllung bis zur Hälfte weniger als vor einem Jahr. Der niedrige Ölpreis heizt die Nostalgie zusätzlich an - und wird für die Konzerne zum unerwarteten Absatztreiber. Hier die komplizierte Elektromobilität mit ihren kuriosen Kleinwagen und halbgaren Batterien, da ein Ölpreis, bei dem viele Amerikaner wieder sehnsüchtig an die General-Motors-Marke Hummer denken - einen Monster-Geländewagen, der es immerhin auf 20 Liter auf 100 Kilometer bringt. "Sparsamkeit wird für Verbraucher angesichts des billigen Sprits immer unwichtiger", meint ein amerikanischer Branchenanalyst. 10 Liter, 20 Liter - egal.
Wie lange geht das gut?
Nostalgie kann so schön sein. Nicht nur für Manager. Auch für Kunden. Das Problem ist nur: Nostalgie ist eine vorübergehende Stimmung. Sehr weit kommt man mit ihr nicht.
Wie so oft, wenn es um Nostalgie geht, liegt auch hier die Frage nah: Wie lange geht das gut? Wie lange wird es dauern, bis der billige Ölpreis wieder anzieht und die Modellträume vom Januar 2015 platzen lässt? Dass Mineralöl, wenn nicht mittel-, so doch langfristig nicht nur knapper, sondern vor allem auch wieder teurer werden dürfte, steht außer Frage. Nostalgie kann gefährlich sein, sowohl für die Kunden als auch für die Konzerne.
Marktübersicht:Mit dem Elektroauto bis zum Gardasee
Auf dem Papier kommen der VW E-Golf und der BMW i3 endlich auf 300 Kilometer Reichweite. Ein neuer Opel schafft deutlich mehr. E-Mobile, die es bereits jetzt zu kaufen gibt.
Es ging bei der Entwicklung von Elektroautos nie darum, dass das Benzin zu teuer war. Sondern um die Sorge, dass irgendwann Schluss sein könnte mit Öl. Darum, dass die Luft in den Städten immer schlechter wird, dass Metropolen in Asien vor dem Kollaps stehen, wenn sie ihren Verkehr nicht in den Griff bekommen. Und, eine einfache Rechnung: Die Autokonzerne brauchen, um die immer strengeren Umweltauflagen aus der Politik einzuhalten, nicht mehr SUVs, sondern mehr Elektroautos. Wenn die C0₂-Werte ihrer Flotten am Ende zusammengerechnet werden, spielt es keine Rolle, wie teuer das Benzin war, mit dem der Konzern gegen die Grenzwerte verstoßen hat.
Die Konzerne halten an ihren E-Autos fest
Noch hat kein Autohersteller seine Elektroautopläne über den Haufen geworfen, weil das Benzin immer billiger wird, und es wird wahrscheinlich auch niemand tun. BMW produziert weiterhin seinen Elektrokleinwagen i3 und seinen Sportboliden i8. Volkswagen setzt auf den Kleinwagen Up und den E-Golf, Daimler auf einen E-Smart und eine elektrisierte B-Klasse. Der US-Konzern General Motors, sonst eher ein Vertreter der alten Schule, präsentiert einen Elektrowagen mit dem Namen Chevrolet Bolt.
Durch die Bank wollen alle - Daimler, Audi, BMW - in den kommenden Jahren weitere Plug-in-Hybrid-Baureihen und Elektrolimousinen anbieten. Allerdings, und das ist die schlechte Nachricht: Die Konzerne werden es in diesen Zeiten des billigen Öls noch schwerer haben, ihre i3, Twizys und E-Ups an den Kunden zu bringen.
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Jetzt der Rausch, morgen der Alltag
Dass jetzt ausgerechnet Matthias Wissmann davor warnt, dass das billige Benzin der Feind der Stromer ist, liegt in der Natur der Sache. Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie trommelt seit langem für eine staatliche Förderung der neuen Fahrzeuge: Steuerliche Besserstellung, freie Fahrt auf freien Busspuren, freies Parken auf reservierten Parkplätzen. Perfektes Timing, gerade jetzt vor den Feinden der Elektromobilität zu warnen - und mehr Investitionen zu fordern.
Der Lobbyist Wissmann könnte noch hinzufügen, dass die große SUV-Party irgendwann wieder zu Ende gehen wird. Natürlich, Nostalgie-Feten sind meistens ganz nette Veranstaltungen. Man erinnert sich an die gute alte Zeit, aber irgendwann ist die Feier dann auch wieder zu Ende. Die Party der Spritschlucker und Geländewagen wird zu Ende sein, wenn die Mini-Zinsen von heute wieder anziehen und der Ölpreis steigt. Es wird dann so sein wie nach jedem Rausch: Man muss allmählich wieder in den komplizierten Alltag zurück.