"Frau Müller muss weg" im Kino:Die spinnen, die Eltern

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Gabriela Maria Schmeide als Frau Müller: Ob sie ahnt, was die Eltern gegen sie planen? (Foto: dpa)

Sönke Wortmann frönt dem Schenkelklopfen in "Frau Müller muss weg": Wildgewordene Eltern sägen eine Lehrerin ab. Die Boulevardgroteske verzettelt sich aber in Humorklischees und missachtet reale Gesellschaftsprozessse.

Von David Steinitz

In Dresden spielt diese Adaption des gleichnamigen Theater-Luststücks von Lutz Hübner, und in Dresden laufen die Irrungen und Wirrungen deutscher Emotionsrhetorik bekanntermaßen gerade besonders heiß.

Dass sie von diesem tagespolitischen Tohuwabohu eingeholt wurde, dafür kann natürlich die als Gesellschaftssatire gedachte Elternabendkomödie "Frau Müller muss weg" nichts. Doch wirkt der Versuch, nicht nur den Rinderwahn von Grundschülereltern kurz vor den Übertrittszeugnissen zu karikieren, sondern gleich auch noch eine Groteske auf deutsch-deutsche Befindlichkeiten abzuliefern, durch die aktuelle Nachrichtenrealsatire leider noch misslungener als ohnehin schon.

Aber der Reihe nach: Lutz Hübner, einer der meistgespielten Autoren auf deutschen Theaterbühnen, schrieb für das Staatsschauspiel Dresden im Jahr 2010 die Komödie "Frau Müller muss weg". Darin organisiert sich ein verzweifelter Elternmob, angelegt als Gesellschaftsquerschnitt aus Karrieristen und Losern, Ost und West, gegen die arme Grundschullehrerin Frau Müller. Die gefährdet nach einhelliger Meinung den Übertritt der neurotischen Kinder aufs Gymnasium, was in der Welt ihrer noch neurotischeren Eltern dem Weltuntergang gleichkommt.

Galaxien entfernt von "Fack ju Göhte"

Also starten sie eine Mobbing-Kampagne gegen die Lehrerin ("Sie soll angeblich auch in Therapie gehen"), sammeln Unterschriften für ihre Ablösung und knallen ihr die Liste in einer außerordentlichen Elternsprechstunde aufs Pult. Weil die kluge Frau Müller aber weiß, dass es keine gemeingefährlichere Spezies Mensch gibt als überbesorgte Eltern, überlässt sie die Horde kopfschüttelnd sich selbst. Die Eltern bekommen beim Philosophieren und Intrigieren im Klassenzimmer schnell einen heftigen Lebensblues. Weil in Wahrheit natürlich weder Frau Müller noch die Kinder das Problem sind, sondern sie selbst.

In schönster Yasmina-Reza-Tradition, die mit ihrem Elternspinner-Spektakelstück "Der Gott des Gemetzels" offensichtlich das Vorbild für dieses Theater war, kommen alle Elternprobleme und -sorgen ans Licht. Und mit ihnen auch gleich ein paar gutmenschliche Lösungsansätze. Gegen eine solche Boulevardgroteske spricht zunächst einmal gar nichts. Allerdings macht das Stück neben dem Thema Leistungsdruck noch so viele weitere Fronten auf, dass keine von ihnen wirklich übers Humorklischee hinauskommt.

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Ossi-Eltern gegen Wessi-Eltern, Karrieristinnen gegen Hausfrauen - über was man so klamauken kann, wird auch klamaukt. Und weil das in Deutschland seit jeher sehr beliebte Genre des Schul-und-Lümmel-Films in seiner letzten Inkarnation - "Fack ju Göhte" - so ein Riesenerfolg war, folgt trotz dieser Probleme jetzt die Filmversion. Sönke Wortmann, der "Frau Müller" bereits 2012 am Grips-Theater in Berlin inszenierte, hat das Stück fürs Kino aufbereitet. Allerdings leider um Galaxien entfernt vom schrägen Slapstick und der anarchischen Dreistigkeit des "Göhte"-Wahnsinns, dessen Fortsetzung im Herbst starten soll.

Wohlfühlfazit mit Sicherheitsgurt

Stattdessen lässt er einen Trupp guter Schauspieler - Justus von Dohnányi, Mina Tander, Anke Engelke - durch einen zähen Sumpf aus sehr braven Witzchen und vorhersehbaren Wendungen waten. An dessen Ende steht dann keine wirkliche Pointe. Nur das Wohlfühlfazit, dass es im Leben zwar manchmal drunter und drüber geht, man sich deswegen aber trotzdem lieb haben kann und miteinander reden muss.

Sogar Original-Dresdner mit zugezogenen Westlern. Von den realen tektonischen Gesellschaftsverschiebungen, deren harte Auswirkungen aufs Kinder- und Schulleben man ja durchaus mit den Mitteln einer derben Komödie erzählen könnte - kaum eine Spur. Das Kino wird in diesem Fall nur als konservative Erheiterungsmaschine mit Sicherheitsgurt missbraucht, damit sich auch keiner wehtut.

Nicht Frau Müller muss weg, sondern diese schnarchnasige Form des gefällig schenkelklopfigen Konsenskinos.

Frau Müller muss weg , Deutschland 2014 - Regie: Sönke Wortmann. Buch: Lutz Hübner, Sarah Nemitz, Oliver Ziegenbalg. Mit: Anke Engelke, Justus von Dohnányi, Alwara Höfels, Mina Tander, Ken Duken. Constantin, 87 Minuten.

© SZ vom 15.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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