Neue "Charlie Hebdo"-Ausgabe:"In erster Linie ein Mann, der weint"

Die Redakteure Gerard Briard, Renald Luzier und Patrick Pelloux des Satiremagazins Charlie Hebdo. Rechts Liberation-Chefredakteur Laurent Joffrin.

Charlie Hebdo-Chefredakteur Gerard Briard (links) präsentiert in Paris die neue Ausgabe des Satiremagazins. Rechts von ihm: Karikaturist Renald Luzier (Luz), Leitartikler Patrick Pelloux und der Publikationsdirektor der Zeitung Liberation, Laurent Joffrin.

(Foto: AFP)
  • Titel der neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" erneut mit Mohammed-Karikatur.
  • Zeichner erklärt, wie es zu Titelblatt kam
  • Magazin-Macher wollen sich in ihrem Selbstverständnis nicht beirren lassen.
  • Ägyptische Islamgelehrte kritisieren neue Ausgabe

Die neue Charlie Hebdo kommt in Frankreich an diesem Mittwoch heraus. Der Verlag kündigte für diesen Mittwoch eine Rekordauflage von drei Millionen Exemplaren an - circa 60 000 Exemplaren waren es sonst. Das Magazin soll in 25 Ländern verkauft werden, in Deutschland kommt die Ausgabe voraussichtlich aber erst am Wochenende in den Handel.

Am Dienstagnachmittag stellten sich überlebende Redakteure des Magazins in Paris live der Presse, um ihr Konzept für die anstehende Ausgabe zu erläutern.

Seite eins zeigt Propheten

Das vorab veröffentlichte Titelbild des Magazins zeigt eine Zeichnung des Propheten, der trauernd ein Schild mit der Aufschrift "Je suis Charlie" (deutsch: Ich bin Charlie) in den Händen hält. Über der Zeichnung steht in großen Buchstaben "Tout est pardonné" (deutsch: Alles ist vergeben).

Der Karikaturist Luz (mit vollem Namen Renald Luzier) gab sichtlich aufgewühlt Einblicke in die Entstehung der neuen Ausgabe der Satirezeitung. Er habe geweint, als er die Mohammed-Karikatur für die Titelseite fertig gezeichnet habe. "Ich habe gezeichnet und gesagt: 'Ich bin Charlie'", sagte er. "Das war eine Idee, die ich im Kopf hatte, aber es war nicht genug, das war noch keine Titelseite. Und dann gab es noch diese Idee, Mohammed zu zeichnen. Ich habe ihn angeschaut, er war am Weinen, und dann habe ich darüber geschrieben: 'Alles ist vergeben' - und dann habe ich geweint. Und das ist die Titelseite."

"Unser Mohammed ist in erster Linie ein Mann, der weint", sagte Luz, der immer wieder nach Worten rang und bei seinen Ausführungen lange Pausen machte. "Ich habe keinerlei Sorge, was mein Titelblatt angeht. Denn ich glaube, dass die Menschen intelligent sind, immer mehr, als man glaubt."

Charlie Hebdo-Chefredakteur Gérard Biard sagte, der Mohammed auf dem Titelbild sei "viel sympathischer als der, den die (islamistischen) Schützen vor sich hertragen."

beschrieb die Produktion der neuen Ausgabe als Kraftakt. Circa ein Dutzend Mitarbeiter des 1992 gegründeten Satireblatts arbeitete seit Ende vergangener Woche an der Ausgabe "der Überlebenden".

Die linksgerichtete Tageszeitung Libération hatte dem Charlie Hebdo-Team Unterkunft geboten - wie schon nach einem Brandanschlag auf die Redaktionsräume der Satirezeitung im November 2011. "Wir haben alle zusammengetrommelt", sagte Luz. Sie hätten die furchtbaren Geschehnisse darin verarbeitet, genauso wie auch die Kundgebung vom vergangenen Wochenende.

Aufreibende Beschlussfassung

Es sei schwierig gewesen, ein Titelbild zu finden, so der Zeichner. Die Idee des Mohammeds, der weint, sei nun aber eine Seite eins, hinter der sie alle stehen würden: "Schauen Sie, unser Mohammed ist ein sehr sympathischer Mensch." Dieser Mohammed weine. Aus dem Bild spreche auch Humor. Immer noch gelte, dass alles mit Abstand gesehen werden müsse.

Luz nannte die Namen der überlebenden Redaktionsmitglieder und sagte, dass alle an die Arbeit müssten. Denn "Charlie existiert weiterhin." Zum neuen Heft sagte er: "Ich spürte eine unglaubliche Freiheit des Ausdrucks in mir."

Alles andere als diese Titelseite "wäre verwunderlich gewesen"

Dass in der Ausgabe "der Überlebenden" nun erneut eine Mohammed-Karikatur abgedruckt wird, entspricht dem Selbstverständnis der Macher, die sich darin durch den Anschlag nicht erschüttern lassen wollen. "Es wäre verwunderlich gewesen, wenn es keine gegeben hätte", sagte Charlie Hebdo-Anwalt Richard Malka. "In den vergangenen 22 Jahren gab es bei Charlie Hebdo keine Ausgabe ohne Karikaturen vom Papst, von Jesus, von Priestern, Rabbinern, Imamen oder von Mohammed."

Die Mohammed-Zeichnung auf der Titelseite ist die einzige Karikatur des Propheten, dafür macht sich die Zeitung ausgiebig über religiöse Fanatiker lustig.

Auf der letzten Seite ist eine Karikatur von Luz, der auch die Titelseite gestaltete: Islamistische Terroristen kommen im Paradies an, einer fragt enttäuscht: "Wo sind die 70 Jungfrauen?" Die Antwort: "Beim Team von Charlie, du Trottel."

Auf einer Doppelseite ist zudem eine Karikatur des getöteten Zeichners Cabu abgedruckt, in der die Syrien-Reise von Dschihadisten mit dem europäischen Studienaustauschprogramm Erasmus verglichen wird. Überhaupt werden zahlreiche ältere Karikaturen und Texte getöteter Mitarbeiter abgedruckt - die Zeitung ehrt so ihre Opfer der Anschlagsserie.

Libération-Publikationsdirektor Laurent Joffrin sagte, "Charlie Hebdo" habe mit der Ausgabe seine "zarte Seite gezeigt".

Islamgelehrte: "Rassistischer Akt"

Ägyptische Islamgelehrte kritisierten die kommende Ausgabe des Magazins unterdessen scharf. Die wichtige religiöse Einrichtung Dar al-Ifta ("Haus der Rechtsprechung") in Kairo wertete die Veröffentlichung neuer Karikaturen des Propheten Mohammed als "rassistischen Akt".

Diese "ungerechtfertigte Provokation von 1,5 Milliarden Muslimen weltweit" werde eine neue Welle des Hasses in der französischen und in westlichen Gesellschaften auslösen. Das sei nicht förderlich für das Zusammenleben und den Dialog, um den Muslime sich bemühten.

Dar al-Ifta gilt als eine der höchsten religiösen Einrichtungen Ägyptens. Ihre Rechtsgutachten (Fatwas) gelten weltweit als Leitfäden für sunnitische Muslime.

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