"Facebook at Work":Hilfe, Facebook wird mein Intranet!

  • Nie mehr heimlich Facebook im Büro: Das soziale Netzwerk startet "Facebook at Work".
  • Timeline, Messenger, Events und Gruppen sollen zu Werkzeugen für Firmen-Mitarbeiter werden.
  • Zunächst ist der Dienst nur ausgewählten Firmen zugänglich - ob er kostenpflichtig wird, ist unklar.
  • Der Markt für Bürosoftware gilt als lukrativ - auch Firmen wie Google, Microsoft oder Salesforce mischen mit.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Facebook auf der Arbeit? Logisch, wie sollten wir sonst die endlosen Bürostunden bis zum Feierabend überbrücken. Aber Facebook für die Arbeit!?

Tatsächlich: Mit dem Dienst "Facebook at Work" steigt das soziale Netzwerk erstmals in die Arbeitswelt ein. Tausende deutsche Chefs, die Facebook als Zeitfresser identifiziert und deshalb im Firmen-Netzwerk gesperrt haben, dürften hochgradig verwirrt sein.

Zunächst werden einige (nicht genannte) Unternehmen in Pilotprojekten das neue Firmen-Facebook testen. Mitarbeiter können dort die bekannten Funktionen wie Timeline, Privatnachrichten, Gruppen und Events zur Organisation der Arbeitswelt verwenden. Damit nicht nebenbei die Tiervideos von Freunden im Nachrichtenstrom auftauchen, ist "Facebook at Work" komplett getrennt vom Original-Netzwerk.

Lizenzgebühren wahrscheinlich

Der Dienst, der auch als App erscheint, ist ein Nebenprodukt: Facebook-Mitarbeiter nutzen intern bereits seit längerem eine ähnliche Software, nun dürfte sie Einnahmequellen im derzeit sehr angesagten Markt für Firmensoftware erschließen. Einer Prognose der Marktforscher von Gartner zufolge wollen Unternehmen weltweit dieses Jahr etwa 344 Milliarden Dollar für "Enterprise Software" ausgeben.

Zwar ist noch nichts über Lizenzgebühren bekannt, doch der Verzicht auf Anzeigen und die Sammlung von Nutzerdaten deutet darauf hin, dass Facebook Unternehmen direkt zur Kasse bitten wird.

Das Versprechen von "Facebook at Work" klingt bekannt: Statt E-Mails, Messaging-Nachrichten, Meetings oder Projekte mit unterschiedlichen Programmen zu organisieren, soll es künftig nur noch einen Kommunikationskanal geben. Auch wenn die Theorie vom Ende der E-Mail umstritten ist: Derzeit behauptet die halbe Branche, genau diesen einen Kommunikationskanal zu bieten.

Microsoft hat die Kollaborationsdienste Yammer und Skype in sein Office-Paket integriert und es dazu für die gemeinsame Arbeit an Dokumenten geöffnet. Weitere Angebote sind "Google for Work" oder "Salesforce Chatter", selbst IBM hat inzwischen eine Ebene für Zusammenarbeit und Chats in seine Software eingezogen. Und mit Slack sammelt gerade ein Start-up aus diesem Bereich Nutzer und Investorengelder in Höchstgeschwindigkeit ein.

Was Facebook offenbar derzeit noch fehlt, ist ein Programm zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten - und der Ruf, auch akzeptable Software für Geschäftskunden bauen zu können. Andererseits müssten Firmen den meisten Mitarbeitern die neue Software nicht erklären, Facebook kann fast jeder.

Ein netter Nebenverdienst

Derzeit allerdings ist noch nicht einmal absehbar, ob das Zuckerberg-Unternehmen die Idee überhaupt größer verfolgen wird - die Mülltonnen im Hauptquartier in Menlo Park sind voller ambitionierter Ideen, die am Ende nicht funktionierten. Derzeit wäre die neue Sparte selbst im Falle eines Erfolgs zunächst nur ein netter Nebenverdienst, verglichen mit den Milliarden-Einnahmen aus Werbung.

Allerdings wirft "Facebook at Work" interessante Fragen auf: Wenn Facebook das neue Intranet ist, klicken wir dann vielleicht einmal auf etwas anderes als den Speiseplan? Müssen Mitarbeiter die Propaganda-Verlautbarungen aus den Chef-Etagen nun auch noch mit "Gefällt mir" markieren? Und was erledigen wir mit der Hilfe von Messengern wirklich schneller: Unsere Projekte oder die reibungslose Weitergabe von Flurfunk-Nachrichten?

Vor allem aber, ganz ernsthaft gefragt: Wie viele Unternehmen sind überhaupt gerüstet für eine Kultur, die internes Mitarbeiter-Feedback in Echtzeit in ihre Timeline spült?

Facebook vs. LinkedIn?

Facebook ist für Familie und Freunde, LinkedIn (und in Deutschland Xing) für den Beruf: Diese Trennung hat sich etabliert, und Facebooks neuer Vorstoß ändert für die meisten Nutzer daran nichts. Allerdings will auch LinkedIn sein Netzwerk stärker firmenintern nutzbar machen, wie Re/Code berichtet: In einem ersten Schritt sollen sich Mitarbeiter einer Firma gegenseitig Nachrichten schreiben können, unabhängig davon, ob sie Kontakte über LinkedIn ausgetauscht haben. Demnächst soll eine Gruppen-App erscheinen, mit der Firmen ihren Mitarbeitern Sammelnachrichten zukommen lassen können.

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