Verdacht auf Scheinselbständigkeit:Großrazzia beim Laborunternehmen Schottdorf

  • Das Augsburger Großlabor Schottdorf soll abhängig beschäftigten Fahrer als selbständige Transportunternehmer abgerechnet haben, um Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen zu müssen.
  • In ganz Deutschland hat die Polizei 142 Wohn- und Geschäftsräume durchsucht.
  • Juristen vermuten, dass das Verfahren mit einem "Deal" oder einer Einstellung gegen eine Geldauflage beendet werden könnte.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Das Augsburger Großlabor Schottdorf steht einmal mehr im Visier der Ermittlungsbehörden. Am Dienstag wurden im gesamten Bundesgebiet 142 Wohn- und Geschäftsräume durchsucht. Die Staatsanwaltschaft Augsburg verfolgt den Verdacht, dass Schottdorf seit 1995 seine abhängig beschäftigten Fahrer als selbständige Transportunternehmer abrechnet, um Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen zu müssen. Die Durchsuchungen fanden in Objekten des Schottdorf-Konzerns sowie in anderen Laborgesellschaften und auch in Wohnungen der betroffenen Fahrer statt. Dabei sei "umfangreiches Beweismaterial" sichergestellt worden, teilt Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai mit. Eine Schadenssumme könne allerdings noch nicht genannt werden.

Das Labor Schottdorf und sein schillernder Gründer Bernd Schottdorf waren in den vergangenen Jahren schon mehrmals Objekt von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Am Landgericht Augsburg ist derzeit ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug anhängig. Die Staatsanwaltschaft wirft Schottdorf vor, zwischen 2004 und 2007 die Krankenkassen um Honorare in Höhe von 78,9 Millionen Euro betrogen zu haben. Schottdorf bestreitet alle Vorwürfe.

Prozess um Schottdorf hat bis heute noch nicht begonnen

Obwohl die Anklage bereits im März 2014 zugelassen wurde, hat der Prozess bis heute noch nicht begonnen. Als offiziellen Grund für die lange Wartezeit nennt das Gericht: Überlastung der zuständigen Wirtschafts-Kammer. Diese verhandelt derzeit nach Angaben eines Gerichtssprechers "umfangreichen Haftsachen", die wegen des Beschleunigungsgebotes Priorität genießen. Wann das Verfahren gegen Schottdorf beginnt, sei derzeit nicht absehbar.

Zusätzlich beschäftigt sich der Landtag in einem Untersuchungsausschuss mit der Affäre Schottdorf. Dieser soll prüfen, ob die bayerischen Justizbehörden die Ermittlungen gegen Schottdorf korrekt durchgeführt haben oder nicht. Die Opposition kritisiert, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ihre schützende Hand über Schottdorf und zahlreiche Ärzte gehalten haben, obwohl diese Labor-Untersuchungen betrügerisch abgerechnet haben.

Schottdorf hatte den Ärzten Rabatte gewährt, während diese unter eigenem Namen zum vollen Gebührensatz mit den Kassen abrechneten. Den Rabatt aus dem Hause Schottdorf steckten die Ärzte in die eigene Tasche. Der Bundesgerichtshof wertete diese Praxis im Jahr 2012 als Betrug. Doch die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte zuvor etliche Verfahren eingestellt, ohne den Ausgang des BGH-Verfahrens abzuwarten.

Verfahren könnte mit "Deal" beendet werden

Die Beschäftigung von scheinselbständigen Fahrern war vor Gericht und Landtag bislang nie ein Thema. Auslöser der jüngsten Durchsuchungen war nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Verdachtsmeldung eines oberbayerischen Gewerbeamtes. Seit Mai wird gegen zwei Geschäftsführer des Labors und einen Fahrer ermittelt. Schottdorfs Münchner Anwalt Martin Imbeck macht zur Durchsuchungsaktion keine Angaben.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind nicht alle Kurierfahrer des Labors Schottdorf von dem Verfahren betroffen. Offenbar sind einige von ihnen tatsächlich angestellt, und für viele Fahrten werden externe Kurierdienst-Unternehmen beauftragt. Lediglich ein Teil der Fahrten werde von vermeintlich selbständigen Personen abgewickelt. Nur mit letzterer Gruppe könnte sich das Labor tatsächlich strafbar gemacht haben. Juristen, die das Ausmaß der Fälle kennen, vermuten, dass das Verfahren mit einem "Deal" oder einer Einstellung gegen eine Geldauflage beendet werden könnte.

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