Werbung für Lebensmittel:Tricksen zu Lasten der Gesundheit

Werbung für Lebensmittel: Mit vermeintlich gesunden Lebensmitteln lässt sich viel Geld verdienen.

Mit vermeintlich gesunden Lebensmitteln lässt sich viel Geld verdienen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • 63 Prozent der der Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln sind einem Marktcheck der Verbraucherzentralen zufolge irreführend. Sie sind entweder gar nicht erlaubt oder übertrieben.
  • Jedes dritte als gesund beworbene Lebensmittel wies so ungünstige Nährwerte auf, dass Gesundheitswerbung eigentlich nicht möglich sein dürfte.

Von Berit Uhlmann

In manchen Supermarktgängen wähnt man sich in einer Apotheke. Nicht nur für Figur und Fitness, sondern auch für das Herz, die Muskeln und die Nerven wird Hilfreiches angeboten. Lebensmittel mit einem vermeintlichen Zusatznutzen für die Gesundheit machen fünf Prozent des gesamten Branchenumsatzes aus, bilanzieren die Verbraucherzentralen. Doch viele der postulierten Effekte sind aufgeblasen oder unbewiesen, wie ein am Mittwoch vorgestellter Marktcheck der Verbraucherschützer ergab. 46 Produkte mit Gesundheitswerbung wurden untersucht, in 29 Fällen waren die Aussagen potenziell irreführend.

So verkündet ein Hersteller, seine Kindermilch ermögliche "gesundes Wachstum" - ein Gesundheitsversprechen, das gar nicht zulässig ist, denn aufs Etikett dürfen nur solche Health Claims, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA erlaubt hat. Neun von zwölf Kinderlebensmitteln fielen durch solche unzulässigen Behauptungen auf.

Andere Hersteller nutzten zwar erlaubte Claims, übertrieben deren Aussagen aber auf eine Weise, die nach Einschätzung der Verbraucherzentralen irreführend ist. Ein Beispiel ist das Pflanzenöl, mit dem Aufdruck "für ein gesundes Herz-Kreislauf-System". Erlaubt ist lediglich der Hinweis, dass bestimmte Fettsäuren zu einer normalen Herzfunktion oder einem normalen Cholesterinspiegel beitragen. "Zu oft betreiben die Lebensmittelhersteller Schönfärberei auf dem Etikett", sagt Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.

Doch Etikettenschwindel hin oder her; das Problem mit den Gesundheitsversprechen ist grundlegender. In Europa dürfen auch solche Lebensmittel als gesund angepriesen werden, die wohl jedem Mediziner die Sorgenfalten ins Gesicht treiben würden. Ein Lebensmittel kann von Zucker oder Fett nur so strotzen, es genügt, wenn Mineralstoffe oder Vitamine zugesetzt werden - selbst solche, mit denen der Durchschnittseuropäer mehr als ausreichend versorgt ist. Die Verbraucherschützer verweisen auf einen vermeintlich gesunden Fruchtsaft, der fast 15 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthält. Zum Vergleich: In der gleichen Menge Coca Cola stecken etwa zehn Gramm Zucker.

Grenzwerte, die definieren, wann ein Lebensmittel als gesund beworben werden darf, fehlen in der EU noch immer. "Schon für 2009 war die Einführung solcher Nährwertprofile geplant, umgesetzt sind sie noch immer nicht", kritisiert Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Verbraucherschützer haben daher die in den USA geltenden Nährwertprofile als Basis genommen und mit hiesigen als gesund beworbenen Produkten abgeglichen. Das Ergebnis: Bei zehn von 33 Lebensmitteln ist der Nährwert so schlecht, dass man eigentlich nicht von positiven Effekten auf die Gesundheit reden dürfte.

Simple Botschaften verfangen beim Käufer -auch wenn sie nichts mit der Realität zu tun haben

Der Verbraucher hat kaum Chancen, die Tricksereien zu erkennen. Er müsste schon die etwa 250 bislang zugelassen Health Claims überblicken, sich Nährwertanalysen selbst besorgen und mit großer Disziplin all den Werbefallen entgehen, die im Supermarkt für ihn ausgelegt werden.

Wie utopisch diese Vorstellung ist, zeigt eine Studie der Universität Göttingen, die zusammen mit dem Marktcheck vorgestellt wurde. Entscheidend für den Kauf sind vor allem die simplen Reize des ersten Eindrucks. Ziert das Erfrischungsgetränk eine schlanke Joggerin, glauben deutlich mehr als die Hälfte der Verbraucher, dass das Produkt wenig Kalorien enthält und sich für eine ausgewogene Ernährung eignet. Ohne das Foto der sportlichen Dame sehen nicht einmal 40 Prozent Vorteile in dem Drink. Der erste Eindruck ist erstaunlich robust; ein Blick in die Zutatenliste ändert kaum mehr etwas an der einmal gefassten Meinung.

Die Verbraucherzentralen fordern daher, die wichtigsten Produktinformationen schon auf die Vorderseite der Verpackung zu drucken. Dabei sollten allgemeinverständliche Definitionen anstelle der heute üblichen Spitzfindigkeiten und Schlupflöcher treten. Wer geht schon davon aus, dass ein Ketchup mit dem Aufdruck "ungesüßt" zwar keinen Zucker, aber immerhin noch Süßstoffe enthalten darf? 70 Prozent haben keine Ahnung und werden damit irregeleitet, ergab die Göttinger Untersuchung. Verbrauchern kann unterdessen geraten werden, solche Lebensmittel zu kaufen, die möglichst wenig Zutaten und Verpackung haben. Denn dies bedeutet auch, weniger Raum für Tricksereien.

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