Gesundheitssystem:Privatpatienten fürchten Preiserhöhungen

Arztpraxis

Privatkunden kommen beim Arzt auch mal schneller dran.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
  • Ende des Jahres erwarten die Kunden privater Krankenversicherer spürbare Beitragssteigerungen.
  • Eine Preiserhöhungswelle könnte den Befürwortern einer einheitlichen Krankenversicherung für gesetzlich und privat Versicherte Auftrieb geben.
  • Deshalb versuchen die PKV nach Informationen der SZ, den gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungsmechanismus für Tarife zu ändern.

Von Herbert Fromme und Ilse Schlingensiepen, Köln

Bei den privaten Krankenversicherern (PKV) wächst die Sorge vor den politischen Folgen erheblicher Beitragssteigerungen, die Ende 2015 und vor allem Ende 2016 drohen. Ein Hauptgrund sind die niedrigen Zinsen. Branchenexperten rechnen mit zweistelligen Erhöhungen für die Mehrzahl der Kunden mit einer privaten Kranken-Vollversicherung. In den vergangenen Jahren waren die Anpassungen eher moderat ausgefallen. Um Diskussionen über erneute Beitragsexplosionen zu vermeiden, hat die PKV nach Informationen der SZ versucht, den gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungsmechanismus zu ändern, bislang allerdings vergeblich.

Die Sorge in den Vorstandsetagen: Eine Preiserhöhungswelle wenige Monate vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 wäre Wasser auf die Mühlen der Befürworter einer einheitlichen Krankenversicherung für gesetzlich und privat Versicherte. Sie käme der Abschaffung der PKV in der heutigen Gestalt gleich. Für die große Koalition ist die Bürgerversicherung kein Thema, aber sie ist bei SPD, Grünen und Linken keineswegs vom Tisch.

"Wenn der Preishammer kommt, haben die meisten Kunden vergessen, dass sie in den vergangenen Jahren kaum mehr bezahlt haben", befürchtet ein prominenter Versicherungsmanager, der nicht namentlich genannt werden will.

Wovon die Beitragshöhe abhängt

Die PKV-Anbieter dürfen ihre Tarife nicht einfach erhöhen. Sie müssen abwarten, bis entweder die Gesundheitskosten um fünf oder zehn Prozent steigen - das ist verschieden bei den Gesellschaften - oder die Lebenserwartung für die Kunden um fünf Prozent nach oben geht. Schlägt einer dieser "auslösenden Faktoren" an, müssen die Gesellschaften aber alle Faktoren für die Tarifkalkulation neu berechnen. Dazu gehören auch die Zinsen für die Kapitalanlagen der Gesellschaften.

Die Versicherer verlangen von jüngeren Kunden höhere Beiträge, als ihre Gesundheitskosten ausmachen. Die Differenz wird angespart, im Alter sind die Preise dann niedriger als sie eigentlich sein müssten, auch wenn sie von vielen Versicherten immer noch als sehr hoch empfunden werden. Wenn aber die Zinsen auf dem jetzigen Mini-Niveau verharren, müssen die jüngeren Versicherten mehr zurücklegen, um die Ansparziele für das Alter zu erreichen. Zurzeit betragen die Alterungsrückstellungen rund 170 Milliarden Euro.

Widerstand bei der SPD

Ende 2014 hatte die PKV versucht, die gesetzlich festgelegte Mechanik für die Preisanpassungen zu ändern. Doch ein entsprechender Vorstoß bei der Überarbeitung des Versicherungsaufsichtsgesetzes scheiterte am Widerstand der SPD in der großen Koalition. Die Sozialdemokraten wollen das Vorhaben nicht mittragen. "Die bisher geltenden starren Schwellenwerte sind zu unflexibel und führen unter Umständen zu einem unnötigen Wechsel von mehrjährigen Nullrunden und dann sprunghaft ansteigenden Beiträgen", sagt der Direktor des PKV-Verbands, Volker Leienbach. Es gehe um das durchaus lösbare Problem, die Kalkulationsgrundlagen wie etwa das Zinsniveau regelmäßig und zeitnah anpassen zu können.

"Das Ziel ist eine kontinuierliche Beitragsanpassung auf einem für den Versicherten akzeptablen Niveau", sagt auch Roland Weber, Vorstand der Deutschen Aktuarvereinigung und Vorstand der Debeka. Die bei den meisten Unternehmen vorhandenen Rückstellungen erlaubten es, drastische Steigerungen abzufedern, sagt er.

Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten, zweifelt an der Uneigennützigkeit. Wenn die Versicherer früher die Beiträge erhöhen können, kommen sie schneller ans Geld der Versicherten, sagt er. "Unter dem Strich bekommt die PKV mehr Geld, als wenn es bei der alten Systematik bleibt." Kleinlein fordert, dass die Unternehmen die zu erwartenden Kostensteigerungen besser einkalkulieren. "Es wäre fairer, wenn der Vertrieb den Kunden von Anfang an sagen würde, worauf sie sich einstellen müssen." Zu häufig würden die Policen als günstige Alternative zu den gesetzlichen Kassen verkauft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: