Tourismuswerbung für Nordkorea:Joggen in Pjöngjang

Pjöngjang, Nordkorea

"Die wohl sauberste und autofreiste Millionenstadt der Welt"? Pjöngjang auf einem Bild, das die staatlich kontrollierte Zeitung Rodong Sinmun am 31. 12. 2014 veröffentlichte.

(Foto: Rodong Sinmun/dpa)
  • Bei der Ferienmesse in Bern ist mit Nordkorea ein bitterarmes Land vertreten, das nicht gerade als Urlaubsziel etabliert ist.
  • Schon seit Jahren werden Reisen nach Nordkorea beliebter - doch aktive Werbung im kapitalistischen Westen ist neu.
  • Menschenrechtsaktivisten sprechen von Zynismus, bei der Veranstaltungen werden viele Fragen laut.

Von Charlotte Theile, Bern

Ach, ist das ein fröhliches Pärchen, das einem da aus dem Ski-Lift zuwinkt. Orangene Jacken, grüne Hosen, die Ski-Stöcke sorgsam auf die Knie gelegt. In perfekt symmetrischer, ja, völlig identischer Körperhaltung fahren sie den Berg hinauf, die rechte Hand zum Gruß erhoben. Hinter ihnen im Schnee türmen sich blutrote Plattenbauten auf. Willkommen in Masikryong, dem ersten Skigebiet Nordkoreas. 110 Pisten-Kilometer in 800 Metern Höhe.

Was, zumindest für europäische Verhältnisse, relativ unspektakulär klingt, ist eine der wenigen Attraktionen, mit denen Nordkorea bei der Ferienmesse in Bern um Touristen wirbt. Schon seit längerem setzt das Land auf Urlauber als Wirtschaftsmotor - doch dass im kapitalistischen Westen aktiv Werbung gemacht wird, ist neu. Dass es ausgerechnet die Schweizer sind, die die Demokratische Volksrepublik (DVR) Korea einlädt, ist kein Zufall. Das Land, in dem Kim Jong Un wohl als Teenager zur Schule ging und sogar den Dialekt sprechen lernte, leistet seit Jahrzehnten Entwicklungshilfe - unter anderem. Manchmal werden auch Patronenpistolen geliefert oder nordkoreanische Offiziere zur Schießausbildung nach Genf geladen.

Nebenan stehen Aktivisten mit der Botschaft: In diesem Land Ski zu fahren, sei zynisch

Dieses Mal geht es aber um den Frieden. Sieben einfache Fotos hängen in einem kleinen weißen Zelt mit der Aufschrift "DVR Korea". Darunter steht Yong Bom Ri und lächelt mit dem kleinen Kim Jong Un auf seinem roten Anstecker um die Wette. Der schüchterne Mann ist der offizielle Tourismus-Repräsentant Nordkoreas. Die Schweizer, sagt Yong Bom Ri, seien so ein freundliches Volk. Jeder wisse, dass er es hier mit guten Menschen zu tun habe.

Ein besonders guter Mensch ist wohl Walter Eggenberger. Der pensionierte Fernseh-Moderator organisiert seit vielen Jahren Reisen nach Nordkorea. Fast alle Schweizer, die nach Pjöngjang reisen, reisen mit Eggenberger. Ruedi Bless, CEO des Reiseveranstalters Background Tours, sagt: "Du kommst nach Pjöngjang, und Walter ist da."

Für die kommenden Monate hat sich Eggenberger einiges vorgenommen. 15 Tage Nordkorea Tour im Mai, 18 Tage Nord- und Südkorea im September, im Winter 2016 dann zum Skifahren nach Masikryong, das Skigebiet, das Kim Jong Un innerhalb eines Jahres aus dem Boden stampfen ließ. Zwischen 7400 und 9000 Euro kosten die Reisen. Sie alle beginnen mit einem Bummel durch Pjöngjang - der, wie es Eggenberger schreibt, "wohl saubersten und autofreisten Millionenstadt der Welt". Auch sonst habe das Land einiges zu bieten: Arbeiterparaden, "bizarre Museen", "wunderschöne Berglandschaften", das Geburtshaus von Kim Il Sung, dem Großvater von Kim Jong Un.

Dass sich das Land in den letzten Jahren durch die Touristen geöffnet hat, bestreiten auch die Menschenrechtsaktivisten nicht, die ein paar Meter weiter Flyer verteilen. Man fordere die Veranstalter jedoch auf, nicht zu weiteren Menschenrechtsverletzungen beizutragen. Und weiter:"Hunderttausende Menschen, darunter auch Familien mit Kindern, werden zum Teil ihr ganzes Leben lang in politische Gefangenenlager gesteckt, dort gefoltert und wegen kleinster Vergehen hingerichtet. Die Uno verglich die Verbrechen des nordkoreanischen Regimes im März 2014 sogar mit den Verbrechen der Nazis." Hier Ski zu fahren, sei zynisch.

"Einmal gesehen, ist besser als 100-mal gehört"

Auch Yong Bom Ri muss sich an diesem Vormittag kritischen Fragen stellen. Ob es zutreffe, dass es in Nordkorea Arbeitslager und Folter gäbe? "Absolut nicht. Ich sage Ihnen, das ist nicht korrekt." Warum man während der Reise bewacht werde? "Es gibt kulturelle Unterschiede. Sie können zu Problemen führen. In unserer Kultur ist der Respekt vor dem Alter sehr wichtig. Wenn sich Touristen anders verhalten, kann das Koreaner verärgern." So geht das über Stunden. Dass 85 Prozent der Landesfläche bergig sind, will dagegen kaum einer hören. Yong Bom Ri, der von einem Diplomaten beobachtet wird, der zwar Deutsch spricht, aber kein Wort sagen darf, wirkt zunehmend erschöpft.

Walter Eggenberger und Ruedi Bless scheinen das Medieninteresse dagegen zu genießen. Nordkorea, das sei "nun wirklich das andere Reiseerlebnis", sagen sie und zitieren ein nordkoreanisches Sprichwort: "Einmal gesehen, ist besser als hundert Mal gehört". Vieles, was man über das Land zu wissen glaube, sei "dummes Zeug", sagt Eggenberger: Etwa, dass man für kritische Bemerkungen sofort ins Gefängnis gesteckt werde.

Swimming pool in Pyongyang

Ein Foto der "North Korean Central News Agency" aus dem August 2014 zeigt Nordkoreaner in der Munsu-Schwimmanlage von Pjöngjang.

(Foto: dpa)

Reiseveranstalter Ruedi Bless erzählt die lustige Geschichte, wie er beim Joggen durch Pjöngjang von einem Sicherheitsmann begleitet wurde, diesen aber bald abhängen konnte. Abends, sagte Bless, treffe man die Koreaner in der Bierhalle. Es gebe eine Mittelschicht, die sich das leisten könne - und mit der man ins Gespräch komme. Dass diese Mittelschicht klein ist und jeglicher Kontakt bewacht und über Dolmetscher stattfindet, sei aber auch wahr.

Ältere Besucher kommen wegen des Korea-Kriegs, jüngere aus Abenteuerlust

Aus Angst vor Ebola verhängte Nordkorea im Herbst eine Quarantäne von 21 Tagen für Ausländer. Mehrere Reisende aus den USA wurden in den letzten Monaten wegen "republikfeindlicher Verbrechen" festgenommen. Das Auswärtige Amt warnt: Es könnte jederzeit zu politischen Spannungen kommen. Trotzdem werden die Reisen zunehmend beliebt. Ältere Menschen kämen "vor allem wegen des Koreakrieges", sagt Bless, jüngere aus Abenteuerlust. 2011 sollen 5000 bis 6000 Touristen aus Westeuropa eingereist sein. Sie müssen gegen Diphterie, Tetanus, Polio, Masern und Hepatitis A geimpft sein - und sie bringen Devisen, die das bitterarme Land dringend braucht.

400 Aussteller präsentieren sich noch bis zum 18. Januar in Bern. Finnische Volkstanzgruppen, Waldnachbildungen mit Kieferngeruch und Vogelgezwitscher, hypermoderne Reisebusse oder thailändische Obst-Schnitzerinnen buhlen um die Aufmerksamkeit der erwarteten 40 000 Besucher. Nordkorea setzt auf ein Plakat, Farbfotos und eine Broschüre in wackeligem Deutsch.

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